In einer kleinen chinesischen Stadt lebt Lao Jia (Luo Sang Qun Pei) seit vielen Jahren und verdient sich seinen Lebensunterhalt als Maler und Dekorateur von Särgen. Seine Frau hat ihn verlassen und sein Sohn wurde ermordet, doch über das Geschehen kann Lao Jia mit niemandem reden und keiner spricht ihn darauf an. Eines Tages jedoch verändert sich seine Routine, als die 14-jährige Xiao Qi (Zhang Zi Mu) mit ihrer Mutter (Liu Lu) in die leerstehende Wohnung neben ihm zieht. Die Streitereien zwischen den beiden bekommt Lao Jia aufgrund der dünnen Wände nur allzu gut mit und er beobachtet, wie sich Qi von nun an jeden Morgen vor seiner Werkstatt einfindet und ihn aufmerksam beobachtet. In den ersten Tage reagiert er noch verhalten und abweisend, doch mit der Zeit öffnet er sich ihr gegenüber, besonders als er bemerkt, dass sie ein Talent fürs Malen und Zeichnen hat. Mit der Zeit wird Lao Jia so etwas wie ein Ersatzvater für die Teenagerin, geht auf einen Elternabend statt ihrer Mutter und verteidigt sie sogar gegen ihre Mitschüler, die sie auf dem Nachhauseweg immer wieder ärgern.
Während die Bande zwischen dem alten Mann und der Jugendlichen immer vertrauter wird, ereignet sich noch eine andere Veränderung, denn der Mörder seines Sohnes wird aus dem Gefängnis entlassen. Ein Besuch bei dessen Vater bringt die Gefühle der Wut und der Hilflosigkeit von damals wieder zum Vorschein und als dann auch noch ein paar Halbstarke auf der Suche nach Qis Mutter in der Stadt erscheinen, muss sich Lao Jia entscheiden, ob er nach wie vor Vergeltung für den Tod seines Sohnes will oder ob er sich stattdessen dafür entscheidet, seinen Nachbarn zu helfen.
Gegen die Gleichgültigkeit
Mit seiner zweiten Regiearbeit folgt der chinesische Filmemacher und Drehbuchautor Da Fei seiner Philosophie vom Medium als einem Spiegel der Gesellschaft. In The Coffin Painter, der auf dem diesjährigen Chinesischen Filmfest München zu sehen ist, will er, wie er in Interviews betont, eine Geschichte, in der es um Empathie geht und warum diese in unserer Welt als Schwäche empfunden wird. Dabei gelingt ihm aber noch viel eher ein Drama über das Loslassen und das Zurückfinden ins Leben, was besonders durch den ästhetischen Ansatz und die Schauspieler überzeugt.
Der Blick auf die von Lichter erhellte Skyline der Stadt, in der sich die Geschichte abspielt, trügt, denn lange sind die einzigen Farbkleckse in diesem formal sehr kargen Film lediglich die Särge, die Lao Jia mit einem Auge fürs Detail anfertigt. Um ihn herum findet sich nur das Grau und Braun einer Landschaft wider, in die es niemanden freiwillig ziehen würde und die geprägt ist von Armut und Elend. Der Tod, so will uns der Film weismachen, ist die Erlösung von dieser gnadenlosen Welt, in der sich die Figuren befinden, doch es könnte ebenso die Perspektive des Protagonisten sein, der durch seine Trauer und Wut verstummt zu sein scheint. Da Feis Film zielt auf eine Entscheidung ab, die in jedem Fall befreit von der Kargheit der Landschaft und dem ewigen Schweigen, doch ebenso in die Katastrophe führen kann. Dabei braucht es keine lauten Dispute, sondern vielmehr leise Töne in diesem Drama um Menschen, die erst wieder eine Stimme finden müssen.
Entscheidung fürs Leben oder für den Tod
In einem chinesischen Film Systemkritik zu erwarten ist illusorisch, jedoch kann man vieles in The Coffin Painter als eine überspitze Anspielung verstehen. Wenn sich Lao Jia während eines Elternabends, der wie eine Sitzung der Regierungspartei anmutet, fragt, wie es sein kann, dass gewisse Fächer anders gewertet werden und warum immer nur nach dem Nutzen, nicht aber nach anderen Aspekten gefragt wird, so weist man ihn brüsk ab und geht gar nicht so sehr auf das ein, was er eigentlich gefragt hat. Für die Probleme der Figuren spielt die Sphäre der Partei und der Wirklichkeit nur insofern eine Rolle, als das sie sich ergänzen in dem Bild einer gnadenlosen Welt. Lao Jia und Xiao Qi gehen einen Weg, der nur ihnen nutzt, doch ihnen ebenso einen Ausweg aus ihrer Lage liefern kann, was sie zu Außenseitern innerhalb der Gesellschaft macht.
Als Lao Jia gibt Luo Sang Qun Pei eine sehr sensible Darstellung eines Mannes ab, dessen Trauer und Wut nur selten nach außen dringen, aber in kurzen Momenten sich einen Weg nach draußen bahnen, über Gesten oder Blicke. Im gegenüber zeigt Zhang Zimu die vielleicht beste schauspielerische Leistung ab, als eine junge Frau, die noch dabei ist, sich einen Zugang zu der Welt zu verschaffen, doch die daran zu zerbrechen droht, dass ihre Stimme nicht gehört wird oder wie die Welt sie behandelt.
OT: „Yi xiang lai ke“
Land: China
Jahr: 2021
Regie: Fei Da
Drehbuch: Fei Da
Kamera: Tang Lai Kwong
Musik: Bohan Xiao
Besetzung: Luo Sang Qun Pei, Zimu Zhang, Lu Liu
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