Ulysses Bloodstone ist tot. Das bedeutet, dass es an der Zeit ist, jemand Neues zu finden, der den mächtigen Blutstein an sich nimmt. Doch wer wäre seiner würdig? Um dies herauszufinden, lädt Verussa (Harriet Sansom Harris), die zweite Frau des verstorbenen Patriarchen, zahlreiche Männer und Frauen ein, die sich im Rahmen einer Monsterjagd beweisen sollen. Zu diesen zählt unter anderem Jack Russell (Gael García Bernal), selbst wenn dieser irgendwie anders zu sein scheint. Aber auch Ulysses’ Tochter Elsa (Laura Donnelly) beteiligt sich an der Jagd, um den Stein an sich zu bringen. Einfach ist das nicht, da alle Waffen und Tricks erlaubt sind. Zudem spielen nicht alle mit offenen Karten …
Marvel-Hommage an klassischem Horror
Marvel und Horror, das ist eine Kombination, die zwar viel Potenzial hat, bislang aber recht selten zum Einsatz kam. So war Doctor Strange vor einigen Jahren nicht ganz das, was man angesichts der Vorlage und des horrorerfahrenen Regisseurs Scott Derrickson erwarten durfte. The New Mutants war da schon konsequenter, war dafür als Film aber nicht mehr als Durchschnitt. Nun kommt mit Werewolf by Night ein Titel, der dieser Vorstellung eines Horror-Marvel-Horrors am nächsten kommt. Das ist auch deshalb überraschend, weil es sich hierbei um einen Exklusiv-Titel des Streamingdienstes Disney+ handelt, der nun nicht unbedingt im Verdacht steht, ein Heimathafen fürs Genrekino zu sein.
Wobei Werewolf by Night auch in eine etwas andere, ganz eigene Richtung geht. Genauer legt Regisseur Michael Giacchino, der eigentlich als Komponist bekannt ist und zuletzt unter anderem die Musik für The Batman und Lightyear schrieb, eine Hommage an die Horrorfilme von anno dazumal vor. So ist sein Werk überwiegend in Schwarzweiß gedreht. Auch bei der Machart werden die Einflüsse der guten alten deutlich, wenn der Regisseur sich von dem CGI-Spektakel distanziert, welches die meisten heute mit Marvel assoziieren. Hier wird noch mit klassischen Kostümen gearbeitet und einem ausgiebigen Schattenspiel. Erinnerungen an eine Zeit werden wach, als die Limitationen der Technik eigene Wege der Darstellung hervorbrachten.
Atmosphärisch, charmant und ein bisschen dünn
Das bedeutet aber nicht, dass es deswegen nichts zu sehen gibt. Klar, einen Splatter-Horror-Streifen sollte man hier dann doch nicht erwarten. Aber Werewolf by Night ist an manchen Stellen erstaunlich brutal und explizit. An anderen sind die Verbindungen zum Marvel Cinematic Universe hingegen schon spürbar. Zwar verzichtet der offiziell als TV-Special verkaufte, 53-minütige Film auf die Querverbindungen zu anderen Filmen und Serien, welche zuweilen sehr exzessiv betrieben werden. Bei den gelegentlichen humorvollen Szenen fühlt man sich hingegen zu Hause, wenn inmitten der Monsterjagd auch mal gelacht werden darf. Giacchino mag sich bei seiner dritten Regiearbeit nach dem Kurzfilm Monster Challenge und einer Episode der Serie Star Trek: Short Treks dem Horrorgenre stärker annähern als andere aus dem Marvel-Stall. Ganz dorthin wechseln möchte er aber auch nicht.
Das wird manchen vielleicht nicht konsequent genug sein. Andere werden hingegen sicher bemängeln, dass die kurze Laufzeit automatisch inhaltliche Einschränkungen mit sich bringt. So ist die Geschichte nicht der Rede wert, die Figuren bleiben ohne große Persönlichkeit. Dafür weiß das Ensemble, wie es diese zum Leben erweckt. In der Summe ist Werewolf by Night damit eine spaßige Variante der allgegenwärtigen Marvel-Saga, welche neue und potenziell spannende Wege aufzeigt. Der Film ist zudem auch wunderbar für die kommende Halloween-Zeit geeignet und hat das Zeug, jährlich in dieser Phase eingeschoben zu werden. Andere „richtige“ Horrorfilme mögen mehr Nervenkitzel bieten. Die Atmosphäre und der Charme dieses Zwischentitels machen das aber wieder wett.
OT: „Werewolf by Night“
Land: USA
Jahr: 2022
Regie: Michael Giacchino
Drehbuch: Heather Quinn, Peter Cameron
Musik: Michael Giacchino
Kamera: Zoë White
Besetzung: Gael García Bernal, Laura Donnelly, Harriet Sansom Harris
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