Rosalinde (Kaitlyn Dever) schwebt im siebten Himmel, macht ihr doch Romeo (Kyle Allen) den Hof und trägt ihr unentwegt romantische Gedichte vor. Die Sache hat nur einen Haken: Niemand darf von dieser Beziehung erfahren. Dies gilt insbesondere für ihren Vater Adrian Capulet (Bradley Whitford), der es nicht leid wird, den richtigen Mann für sie finden zu wollen – ohne dass sie dabei ein Wörtchen mitzureden hat, versteht sich. Und so ist sie gezwungen, eine Bootsfahrt mit Dario (Sean Teale) zu unternehmen, dem Papa zuliebe, die dann auch prompt in einer Katastrophe endet. Viel schlimmer noch ist aber, dass sich Romeo in der Zwischenzeit ausgerechnet ihrer Cousine Julia (Isabela Merced) zugewendet hat und diese auf dieselbe Weise zu bezirzen versucht wie zuvor Rosalinde. Die will das aber nicht auf sich sitzen lassen und unternimmt deshalb alles, um die Beziehung der beiden zu sabotieren …
Bekannte Liebesgeschichte aus anderem Blickwinkel
Unter den vielen Stücken, die William Shakespeare im Lauf seiner Karriere geschrieben hat, hat keines im Filmbereich wohl mehr Spuren hinterlassen als Romeo und Julia. Ob es nun mehr oder weniger direkte Adaptionen sind wie Romeo + Juliet oder offensichtlich davon inspirierte Werke à la Die in a Gunfight, die Liste ist lang und scheint jedes Jahr noch etwas länger zu werden. Das bedeutet aber zwangsläufig, dass jede neue Adaption ein bisschen in Erklärungsnot ist und die eigene Existenz rechtfertigen muss. Braucht es wirklich noch neue Fassungen der bekannten und sich ständig wiederholenden Fassung? Offensichtlich schon, wenn es nach Rebecca Serle geht, deren 2012 veröffentlichte Roman When You Were Mine als Vorlage für den Disney+ Film Rosalinde dient.
Der Clou dabei: Die Geschichte wird hier nicht nur die Augen des Paares erzählt, das seit Jahrhunderten dazu verdammt ist, einer unmöglichen Liebe hinterherzulaufen. Stattdessen ist es die Cousine von Julia, die hier zur Protagonistin ist und an der bekannten Geschichte einen größeren Anteil hatte, als es die meisten erwarten würden. Das erinnert ein wenig an Ophelia vor einigen Jahren, das ebenfalls mit einem Perspektivwechsel frischen Wind ins angestaubte Shakespeare-Theaterstück pusten wollte. Dort war es das Love Interest des Protagonisten, das auf einmal selbst zur Protagonistin wurde und damit Hamlet höchstpersönlich an den Rand drängte. Beiden Filmen gemeinsam ist zudem die feministische Note, wenn jeweils eine Frau zum Mittelpunkt des Geschehens wird.
Das ist MEIN Mann!
Der große Unterschied: Anders als die ernste obige Kollegin dient das hier in erster Linie der Unterhaltung. Rosalinde ist im Komödienfach zu Hause und entfernt sich damit noch weiter weg von der literarischen Urquelle. Der Witz entsteht hier maßgeblich auch durch die Art der Hauptfigur. Ganz ähnlich zu Catherine, Lady wider Willen kürzlich lernen wir hier eine junge Frau kennen, die sich gegen eine patriarchale Gesellschaft von anno dazumal auflehnt und sich weigert, einen Mann zu akzeptieren, nur weil der Vater es so will. Das ist ebenso amüsant wie ihre Versuche, sich doch noch den Mann zu schnappen, den sie sich zuvor ausgesucht hat. Dass der vielleicht gar nicht so toll ist, spielt für sie keine Rolle. Hier gibt es nicht nur um die Liebe, sondern auch ums Prinzip.
Das ist dann schon irgendwie sympathisch und zudem gut gespielt. Im weiteren Verlauf geht dem Film dann aber doch zunehmend die Luft aus. Regisseurin Karen Maine hatte zuvor mit Yes, God, Yes – Böse Mädchen beichten nicht beweisen können, dass sie absolutes Talent für Komödien rund um junge Protagonistinnen hat. Im direkten Vergleich zieht Rosalinde den Kürzeren, wenn es hier im späteren Verlauf dann doch zu einer Reihe von Konventionen kommt. So interessant die Idee eines Perspektivwechsels eigentlich ist, er bringt keine nennenswerten neuen Erkenntnisse mit sich. Wer das gar nicht braucht, findet hier eine angenehme und ansprechende Liebeskomödie, die das alte Gewand noch mal ein bisschen aufmotzt und mit moderner Sprache und dazu passenden Popliedern für ein heutiges Publikum wiederherrichtet. Das ist dann zwar nichts, was in der langen Geschichte von Shakespeare-Adaptionen hervorstechen würde. Aber es ist kurzweilig genug, um den Abend damit verbringen zu können.
OT: „Rosaline“
Land: USA
Jahr: 2022
Regie: Karen Maine
Drehbuch: Scott Neustadter, Michael H. Weber
Vorlage: Rebecca Serle, William Shakespeare
Musik: Ian Hultquist, Drum & Lace
Kamera: Laurie Rose
Besetzung: Kaitlyn Dever, Isabela Merced, Kyle Allen, Bradley Whitford, Minnie Driver, Sean Teale
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