Vivian (Paris Berelc) reicht es endgültig. Dustin (Taylor Zakhar Perez), der Kapitän ihres E-Sport-Teams lässt immer wieder abfällige Kommentare über ihren Spielstil, aber vor allem auch über ihr Geschlecht fallen, sodass für die leidenschaftliche Gamerin das Fass nun übergelaufen ist. Kurzerhand schmeißt sie hin und gründet gemeinsam mit ihrer engsten Freundin Sloane (Hari Nef) ein eigenes Team, das ausschließlich für Mädchen sein soll. Doch die Schulleitung duldet nur ein Team auf dem College. Für Vivian und ihre Gruppe steht nun also alles auf dem Spiel. Bei den Landesmeisterschaften muss unbedingt ein Sieg her, was für die unerfahrene Truppe jedoch keineswegs eine leichte Aufgabe wird. Doch die erfahrene Professorin Parker (Ruby Rose) setzt alles daran, um das neue Team als Coach zum Triumph zu führen.
Vorurteile und Klischees
Unzählige Fans, hohe Preisgelder und stark besuchte Turniere – E-Sport ist wohl eines der am rasantesten wachsenden Gesellschaftsphänomene unserer Zeit. Quasi rund um du Uhr kann man kostenlos kompetitive Duelle der verschiedensten Videospiele rezipieren, was deutlich zeigt, welch hoher Popularität der E-Sport sich erfreut. Und doch gibt es auch Gegenstimmen, die die Faszination für League of Legends, FIFA und co. nicht nachvollziehen können. E-Sport sei kein richtiger Sport, kein richtiger Beruf und vor allem eine Männerdomäne. Letzterer Punkt mag dabei durchaus stimmen. Jedoch erfordert das kompetitive Spielen von Videospielen eine enorm hohe Konzentration, sowie ein schnelles Reaktionsvermögen, was somit durchaus die Bezeichnung „Sport“ verdient.
Diesem Phänomen widmet sich nun der Film 1Up und lässt zu Beginn durchaus vermuten, dass er mit veralteten Bildern und Klischees über Gamer und E-Sport aufräumen will. Mit Vivian bietet sich den Zuschauenden kein fettleibiger, Chips essender Brillenträger, sondern ein junges, attraktives Mädchen, das Videospiele über alles liebt. Gaming ist eben nicht nur was für Nerds und Männer. Doch nach und nach beginnt dieser progressive Ansatz zu bröckeln. Nahezu alle Nebenfiguren, allen voran Vivians eigenes Team, sind extrem überzeichnete und unsympathische Charaktere, die den Film zu einer langatmigen Aneinanderreihung von Versuchen, witzig zu sein, verkommen lassen. Nahezu in jedem Saisonspiel, von denen in 1Up einige inszeniert werden, werfen sich die Spieler und Spielerinnen eigentlich nur Beleidigungen an den Kopf. Von respektvollem Umgang auch unter Gegnern hat man in dem hier inszenierten E-Sport wohl noch nie gehört.
Weiterhin sorgen viele Logiklöcher für den Eindruck, Regisseur Kyle Newman (Secret Agency) hat sich nicht ausreichend mit der Materie beschäftigt. Denn die als Coach fungierende Parker hat bis zu dem Zeitpunkt der Anfrage noch keine Berührungspunkte mit dem Spiel gehabt, entwickelt aber nach kurzem Einlesen eine Strategie, die zum Erfolg führen soll. Wer sich mit kompetitiven Videospielen allerdings auskennt, weiß, dass ein solches Vorgehen im realen Leben niemals funktionieren würde. Videospiele lernt man nicht von einen auf den anderen Tag. Viel eher muss man sich lange Zeit mit ihnen beschäftigen, um vor allem auch gut zu werden, frei nach dem Motto „Easy to learn, hard to master“.
Angst vor der Cancel-Culture
Nach und nach entsteht also der Eindruck, dass 1Up sich nicht für die E-Sport-Szene einsetzt, sondern sich eher in die Reihe der Kritiker einfügt. Ein sensibles und gerechtes Abbild von Gamern und Gamerinnen wird hier den Zuschauenden keineswegs dargeboten. Vielmehr wirkt das Ganze wie ein beschränkter, nicht gerade weltoffener Blick auf die Materie. Das verdeutlicht sich auch an der Figur des Schuldirektors, welcher sich bei jedem Gespräch darüber versichert, dass er nicht gefilmt oder aufgezeichnet wird. Die Angst, etwas Falsches zu sagen oder zu machen, was dann an die Öffentlichkeit gerät, ist hoch bei ihm. Er hat Angst, gecancelt zu werden, also aufgrund einer Aussage oder Tat von der Öffentlichkeit gemieden und verurteilt zu werden. Diese Angst und das Gefühl, seine eigenen Gedanken nicht mehr äußern zu dürfen, weist auf, dass man die Materie des E-Sports nicht richtig verstanden hat. Statt eines gerechten Abbildes der Szene beschränkt man sich lieber darauf, gegen die junge Generation zu schießen und sie überzeichnet und hyperaktiv darzustellen. Eine verpasste Chance für ein interessantes Gesellschaftsphänomen.
OT: „1UP“
Land: Kanada
Jahr: 2022
Regie: Kyle Newman
Drehbuch: Julia Yorks
Musik: Jessica Rose Weiss
Kamera: Kristofer Bonnell, Matthias Schubert
Besetzung: Paris Berelc, Taylor Zakhar Perez, Ruby Rose, Hari Nef, D.J. Mausner, Madison Baines, Nicholas Coombe
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