Ramstein – Das durchstoßene Herz Das Erste ARD TV Fernsehen Mediathek
Szenenbild aus "Ramstein - Das durchstoßene Herz": Die Ermittler Hagen Dudek (Trystan Pütter) und Jeanine Kopps (Elisa Schlott) wollen herausfinden, wie es zur Katsdtrophe bei der Flugshow kommen konnte (© SWR/FFP New Media/Marc Bossaert)

Trystan Pütter [Interview]

Ramstein – Das durchstoßene Herz (26. Oktober 2022 um 20.15 Uhr im Ersten) erinnert an die verheerende Katastrophe während einer Flugshow am 28. August 1988. Damals kamen 70 Menschen ums Leben, Hunderte wurden verletzt. Das Drama blickt aus verschiedenen Perspektiven auf den Vorfall, erzählt von Opfern, Ärzten und Verantwortlichen. Trystan Pütter spielt einen der Ermittler, die herausfinden sollen, wie es zu der Katastrophe kommen konnte. Wir haben uns während der Premiere auf dem Filmfest München 2022 mit dem Schauspieler über die Arbeit an dem Film unterhalten, den Umgang mit Unglück und den Glauben an das Gute.

Was hat dich an „Ramstein – Das durchstoßene Herz“ gereizt? Warum wolltest du in dem Film mitspielen?

Tatsächlich war das für mich keine leichte Entscheidung. Ich fand das Buch gut geschrieben. Der Cast hat mich begeistert. Ich habe auch schon einmal mit Regisseur Kai Wessel gearbeitet, damals bei „Hilde“. Aber das Thema hat mich doch ziemlich unruhig gemacht. Wie willst du so etwas darstellen, ein solches schreckliches Ereignis? Sind das Bilder, die gezeigt werden müssen? Wie werden sich Betroffene fühlen, wenn sie das später sehen? Schlussendlich habe ich mich dieser Herausforderung gestellt, in dem Wissen, dass viele Betroffene und Opfer involviert waren in dem Prozess. In meinen Szenen geht es auch gar nicht um das Leid dieser Menschen. Stattdessen spiele ich eine erfundene Figur, die in dem Fall ermittelt und für das Publikum herausfindet, was damals eigentlich schief gegangen ist. Ich fand es spannend, dieser Figur dann Leben einzuhauchen.

Wie präsent war das Thema vorher bei dir? Wusstest du von dem Unglück in Ramstein?

Ich kann mich tatsächlich an die Bilder erinnern, die in der Tagesschau gezeigt wurden. Mein Vater hatte sich das angeschaut und ich als kleiner Stöpke daneben. Ich weiß noch, was für ein riesiges Ereignis das war, die ganze Trauer und Bestürzung über das, was passiert ist. Aber es ist mehr eine dunkle Erinnerung.

Was macht diese Geschichte deiner Meinung nach dennoch für ein heutiges Publikum relevant?

Es ist natürlich eine Art Zeitdokument. Es war das größte Flugzeug-Unglück bei einer Flugshow. Infolgedessen wurde in Deutschland auch das Posttraumatische Stresssyndrom anerkannt. Wir erzählen die Geschichte über ein extremes Schicksal, das sehr viele Menschen betroffen hat und inzwischen in Vergessenheit geraten ist. Deswegen finde ich, dass es eine Geschichte ist, die erzählt werden sollte.

Du meintest schon, dass das Thema dir nur vage in Erinnerung war. Wie sah deine Vorbereitung aus?

Ich habe mir viele Dokumentationen angeschaut, Augenzeugenberichte. Wir haben Betroffene getroffen und durften mit diesen sprechen. Da ich selbst wie gesagt eine fiktive Figur gespielt habe, musste ich mich nicht so extrem an eine Vorgabe halten. Vor allem habe ich mir angeschaut, wie die Menschen darüber sprechen. Also gar nicht so sehr der Inhalt, sondern die Emotionalität. Wie spricht jemand, der durch eine solche Tragödie gegangen ist? Viele waren erstaunlich gefasst und neutral. Wenn du ein Ereignis erlebst, das dich so stark erschüttert, dann hast du glaube ich keinen Zugang mehr zu einem emotionalen Ausbruch.

Und wie war das für dich, als du dich damit befasst hast? Je mehr man darüber erfährt, sowohl die Schicksale wie auch die Hintergründe, umso schlimmer wird das alles.

Absolut, das wird immer schlimmer. Vor allem auch, wie diese ganzen Menschen später nach und nach vergessen wurden. Man kann sich so etwas nicht wirklich vorstellen. Da ist diese eine Szene, in der ein Fax durchrattert, auf der die Namen und Alter der Opfer stehen sowie der Status, ob sie tot oder verletzt ist. Und du denkst: Wow, jeder einzelne Name war ein Individuum mit Menschen, die ihn geliebt haben. Das ist ein so unermessliches Leid.

Interessant bei deiner Figur ist, dass sie all diese Informationen sammeln soll, ohne sie zu bewerten. Kann man das überhaupt?

Das fand ich auch spannend. Wie ist jemand, der in einer solchen Situation so hochprofessionell ist? Wir hatten auch eine Szene gedreht, die dann später wieder rausgenommen wurde, in der meine Figur nach Hause geht, sich neben sein Kind setzt und dieses anschaut. Er ist also jemand, der ein eigenes Leben hat und eigene Gefühle, die aber völlig bei seiner Arbeit fernhalten muss. Er sammelt all diese Information und weiß dabei, dass dies wahrscheinlich nicht zu den Konsequenzen führen wird, die angemessen gewesen wären.

Wie schafft man das? Muss man zu so etwas geboren sein?

Ich denke tatsächlich, dass man zu so etwas geboren sein muss. Jemand, der ständig mit Schicksalen konfrontiert ist, die wahnsinnig viel Trauer in sich tragen, muss eine Art kühle Distanz in sich aufbauen. Das ist oft auch bei Unfallärzten so oder bei Krankenwagenfahrern, dass ein Galgenhumor entsteht, um sich selber zu schützen. Ansonsten kannst du einen solchen Job nicht machen. Ich habe versucht, das zu integrieren und trotzdem zuzulassen, dass es bei ihm Einschläge gibt. Er hat diesen Wunsch nach Gerechtigkeit und Wahrheit. Er will aufklären, was da geschehen ist und wie es zu diesem Unglück kommen konnte.

Könntest du so etwas?

Das weiß ich nicht. Ich weiß nicht, ob ich alltäglich mit solchen Schicksalen umgehen könnte. Es ist Bestimmung. Du musst wohl wirklich, wie du sagst, zu einer solchen Aufgabe geboren sein, um sie erfüllen zu können und das auszuhalten.

Auch wenn deine Figur versucht, diese Emotionalität auf Distanz zu halten, wird sie doch damit konfrontiert. Wie war es für dich, das zu spielen? Du durftest es beim Spielen nicht zeigen, wenn es dich berührt.

Es war eine tolle Herausforderung. Es gibt eine Szene mit Jan Krauter, in der er einen wahnsinnigen Monolog hält und damit genau die Emotionalität trifft, die ich von den Dokumentationen kannte. Das hat mich als Zuschauer und als Kollege extrem berührt. Und ich konnte meine Figur schützen durch genau diese Distanz, über die wir gesprochen haben. Aber ich habe gemerkt, wie dieser Impact da ist. Das sind Momente, für die ich Schauspieler geworden bin.

Wie war allgemein für dich die Erfahrung, in einem solch großen Ensemble zu spielen? Es gibt in „Ramstein – Das durchstoßene Herz“ keine Hauptfigur in dem Sinn, sondern ganz viele, die irgendwie zusammenhängen.

Ich fand das super. Die meisten kannte ich vorher nicht und es war eine spannende Erfahrung, mit so vielen engagierten Leuten zusammenarbeiten zu dürfen. Die sind alle komplett all in gegangen. Das musst du aber auch bei einem solchen Film, um dem gerecht zu werden. Ich hatte also eine großartige Zeit, auch wenn der Film natürlich schwer war.

Du hast vorhin gemeint, dass Ramstein und die Menschen in Vergessenheit geraten sind. Ist überhaupt etwas von dem Unglück geblieben? Hatte das Ereignis Auswirkungen?

Du hast zumindest keine Flugshows mehr in diesem Ausmaß. Ansonsten weiß ich nicht, wie viel geblieben ist. Klar ist, dass die Betroffenen im Stich gelassen wurden, was auch ein Grund war, diesen Film zu drehen. Wir wollten an sie erinnern und was sie durchmachen mussten. Sie haben sich den Film auch bereits anschauen können und er ist wohl sehr gut bei ihnen angekommen. Allein deswegen hat sich der Film gelohnt, wenn wir etwas für diese Menschen tun konnten und ihnen das Gefühl gegeben haben, dass sie wichtig sind.

Je mehr deine Figur ermittelt, umso schockierender ist, was sie herausfindet. Nicht nur, dass im Vorfeld zu wenig getan wurde, um solche Unglücke zu verhindern, es wurde später auch versucht, alles zu vertuschen. Wie schafft man es in einem solchen Umfeld, nicht den Glauben an das Gute im Menschen zu verlieren?

Schwere Frage. Den Glauben an das Gute im Menschen nicht zu verlieren, fällt mir manchmal auch schwer. Wenn ich in die Welt schaue und sehe, wie wir so leben und miteinander umgehen, wie gespalten wir auch sind, dann setzt mir das schon zu. Grundsätzlich denke ich schon, dass wir im Kern miteinander verbunden sind und habe die Hoffnung, dass es eine Form des Zusammenhalts gibt. Ich glaube, dass jeder das Gute in sich trägt. Aber wenn ich sehe, wie viele in unserer Gesellschaft zurückgelassen werden, gerade die Schwächeren, die eigentlich unsere Hilfe bräuchten, dann verliere ich mehr und mehr die Hoffnung, dass sich das Gute durchsetzt.

Wie schaffst du es, diesen Glauben überhaupt zu bewahren?

Durch Freunde, Familie und viel Natur.

Letzte Frage betrifft deine nächsten Projekte. Was steht als nächstes an?

Ich habe gerade eine große Serie für Amazon Prime Video abgedreht, „Die Therapie“, basierend auf dem Buch von Sebastian Fitzek. Da bin ich schon sehr gespannt, wie sie geworden ist. Außerdem wird „Das fliegende Klassenzimmer“ neu verfilmt, worauf ich mich schon sehr freue.

Vielen Dank für das Gespräch! 

Zur Person
Trystan Pütter wurde am 11. Dezember 1980 in Frankfurt am Main geboren. Nach der Schule studierte er darstellende Kunst am Max Reinhardt Seminar in Wien und trat oftmals im Theater auf. Zu seinen bekannteren Kinofilmen zählen Toni Erdmann (2016), Freies Land (2019) und JGA: Jasmin. Gina. Anna. (2022).



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