Warschau im Jahr 1939: Die Erleichterung ist groß bei Familie Szpilman, als die Nachricht verkündet wird, dass England und Frankreich Deutschland den Krieg erklärt haben. Kurz zuvor waren die Deutschen in Polen einmarschiert, seither ging die Angst um. Doch diese Erleichterung macht Ernüchterung Platz, bald dem Entsetzen. Völlig unbeirrt führen die Besatzer ihre Schreckensherrschaft fort, unterdrücken die jüdische Bevölkerung, nehmen ihnen ihren Besitz weg. Immer wieder werden Juden und Jüdinnen auch ermordet, auf offener Straße. Doch das ist nur der Anfang: Bald werden alle in ein vom Rest der Stadt getrenntes Ghetto gesperrt, wo sie misshandelt werden und auf ihr Ende warten müssen. Als dieses geräumt wird, gelingt dem Pianisten Wladyslaw Szpilman (Adrien Brody) die Flucht, ist im Anschluss aber auf sich allein gestellt …
Ein Triumph ohne Helden
In den 1960ern und 1970ern gehörte Roman Polanski zweifelsfrei zu den großen Regisseuren Europas, schuf Meisterwerke wie Rosemaries Baby und Chinatown, die bis heute ihren Klassikerstatus verteidigen konnten. Später verließ den polnisch-französischen Filmemacher jedoch sein Glück. Seine ohnehin nicht sehr zahlreichen Filme aus den 1980ern und 1990ern floppten an den Kinokassen. Auch die Kritiker und Kritikerinnen wandten sich immer häufiger von ihm ab: Der Tod und das Mädchen war noch der beste Film während dieser langen Dürrephase, und selbst der wurde eher ignoriert. Umso größer war 2002 der Triumph mit Der Pianist, der nicht nur sein mit Abstand kommerziell erfolgreichster Film aller Zeiten wurde. Er bescherte ihm auch einen Preisregen: Unter anderem war er im Anschluss um eine Goldene Palme und einen Oscar reicher.
Dabei ist das Thema eigentlich keins, mit dem man unbedingt die Massen erreicht. Natürlich hatte es zuvor schon begehrte Filme rund um den Holocaust gegeben, allen voran Schindlers Liste, das mehr als 300 Millionen US-Dollar einspielte – mehr als das 14-Fache des Budgets. Angesichts unzähliger Filme, die sich Jahr für Jahr mit diesem Thema befassen, durfte man dennoch Zweifel haben, ob sich noch genügend Leute interessieren wurden. Zumal Der Pianist, anders als der obige Film, keine Heldengeschichte ist. Zwar erzählt Polanski, basierend auf den Memoiren des echten Wladyslaw Szpilman, wie er sich irgendwie der brutalen Vernichtung entziehen konnte. Doch das tat er nicht, weil er schneller war, klüger oder stärker. Er hatte einfach Glück als einer der wenigen, die seinerzeit im Warschauer Ghetto lebten.
Erschreckend nüchterner Terror
Der Pianist ist dabei natürlich durchaus auch das Porträt eines Mannes, der großen Lebenswillen zeigte und selbst innerhalb einer ausweglosen Situation weitermachte. Es ist aber vor allem das Porträt einer Zeit und der Grausamkeit, welche die Nationalsozialisten im Sinne ihrer Weltsicht auslebten. Polanski, der selbst in einem jüdischen Ghetto aufgewachsen ist und dessen Mutter in Auschwitz ermordet wurde, verschönt nichts, verschweigt nicht. Er verzichtet aber auch darauf, das Publikum zusätzlich manipulieren zu wollen. Stattdessen ist sein Drama fast schon erschreckend nüchtern, wenn es in verschiedenen Episoden von den Verbrechen der Deutschen berichtet. Immer wieder sind da Szenen dabei, die auch zwei Jahrzehnte später noch Entsetzen erzeugen, selbst wenn man schon eine ganze Reihe solcher Filme gesehen hat.
Momente des Glücks sind innerhalb dieser Ansammlung des Terrors rar gesät. Die berühmteste ist wohl die gegen Ende hin, als Wladyslaw erneut davonkommt und hierfür unerwartete Unterstützung erhält. Inmitten der Gewalt, Zerstörung und Hoffnungslosigkeit entdeckt Der Pianist ein Zeichen der Menschlichkeit, bei der man schon sehr abgehärtet sein muss, um nicht davon berührt zu werden. Und das gilt dann auch für den Film insgesamt. Man mag Polanski aus gutem Grund als Mensch ablehnen, sein Drama geht dennoch zu Herzen und erinnert wirkungsvoll an eine Zeit, als willkürlich darüber entschieden wurde, wer leben durfte und wer nicht.
OT: „The Pianist“
Land: Frankreich, Deutschland, Polen
Jahr: 2002
Regie: Roman Polanski
Drehbuch: Ronald Harwood
Vorlage: Wladyslaw Szpilman
Musik: Wojciech Kilar
Kamera: Pawel Edelman
Besetzung: Adrien Brody, Thomas Kretschmann, Maureen Lipman, Frank Finlay, Emilia Fox, Michal Zebrowski, Ed Stoppard
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
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Academy Awards | 2003 | Bester Film | Nominiert | |
Beste Regie | Roman Polanski | Sieg | ||
Bester Hauptdarsteller | Adrien Brody | Sieg | ||
Bestes adaptiertes Drehbuch | Ronald Harwood | Sieg | ||
Beste Kamera | Pawel Edelman | Nominiert | ||
Beste Kostüme | Anna B. Sheppard | Nominiert | ||
Bester Schnitt | Hervé de Luze | Nominiert | ||
BAFTA | 2003 | Bester Film | Sieg | |
Beste Regie | Roman Polanski | Sieg | ||
Bester Hauptdarsteller | Adrien Brody | Nominiert | ||
Bestes adaptiertes Drehbuch | Ronald Harwood | Nominiert | ||
Beste Musik | Wojciech Kilar | Nominiert | ||
Beste Kamera | Pawel Edelman | Nominiert | ||
Bester Ton | Jean-Marie Blondel, Dean Humphreys, Gérard Hardy | Nominiert | ||
César | 2003 | Bester Film | Sieg | |
Beste Regie | Roman Polanski | Sieg | ||
Bester Hauptdarsteller | Adrien Brody | Sieg | ||
Bestes Drehbuch | Ronald Harwood | Nominiert | ||
Beste Musik | Wojciech Kilar | Sieg | ||
Beste Kamera | Pawel Edelman | Sieg | ||
Bestes Szenenbild | Allan Starski | Sieg | ||
Bester Ton | Jean-Marie Blondel, Dean Humphreys, Gérard Hardy | Sieg | ||
Bester Schnitt | Hervé de Luze | Nominiert | ||
Beste Kostüme | Anna B. Sheppard | Nominiert | ||
Europäischer Filmpreis | 2002 | Bester Film | Nominiert | |
Beste Regie | Roman Polanski | Nominiert | ||
Bester Hauptdarsteller | Adrien Brody | Nominiert | ||
Beste Kamera | Pawel Edelman | Sieg | ||
Golden Globes | 2003 | Bester Film (Drama) | Nominiert | |
Bester Hauptdarsteller (Drama) | Adrien Brody | Nominiert |
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