Es gab in den letzten Jahren ohne Zweifel genügend Anlässe, um an der Welt, dem eigenen Schicksal oder auch der Menschheit zu verzweifeln. Aktuell ist es der barbarische und völlig unsinnige Krieg in der Ukraine, verbunden mit einer Inflation, die viele in die Armut zu reißen droht. Vorher führte die Corona-Pandemie zu zahlreichen Unglücksfällen und gesellschaftlichen Verwerfungen. Letztere gibt es aber auch aufgrund zunehmend diktatorischer Tendenzen in vielen Ländern und der wachsenden Schere zwischen Arm und Reich. Und eigentlich ist da auch noch die drohende Klimakatastrophe, die unter der Last der vielen anderen Krisen und Konflikte ständig in Vergessenheit gerät. Da darf man schon einmal das dringende Bedürfnis entwickeln, einfach abzuschalten und die Außenwelt auszublenden.
Fünf Geschichten des Engagements
Glücklicherweise widerstehen aber immer wieder Leute diesem Drang der Abschottung und Resignation und gehen stattdessen zum Gegenangriff über. Einige davon hat das Regie-Quartett Marco Heinig, Steffen Maurer, Luise Burchard und Luca Vogel hier versammelt. Schon 2019 beschäftigten sich die vier in Hamburger Gitter mit engagierten jungen Menschen, damals im Kontext der Unruhen während des G20-Gipfels in Hamburg, die 2017 für Schlagzeilen sorgten. Bei Rise Up ist das thematisch breiter aufgestellt, wenn insgesamt fünf Menschen aus mehreren Ländern zu Wort kommen, jeder davon mit einer eigenen Geschichte und einem eigenen Anliegen. Geeint werden sie nur den jeweiligen zum Engagement und dem Wunsch, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
Das ist sehenswert aufgrund der thematischen Vielfalt. Da geht es mal um Kämpfe für Geleichberechtigung, etwa von Frauen in Südamerika oder der schwarzen Minderheit in den USA. Auch die diversen Schattenseiten des Kapitalismus werden aufgezeigt. Eine historische Komponente wiederum bringt eine Frau mit, die in der DDR für Freiheit gestritten hat und deswegen erwartungsgemäß mit dem Regime aneinandergeraten ist. Das hielt sie jedoch nicht davon ab weiterzumachen. Auch die anderen Protagonisten und Protagonistinnen in Rise Up lassen sich von Widerständen und Unterdrückung nicht einschüchtern oder entmutigen. Der Kampf muss weitergehen, solange es diese Ungerechtigkeit gibt. Der Glaube an eine bessere Welt lässt sie nicht ruhen.
Zwischen spannend und belehrend
Solche Dokumentarfilme gehen gern schnell mal in die belehrende Richtung, manipulieren ohne Scham, in der Überzeugung, dass es für eine gute Sache geht. Ganz frei ist Rise Up davon nicht: Das Regieteam ist nicht an einer rein beobachtenden Position interessiert, sondern gibt durchaus eine Richtung vor, in die sich alles bewegen soll. Vor allem der Voiceover-Part ist von dem Willen gezeichnet, das Publikum anzuleiten. Wobei das manchmal etwas diffus wird, wenn nicht immer ganz klar wird, worauf das eigentlich hinauslaufen soll. Wenn beispielsweise das private Anstellen von Putzkräften oder Essenslieferservice als Beispiele für eine kaputte Welt herhalten müssen, ist das schon ein ziemlicher Gedankensprung. Hinzu kommt, dass es an wirklichen Alternativen mangelt: So wird zwar kritisiert, dass der Kapitalismus nicht überwunden wird. Was aber an dessen Stelle treten kann, das weiß irgendwie auch niemand.
Während an solchen Stellen die Leidenschaft für den Einsatz größer ist als die Substanz, sind andere dafür umso interessanter. Am besten funktioniert Rise Up, wenn wir einfach den Leuten zuhören, während sie ihre Geschichten erzählen und ihre Kämpfe mit uns teilen. Das ist zum Teil inspirierend, wenn die Energie der Aktivisten und Aktivistinnen ansteckend ist. Zum Teil ist es beruhigend, weil auf diese Weise das Gefühl entsteht, dass die Welt vielleicht doch noch nicht verloren ist und es sich lohnt weiterzumachen. Die Kaskade aus Krisen und Katastrophen mag auf den ersten Blick zu überwältigend wirken. Aber wenn von allen Seiten die Menschen sich erheben, um auf ihre Weise etwas beizutragen, wird am Ende vielleicht doch alles gut. Oder zumindest weniger schlimm.
OT: „Rise Up“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Marco Heinig, Steffen Maurer, Luise Burchard, Luca Vogel
Drehbuch: Marco Heinig
Musik: André Feldhaus
Kamera: Steffen Maurer
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