Als sich der Dresdener Kommissar Niklas Tanner (Ronald Zehrfeld) auf eigenen Wunsch zur Mordkommission im oberfränkischen Sihl nahe der tschechischen Grenze versetzen lässt, dauert es nicht lang, bis es zu ersten Konflikten kommt. Schließlich ist da die Leiche von Eva Lorant (Christine Zart), die vor Jahren eine wichtige Zeugin war, als ein Mädchen verschwunden ist. Während Tanners direkter Chef Wilhelm Michel (Ulrich Noethen) darauf besteht, dass seinerzeit der Täter geschnappt wurde, hat der pensionierte Hauptkommissar Josef Altendorf (Elmar Wepper) noch immer Zweifel. Und auch Tanner vermutet, dass damals nicht ganz sauber gearbeitet wurde und stellt eigene Nachforschungen an – was nicht bei allen gut ankommt …
Ein unruhiger Krimi
In deutschen Regiekreisen ist Dominik Graf sicher eine Ausnahmegestalt. Auch mit inzwischen 70 Jahren hat das Urgestein des hiesigen Films die Lust am Experimentieren nicht verloren, wie er letztes Jahr in seiner brillanten Literaturverfilmung Fabian oder Der Gang vor die Hunde bewiesen hat. Im Gegensatz zu diversen Kollegen und Kolleginnen, die bei dem Gedanken nur mit der Nase rümpfen würden, ist sich der Regisseur nicht zu schade, seine Kunst auch für den Fernsehbereich zur Verfügung zu stellen. So inszeniert er immer wieder TV-Krimis, gerade beim Polizeiruf 110 ist er regelmäßig aktiv. Ein etwas älteres Beispiel ist Das unsichtbare Mädchen, das ganz ohne Vorgaben etwaiger Reihen gedreht werden durfte.
Inszenatorisch hat sich das gelohnt. Wie so oft liefert Graf Bilder, die man in diesem Segment so nicht erwarten würde und die oft etwas zu groß fürs Fernsehen wirken. Wie in einem Fiebertraum arbeitet er sich an den verschiedensten Themen und Figuren ab, wenn die Frage nach dem verschwundenen Mädchen zu einem Glaubenskrieg wird. Da wird mit Perspektiven gespielt, mit Großaufnahmen und Schnitten, was von Anfang an für Dynamik und Unruhe sorgt. Auch wenn die Geschichte in einem kleinen Kaff spielt, friedlich geht es in Das unsichtbare Mädchen nicht zu. Fuchs und Hase sagen sich hier nicht gute Nacht, sondern machen mit der Bazooka aufeinander Jagd und fackeln dabei am liebsten gleich den ganzen Wald noch ab. Wobei nicht immer klar ist, ob das die Natur der Beteiligten so vorgibt.
Inhaltlich unbefriedigend bis lächerlich
Das ist dann auch Stärke und Schwäche des Films. Wo bei den meisten Krimis die Polizei den Kampf gegen das Verbrechen aufnimmt, finden die Kämpfe hier überwiegend innerhalb der Polizei statt. Das unsichtbare Mädchen versammelt da ein Kollektiv des Schreckens, reihenweise gescheiterter Existenzen, bei denen auf Anhieb klar wird, dass sie über manche Leichen steigen mussten, um an den Ort zu kommen, wo sie jetzt sind. So etwas geht natürlich immer irgendwo, reicht als Geschichte aber nicht aus. Und gerade beim Inhalt bleibt hier doch sehr viel zu wünschen übrig. Gerade als Krimi ist der Film kaum zu gebrauchen, da dieser sich für den Fall als solchen wenig interessiert. Später wird es zwar ein paar Aufklärungen geben, aber nicht in einer Form, dass das wirklich überzeugen und zufriedenstellen würde. Da geht es doch mehr um die Figuren und das Gefühl eines allgegenwärtigen Morasts.
Das hätte klappen können, wären die Figuren denn überzeugend. Aber nicht nur dass da einige Dialoge dabei sind, die sich so anhören, als hätte ein Alien einen Schulaufsatz geschrieben. Auch die Darstellungen sind zum Teil gnadenlos überzogen. Vor allem Ulrich Noethen scheint einen geheimen Auftrag erhalten zu haben, der darin besteht, seine Figur zu einer offensichtlichen Karikatur des korrupten Polizisten zu machen. An einigen Stellen wird Das unsichtbare Mädchen derart grotesk, dass man sich fragen darf, ob der Krimi in Wahrheit eine Krimiparodie sein sollte. Dann und wann macht das Spaß. Zu oft zieht sich der Film aber auch, es kommt zu einem wenig attraktiven Wechsel von langweilig und lächerlich. Das ist so fern von allem Menschlichen, dass selbst die tragischen Passagen in diesem Wirbelwind untergehen.
OT: „Das unsichtbare Mädchen“
Land: Deutschland
Jahr: 2012
Regie: Dominik Graf
Drehbuch: Friedrich Ani, Ina Jung
Musik: Sven Rossenbach, Florian van Volxem
Kamera: Michael Wiesweg, Hendrik A. Kley
Besetzung: Elmar Wepper, Ulrich Noethen, Ronald Zehrfeld, Silke Bodenbender, Anja Schiffel, Tim Bergmann, Hildebrand Schleipfer, Elisa Schlott
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)