The Stranger Netflix
© Ian Routledge/Netflix

The Stranger

The Stranger Netflix
„The Stranger“ // Deutschland-Start: 19. Oktober 2022 (Netflix)

Inhalt / Kritik

Es ist reiner Zufall, der Paul (Steve Mouzakis) und Henry (Sean Harris) zusammengeführt hat, als sie beide mit dem Bus auf dem Weg in den Westen Australiens sind. Ein glücklicher Zufall. Nicht nur dass sich beide auf Anhieb gut verstehen. Sie helfen auch einander. So ist Henry hilfreich dabei, als Paul ein Auto kaufen will. Der wiederum stellt ihm einen Job in Aussicht, er kenne da jemanden. Kurze Zeit später lernt Henry auf diese Weise Mark (Joel Edgerton) kennen, der ihm tatsächlich ein paar kleinere Aufträge verschafft. Seine Gang verdient mit Drogen ihr Geld, wenn sie nicht gerade damit beschäftigt ist, Spuren von Verbrechen zu beseitigen. Und so verbringen sie im Folgenden einige Zeit miteinander, lernen sich besser kennen, schließen sogar Freundschaft. Doch in Wahrheit steckt etwas ganz anderes dahinter …

Auf der Suche nach dem Verbrechen

Wenn es darum geht, mit wahren Verbrechen die Menschen vor die Bildschirme zu locken, ist Netflix bekanntlich immer mit dabei. Da wären zum unzählige True Crime Dokus, zuletzt beispielweise In die Tiefe: Der Mord auf dem U-Boot oder Die Verbrechen unserer Mutter. Aber auch von Schauspielern und Schauspielerinnen verkörperte Versionen der mörderischen Ereignisse sind immer mal wieder im Sortiment zu finden. Aktuell feiert der Streamingdienst mit Dahmer – Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer und The Watcher große Erfolge. Insofern verwundert es nicht sonderlich, dass auch der Film The Stranger einen wahren Kern hat. Und doch ist dieser kaum mit den obigen Titeln zu vergleichen – oder auch anderen Vertretern dieser speziellen Form der Unterhaltung.

Das fängt schon damit an, dass Regisseur und Drehbuchautor Thomas M. Wright lange gar nicht verrät, was das Verbrechen denn sein soll, das im Mittelpunkt des Films steht. Und selbst als klar wird, was vorgefallen ist, verweigert er sich den typischen True-Crime-Gebaren. Hier gibt es keine Texttafeln oder Bilder der Vorlage, welche betonen sollen, dass das hier alles wirklich stattgefunden hat. Wenn man nicht anderweitig davon erfährt, dass ein realer Fall Inspiration gewesen ist, man käme vermutlich gar nicht auf die Idee. Denn darum geht es in The Stranger auch gar nicht. Nervenkitzel, der mit dem Schauer vor brutalen Ereignissen einhergeht, stand nicht auf der Prioritätenliste des australischen Filmemachers, der Schauspieler in Titeln wie Sweet Country zu sehen war und hier seine zweite Regiearbeit abliefert.

Langsam, ruhig, abgründig

Dafür ist sein Film auch viel zu langsam. Das Thrillerdrama, welches 2022 in Cannes Weltpremiere hatte, ist sehr gemächlich erzählt. Knapp zwei Stunden dauert es, viel passiert während der Zeit nicht. Wer einschaltet, weil er brenzlige Situationen möchte, die im besten Fall mit Lebensgefahr verbunden sind, der ist hier völlig falsch. Spannung entsteht aber durchaus, sofern man sich auf diese Art Film einlassen kann. So enthüllt The Stranger nur nach und nach, worum es bei all dem geht und wer diese Männer eigentlich sind. Denn auch wenn der Titel impliziert, dass es einen Fremden gibt, gilt dies doch eigentlich für beide Protagonisten. Die vollbärtigen, eher wortkargen Männer haben jeweils etwas zu verbergen, das ist klar. Aber erst mit der Zeit wird das enthüllt.

Das ist atmosphärisch dicht mit einem Hang zum Surrealen. Und es ist fantastisch gespielt, gerade auch wenn die eigentlichen Themen zum Vorschein kommen. So geht es Wright gar nicht so sehr darum, das Verbrechen als solches aufzuklären, sondern vielmehr, was dies mit den Menschen macht. Die Abgründe, die im mysteriösen Dunkeln langsam sichtbar werden, gehen nicht spurlos vorbei. The Stranger führt vor Augen, was es bedeutet, sich mit diesen Abgründen beschäftigen zu müssen und wie viel man dabei von sich selbst zu verlieren riskiert. Das wird sicher nicht allen gefallen, mit dem üblichen Netflix-Angebot ist dieser düstere Film kaum zu vereinbaren. Aber er ist doch einer der interessantesten Neuerscheinungen der letzten Monate, wenn er mehr auf Introspektion geht, weniger auf Provokation.

Credits

OT: „The Stranger“
Land: Australien
Jahr: 2022
Regie: Thomas M. Wright
Drehbuch: Thomas M. Wright
Musik: Oliver Coates
Kamera: Sam Chiplin
Besetzung: Joel Edgerton, Sean Harris

Bilder

Trailer

Filmfeste

Cannes 2022
Sitges 2022

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The Stranger
fazit
„The Stranger“ mag prinzipiell eine True-Crime-Produktion sein, hat aber kaum etwas mit dem zu tun, was man darunter versteht. Anstatt das Verbrechen auszuschlachten, ist hier lange nicht klar, was das Verbrechen überhaupt ist, weil vieles erst nach und nach enthüllt wird. Das ruhig erzählte Thrillerdrama befasst sich auch lieber damit, was der Umgang mit Abgründen mit einem macht, weniger einer nervenaufreibenden Handlung.
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