Als Jakob Stiller (Ulrich Noethen), der beim LKA Hamburg im Archiv der Asservatenkammer arbeitet, seinen ersten Kriminalroman schreibt, sorgt er damit für jede Menge Aufruhr. Vor allem ein Vorgesetzter nimmt ihm das Buch übel, sieht er darin doch einen missglückten Einsatz beschrieben, der tatsächlich stattgefunden und zum Tod einer jungen Frau geführt hat. In Folge wird Stiller nach Wendland in die Dienststelle Dahlow versetzt, wo er der Nachfolger von Kriminalhauptkommissar Jürgen Fauth (Dominic Raacke) werden soll, der demnächst in Pension geht. Viel Zeit für Eingewöhnung bleibt dort nicht. Ein Biohof-Inhaber wird tot aufgefunden, gemeinsam mit Kriminaloberkommissarin Kira Engelmann (Paula Kalenberg) und Kriminalobermeister Oliver Klasen (Malte Thomsen) begibt er sich auf eine Spurensuche, die weit in die Vergangenheit führt …
Nachschub für Krimifans
Es kann doch nie genug Krimis im deutschen Fernsehen geben. Zumindest scheint das die Ansicht der öffentlich-rechtlichen Sender zu sein. Da wird keine Chance ungenutzt gelassen, um das Programm mit der Suche nach Mördern und anderen Verbrechern zu füllen. Das ZDF etwa startete kürzlich die Freitagabend-Serie Mordsschwestern – Verbrechen ist Familiensache. Am Montag lief das neue Spin-off Der Kommissar und der See an. Vor einigen Monaten bekam der Samstagabend-Primetime-Slot Nachschub mit Kolleginnen. Auf eben diesem Slot ist jetzt auch Wendland: Stiller und die Geister der Vergangenheit zu finden, das Auftakt einer neuen Reihe sein soll. Weitere Teile sind zwar bislang nicht angekündigt. Der Film ist aber eindeutig auf ein serielles Erzählen angelegt.
Zu diesem Zweck gibt es eine Vorgeschichte, die sich um den in Stillers Buch behandelten Einsatz dreht und die ihn offensichtlich selbst noch länger beschäftigen wird. Diese schriftstellerische Tätigkeit ist dann wohl auch das angestrebte Alleinstellungsmerkmal der Reihe, wenn der Titelheld Fälle, die ihn besonders beschäftigen, als Roman festhält. Anders aber als etwa Mord ist ihr Hobby, bei dem ebenfalls das Verfassen von Krimis und das Lösen von Fällen eng miteinander verbunden sind, tut sich Stiller nicht unbedingt als kreative Kraft hervor. Das Schreiben hilft ihm nicht bei der Spurensuche. Es dient allenfalls der inneren Aufarbeitung. Das kann man natürlich machen, führt aber dazu, dass die schriftstellerische Tätigkeit ohne große Konsequenz bleibt – sieht man von der Strafversetzung ab.
Luft nach oben
Allgemein sind die erzählerischen Ambitionen bei dem Film nicht die größten. Auf irgendwelche aufgesetzten Culture-Clash-Momente, wenn es den Hamburger Polizisten in die Kleinstadt verschlägt, wird dankenswerter Weise verzichtet. Aber es hätte an Stelle dieses Klischees dann doch noch etwas gebraucht, um das Szenario aufzuwerten. Gerade bei den Figuren ist noch Luft nach oben. Wendland: Stiller und die Geister der Vergangenheit ist zum Auftakt dann doch mehr mit dem Protagonisten beschäftigt und vernachlässigt dabei die anderen Leute in der provinziellen Dienststelle. Man hat nach anderthalb Stunden noch kein echtes Gefühl dafür entwickelt, wer diese Figuren sind oder zumindest sein sollen.
Auch beim Fall wäre sicher mehr drin gewesen. Die historische Komponente, wenn immer wieder auf die Proteste gegen das Atommülllager Gorleben im Jahr 1980 verwiesen wird, ist zwar schon reizvoll. Die Auflösung überzeugt jedoch weniger. Regisseur und Drehbuchautor Josef Rusnak (Der Schneegänger, Requiem für einen Freund) kümmerte es dann doch eher weniger, ob die Geschichte plausibel ist. Viel drüber nachdenken sollte man nicht. Dafür trägt das stimmungsvolle Setting dazu bei, dass Wendland: Stiller und die Geister der Vergangenheit ein solider Einstieg in die neue Reihe ist. Ein zwingendes Argument, warum man unbedingt weitere Filme mit dem schreibenden Polizisten braucht, sieht aber anders aus.
OT: „Wendland: Stiller und die Geister der Vergangenheit“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Josef Rusnak
Drehbuch: Josef Rusnak
Musik: Philipp Teichmann
Kamera: Niv Abootalebi
Besetzung: Ulrich Noethen, Paula Kalenberg, Malte Thomsen, Dominic Raacke, Ruth Reinecke, Cordelia Wege, Helene Grass, Sylvana Seddig
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