Da er in London um sein Leben fürchtet, nachdem er Zeuge eines Verbrechens geworden ist, flieht Arnaut (Branko Tomovic) nach Serbien, die Heimat seiner Eltern. In dem Dorf Rujisnik soll er in einem kleinen Haus in der Nähe des örtlichen Friedhofs wohnen, eine Gegend, um die sich unter den Dorfbewohnern und auch außerhalb der Grenzen der Gemeinde viele Mythen drehen. Zudem ist der Friedhof immer wieder Ziel von Vandalismus gewesen, sodass die Bewohner sichtlich froh darüber sind, mit Arnaut jemanden gefunden zu haben, der ein waches Auge auf die Gräber der Verstorbenen hat. Für den Aberglauben und derlei Geschichten hat Arnaut keine Geduld und macht sich daran, in der etwas heruntergekommen Wohnung sich ein Zuhause aufzubauen. Die Gemeinde erfährt er bereits auf seinen ersten Erkundungen in die einzige Gaststätte im Ort als einen schweigsamen, teils sogar feindlichen Ort. Allein der örtliche Pfarrer (Gorica Regodic) scheint ihm freundlich gesonnen zu sein und sich über das neue Gesicht in seiner Gemeinde zu freuen.
Darüber hinaus scheint auch sein neues Zuhause Arnaut immer unheimlicher, je länger er dort verweilt. Seltsame Erscheinungen und Geräusche, die er als Albträume oder Überspanntheit abtut, sind bald schon nicht mehr nur auf die Nächte beschränkt und werden immer beunruhigender. Immer mehr bekommt er das Gefühl, dass es kein Zufall war, dass er in diesen Ort gekommen ist.
Zurück zu den Wurzeln
Den meisten Zuschauern ist Regisseur Branko Tomovic eher als Schauspieler aus Produktionen wie Dogs of Berlin oder zuletzt in Deus bekannt, doch bereits seit 2016 ist er auch hinter der Kamera tätig und hat schon einige Kurzfilme gedreht. Mit Vampir, der nach dem Sitges International Film Festival und dem Raindance Film Festival nun im Rahmen der Internationalen Hofer Filmtage zu sehen ist, legt Tomovic sein Langfilmdebüt vor, welches zugleich an seine serbischen Wurzeln anknüpft sowie die Legenden von Untoten, die nach wie vor den reichen Mythenschatz dieser Kultur ausmachen.
Eigentlich würde man einen Genrefilm wie Vampir bei einem Festival wie dem in Hof nicht vermuten, denn die Filmtage sind eher nicht bekannt für ihren Fokus auf solche Produktionen. Die Tatsache, dass dies der Fall ist und Tomovics Film zudem für einen Preis nominiert ist, sollte jedoch zumindest eine Erwähnung wert sein, denn Vampir ist in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich, legt Tomovic in seiner Inszenierung nämlich nicht nur großen Wert auf Aspekte wie Atmosphäre, sondern zudem auf die kulturellen Hintergründe der Region, in welcher der Film spielt, und macht diese nicht bloß zu einer imposanten Kulisse. Vampir wirkt wie aus der Zeit gefallen, was auch erklärt, warum sich der Regisseur in Interviews, auch dem mit film-rezensionen, in erster Linie auf die Filme Carl Theodor Dreyers und Friedrich Wilhelm Murnaus bezieht, welche sein Projekt maßgeblich inspirierten. Von der ersten Minute an manifestiert sich eine Atmosphäre, die Traum und Realität zu verknüpfen scheint, die den Mythos um die Unsterblichen verbindet mit dem unheimlichen Schweigen, welches dem Protagonisten entgegengebracht wird, der eine wachsende innere Unruhe verspürt, aber nicht so recht benennen kann, was eigentlich deren Ursache ist. Stimmungsvolle Bilder, ein entsprechender Lichteinsatz sowie die Filmmusik Mark Ashworths tragen ihren Teil zu dieser Atmosphäre mit bei, die Tomovic steigert und aufrechtzuerhalten weiß.
Illusion und Aberglaube
Hinzu kommen eine ganze Reihe an Darstellern, von denen nicht zuletzt der Regisseur selbst heraussticht. Als Arnaut spielt er einen Verfolgten, der nicht sicher sein kann, ob er sich Dinge einbildet oder ob diese wirklich stattfinden. Ihm gegenüber stehen Schauspieler wie Leinwandlegende Eva Ras (Meister und Margarita), die wenige, aber sehr effektvolle Szenen haben und durch ihr Charisma zu überzeugen wissen. Das Dorf an sich, welches Tomovic durch seine Kindheit und Jugend kennt, wird zu einem Ort, in dem Zeit und Raum nicht zu existieren scheinen und an der jede Ecke, jeder Blick und jedes Haus nur die Isolation des Protagonisten betonen, der wie einer jener kafkaesken Helden wirkt, die ebenfalls eine der Inspirationsquellen des Regisseurs ausmachen.
OT: „Vampir“
Land: Deutschland, Serbien, UK
Jahr: 2021
Regie: Branko Tomovic
Drehbuch: Branko Tomovic
Musik: Mark Ashworth
Kamera: Heath McWaters
Besetzung: Branko Tomovic, Gorica Regodic, Joakim Tasic, Eva Ras, Judith Georgi
Wer mehr über den Film erfahren möchte: Wir hatten die Gelegenheit, uns mit Regisseur und Hauptdarsteller Branko Tomovic im Interview über Vampir zu unterhalten.
Sitges 2021
Hofer Filmtage 2022
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