Nikki (Celine Held) lebt mit ihrer fünfjährigen Tochter Little (Zhaila Farmer) und vielen anderen in den stillgelegten U-Bahn-Tunneln New York Citys. Es ist ein bescheidenes Leben, bei dem es an allem mangelt. Aber die Gemeinschaft ist geprägt von Zusammenhalt, man kümmert sich umeinander. Diese Idylle in den Schatten der Stadt nimmt eines Tages ein abruptes Ende, als die Behörden auftauchen und den Ort räumen wollen. Nikki bleibt nichts anderes übrig, als mit ihrer Tochter an die Oberfläche zu fliehen und eine neue Bleibe zu suchen. Einfach ist das nicht, denn wo immer sie auftaucht, riskiert sie, dass man ihr Little wieder wegnehmen könnte …
Die Verlorenen New York Citys
New York City ist ohne Zweifel eine Stadt der Superlative. Sie ist die Heimat der Wallstreet und unzähliger Konzerne, nach Tokio die wirtschaftlich zweitgrößte Stadt der Welt. Sie steht für Glamour, aber auch Kultur. „If I can make it there, I’m gonna make it anywhere“ sang Frank Sinatra seinerzeit in seiner Hymne an die Metropole. Doch diese Zeile impliziert bereits, dass es nicht alle schaffen werden. Tatsächlich ist die liebevoll Big Apple getaufte Megastadt notorisch unbarmherzig – und sehr teuer. Topside – Flucht ins Ungewisse nimmt uns mit zu Leuten, die es eben nicht geschafft haben. Die aus welchen Gründen auch immer gescheitert sind bei dem Versuch, sich in New York City durchzusetzen, und stattdessen in alten Tunneln gelandet. Leute, die niemand sieht, an einem Ort, den niemand braucht.
Entsprechend düster ist die Geschichte, welche das Regie- und Drehbuchduo Celine Held und Logan George da zu erzählen haben. Lange haben sie sich im Vorfeld darauf vorbereitet, um Einblicke in diese Parallelwelt zu erhalten. Wobei sie über diese vergleichsweise wenig zu sagen haben. So halten wir uns in Topside – Flucht ins Ungewisse nur relativ kurz in der Schatten-Community auf, bevor diese von der Polizei gestürmt wird. Wir erfahren praktisch nichts über die Menschen, über ihre Schicksale, die sie an den Ort geführt haben. Etwas besser sieht es bei den beiden Protagonistinnen aus, denen wir rund anderthalb Stunden folgen. Immer mal wieder baut das Drehbuch zwischendurch kleine Informationen ein, mit wem wir es da überhaupt zu tun haben. Viel ist es aber nicht, als Porträt ist das Drama eher dünn.
Rastlose Suche in einem grellen Labyrinth
Auch die Gesellschaftskritik, die man angesichts des Themas vermuten könnte, ist relativ sparsam. So werden die Behörden zwar als brutale Eindringlinge wahrgenommen, die den Leuten unter der Erde ihr Zuhause wegnehmen wollen. Das geht jedoch nicht mit konkreten Vorwürfen einher, was sie falsch machen oder was besser gemacht werden könnte. Stattdessen konzentrieren sich Held, die auch die Mutter spielt, und George auf die subjektive Wahrnehmung der zwei Figuren, die durch eine Welt stolpern, in der sie nirgends Halt finden und jeder Ort mit einer Bedrohung einhergeht. Die Rastlosigkeit von Topside – Flucht ins Ungewisse erinnert dabei an Filme wie Full Time oder Good Time, bei denen ebenfalls die Hauptfiguren durch die Stadt hetzen, auf der Suche nach einer Lösung. Stärker noch als bei diesen wird hier aber die Stadt selbst zu einem Charakter: ein kaltes, undurchschaubares Labyrinth, laut und voll greller Lichter.
Je nach Erwartungen kann das fesselnd oder frustrierend sein. Auch der Punkt, dass hier ein kleines Mädchen mitgezerrt wird, führt zu gemischten Reaktionen, da so etwas schnell manipulativ werden kann. In Topside – Flucht ins Ungewisse hält sich das aber in Grenzen. Auf der einen Seite ist das Kind oft nur ein Mittel zum Zweck und darf nie als Charakter auftreten. Gleichzeitig bietet es Anlass, um Fragen zu Verantwortung und den Aufgaben von Eltern zu stellen. Außerdem erlaubt es auch, New York City aus einer etwas anderen Perspektive heraus zu beschreiben, wenn zumindest anfangs vieles durch die Augen von Little eingefangen wird. Die Stadt und damit die Welt an sich wird zu einem Ort, der faszinierend und einschüchternd zugleich ist, während wir weiter nach einem Zuhause suchen, nach Ruhe und Trost.
OT: „Topside“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Celine Held, Logan George
Drehbuch: Celine Held, Logan George
Musik: David Baloche
Kamera: Lowell A. Meyer
Besetzung: Zhaila Farmer, Celine Held, Jared Abrahamson, Fatlip
SXSW 2020
Venedig 2020
Filmfest München 2021
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