Brian Tyree Henry ist ein US-amerikanischer Schauspieler, der den meisten Zuschauern bekannt ist durch seine Rollen in Produktionen wie Boardwalk Empire, How to Get Away with Murder, White Boy Rick, Joker und zuletzt der Romanverfilmung Bullet Train, in der er den Auftragskiller Lemon spielte. Darüber hinaus ist Henry in seiner Heimat auf der Theaterbühne zu sehen und hat in zahlreichen Theatern in New York City in vielen Produktionen mitgewirkt. Für seine darstellerischen Leistungen wurde Henry bereits mehrfach für zahlreiche Preise nominiert, beispielsweise einen Gold Derby Award für die Serie Atlanta wie auch später einen Emmy und einen Tony Award.
Seit dem 4. November 2022 ist Henry, zusammen mit seiner Kollegin Jennifer Lawrence, in dem Drama Causeway zu sehen, einer Produktion, welche bereits auf dem Toronto International Film Festival lief und nun exklusiv auf dem Streamingdienst Apple TV+ zur Verfügung steht. Unter der Regie von Regisseurin Lila Neugebauer spielt er den Mechaniker James Aucoin, welcher sich mit der Soldatin Lynsey (gespielt von Lawrence) anfreundet und für sie eine Vertrauensperson wird.
Anlässlich des Streamingstarts von Causeway spricht Brian Tyree Henry über seine Rolle, die Relevanz von Musik für die Rolle und seine Zusammenarbeit mit Jennifer Lawrence.
In vielen Interviews sprichst du davon, dass du mit jeder Rolle zeigen willst, was es heißt, ein Schwarzer zu sein, in den USA, aber auch in anderen Kulturen. Inwiefern spielt das deiner Figur in Causeway ebenfalls eine Rolle?
Ich denke, dass es im Kino, aber auch im Fernsehen und auf der Bühne, bestimmte Rollen für Schwarze gibt, die immer wieder einem Stereotyp oder einem Klischee entsprechen, oder vielmehr eine Vorstellung, die sich jemand über einen Schwarzen macht. Wenn ich ein Projekt auswähle, dann möchte ich diesen falschen Vorstellungen nicht entsprechen, sondern im Gegenteil eine ehrliche, zeitgemäße Darstellung eines Schwarzen dem Zuschauer zeigen.
Bei der Rolle von James war es mir wichtig, einen Menschen zu zeigen, der mit Schuld und Trauer umzugehen versucht, und weniger den Stereotypen eines Schwarzen, der versucht, sich in die Gesellschaft einzugliedern. Er sollte der von Jennifer Lawrence gespielten Lynsey auf Augenhöhe begegnen und sie sollten sich gegenseitig helfen, anstatt dass James eine Stütze für sie ist, über die sie wieder Anschluss im Leben findet.
Zudem interessierte mich James, weil er jemand ist, der im Gegensatz zu Lynsey niemals aus seiner Heimat New Orleans herauskam, was so etwas wie eine Sühne für sein Vergehen ist, die er sich selbst auferlegt hat. Er erscheint mir ein Mensch zu sein, der, nach all dem, was ihm widerfahren ist, meint, er verdiene dort zu sein. Es ging darum zu erforschen, wer er war, doch ebenso, wer er nun ist, in der Gegenwart, die Causeway zeigt. Deswegen entschlossen wir uns, Szenen zu integrieren, die ihn beispielsweise in seiner Lieblingsbar zeigen oder in seinem Zuhause. Als Jennifer und ich das Drehbuch noch einmal durchgingen, stellten wir fest, dass es solche Momente im Film brauchte, wenn der Zuschauer verstehen soll, wer James ist, woher er kommt und was ihn ausmacht. Es ging mir darum, zu verstehen, warum James für sich ein solch einsames und zurückgezogenes Leben gewählt hat.
Der Zuschauer sollte ihn als Figur, als Präsenz in dieser Geschichte wahrnehmen und weniger als ein Mittel zum Zweck oder eine Person, die in einer Szene auftaucht und dann schnell wieder vergessen ist.
Musik spielt in deinem wie auch dem Leben James eine wichtige Rolle. Was wäre für diese Figur das perfekte Mixtape? Welche Musikrichtung wäre vertreten und welche Künstler oder Bands?
Ich bin großer Fan von Sharon Jones & the Dap-Kings und generell Soulmusik, die ich für diese Rolle, in der Vorbereitung wie auch während des Filmes sehr oft gehört habe. New Orleans, wo die Geschichte spielt, ist der Geburtsort dieser Musikrichtung wie auch von Jazz oder R&B. Charles Mingus und John Coltrane haben hier Erfolge gefeiert und Konzerte gegeben und sind definitiv wichtige Einflüsse für mich als Mensch aber auch als Schauspieler.
Wegen eines Hurrikans und der Pandemie mussten die Dreharbeiten für Causeway für eine lange Zeit unterbrochen werden. Du und Jennifer habt die Zeit genutzt, um das Drehbuch noch einmal durchzugehen und über die Figuren zu sprechen. Abgesehen von den Aspekten, die du bereits erwähnt hast, was waren die Ergebnisse dieses Austauschs?
Ich denke, das Projekt, die Geschichte und die Figuren, mussten mit der Zeit gehen und wenn man bedenkt, was die Welt in der Zeit im Jahre 2020 durchmachen musste, erschien uns ein Weiterdenken von Causeway nur logisch. Durch den Lockdown erhielten wir die Möglichkeit, uns noch einmal genauer mit dem Projekt zu beschäftigen und es zugleich aus einer gewissen Distanz zu betrachten, wobei es darum ging, was uns nun nach allem, was wir durch die Pandemie durchgemacht hatten, wichtig war und was wir nach wie vor erwähnen wollten. Vielleicht macht dies auch ein Projekt wie Causeway besonders, weil man naturgemäß Figuren und ihre Welt anders sieht vor und nach dem Lockdown.
Wenn du nach genauen Szenen fragst, waren dies beispielsweise die Szene, in der James und Lynsey im Park sind und in welcher sie darüber erzählt, wie sie sich damit fühlt, wieder daheim bei ihrer Familie zu sein. Auch die Szene am Pool hat einige Erweiterungen erfahren.
Vieler dieser Momente brauchten nach unserer Meinung etwas mehr Leichtigkeit oder einfach mehr Stille, um sie wirken zu lassen. Dies fanden Lila, Jennifer und ich während vieler Gespräche heraus.
Causeway handelt von Verlust und dem Umgang mit diesem, was deiner Meinung nach als so etwas wie ein Handicap gesehen werden sollte. Wie meinst du das genau?
„Handicap“ ist immer so ein Label, was wir Menschen geben, die aufgrund physischer oder psychologischer Aspekte etwas länger brauchen, um im Leben klarzukommen oder die einfach etwas mehr Hilfe dabei benötigen. Geht man von dieser Definition aus, dann muss eigentlich Trauer oder der Umgang mit Verlust ein solches Handicap sein, allein wenn man sieht, was es mit der Psyche eines Menschen macht, wenn er oder sie einen solchen Verlust erleidet.
Wenn es um Trauer geht, behandeln wir diese eher für uns selbst, in aller Stille und meist auch durch Medikation. Es findet keine Rehabilitation in dem Sinne statt, obwohl gerade der offene Umgang, das Reden darüber oder die Gespräche in einer Gruppe einem Menschen helfen können, damit umzugehen oder einen Weg zurück ins Leben zu finden. Es geht darum einzusehen, dass man nicht allein ist.
Als Jennifer und ich über die Geschichte und die Figuren in Causeway sprachen, ging es uns darum, wie ein Mensch darauf reagiert, wenn er erfährt, dass er ein Handicap hat, wie sich seine Welt und sogar die Sprache verändert. Für jemanden wie James kann ich mir vorstellen, dass es eine große Umstellung war von einem Mann, der körperlich wie auch geistig funktionierte und dann durch den Unfall einen psychologischen wie auch physischen Verlust erleidet. Ich wollte durch die Rolle dem Zuschauer deutlich machen oder versuchen deutlich zu machen, wie dieser Menschen sein Leben, sein Denken und sein Handeln umstellen musste.
Vielen Dank für das tolle Gespräch.
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