Der neue Disney Animationsfilm Strange World erzählt die Geschichte der Familie Clade, deren Leben gleichermaßen von großen Expeditionen wie auch dem Leben auf einer Farm geprägt ist. Als eines Tages die Pflanzen zugrundegehen, auf denen die Entwicklung des ganzen Landes beruht, wird schnell eine Crew zusammengestellt. Das Ziel: eine unterirdische Höhle. Denn dort hoffen sie auf Antworten, was mit den Pflanzen geschieht. Dabei stellen sie fest, dass da eine komplette Welt auf ihre Entdeckung wartet. Zum Kinostart am 24. November 2022 haben wir ein Interview mit den Co-Regisseuren Don Hall und Qui Nguyen sowie Produzent Roy Conli führen dürfen und befragten sie nach klassischen Abenteuer und neuen Kreaturen.
Strange World erinnert in vielerlei Hinsicht an klassische Abenteuerfilme. In den frühen Jahren waren die Disney Animation Studios dafür bekannt, auf alte, bekannte Geschichten zurückzugreifen. Würdet ihr sagen, dass Strange World die moderne Fassung solcher Adaptionen ist?
Don Hall: Ich denke, dass das eine faire Analogie ist. Am Anfang waren es vor allem Grimms Märchen, die aufgegriffen wurden. Bei Strange World wollten wir eine Abenteuergeschichte erzählen. Von daher war es für uns klar, dass wir zu den Anfängen zurückkehren wollten, als die moderne Abenteuergeschichte geboren wurde. Alle Wege führen da zu Jules Verne zurück, dem Vater der Abenteuer, wie wir sie heute kennen. Natürlich gab es auch vor ihm schon welche. Man könnte Homers Odyssee beispielsweise an der Stelle nennen. Aber es war Verne, der die moderne Form dafür fand und auch populär machte. Deshalb war er die beste Adresse für uns, um nach Inspirationen zu suchen. Ich habe alle seine Bücher wieder gelesen. Das hat wahnsinnig viel Spaß gemacht, als Erwachsener noch einmal diese Welten erleben zu dürfen und neu zu entdecken.
In Filmen, aber auch anderen Medien wie Romanen oder Comics, gibt es ganz viele Beispiele dafür, wie die Figuren eine neue Welt erkunden. Woher kommt unsere offensichtliche Sehnsucht, neue Welten zu finden, anstatt in unserer zu bleiben?
Don Hall: Gute Frage. Qui, willst du dich an einer Antwort versuchen?
Qui Nguyen: Ich überlege selbst noch. In unserem Fall wollten wir eine Hommage an die alten Pulp-Magazine und die Abenteuerklassiker von Jules Verne drehen, also Die Reise zum Mittelpunkt der Erde oder auch Die vergessene Welt von Arthur Conan Doyle. Für uns war das eine Möglichkeit, unsere eigene Version einer solchen Geschichte zu erzählen. Bei uns gibt es statt der Dinosaurier diese anderen seltsamen Wesen, die unsere Helden unter der Erde finden. Aber warum wir solche Welten suchen … Don, magst du wieder übernehmen?
Don Hall: Inzwischen habe ich eine Antwort. Ich denke, dass das einfach Teil unserer menschlichen Natur ist, uns auszubreiten und neue Welten zu suchen. Wenn du dir die Geschichte der Menschheit anschaust, dann war sie von Anfang an von Wanderungen bestimmt. Wir haben schon immer unser sicheres Zuhause verlassen und neue Länder gesucht. Insofern denke ich, dass diese Abenteuergeschichten eng verknüpft sind mit unserem ursprünglichen Wesen, das auf Ausbreitung und Eroberung angelegt ist.
Qui Nguyen: Hinzu kommt, dass solche Abenteuergeschichten auch für uns Künstler sehr dankbar sind, da wir hier die Möglichkeit haben, unsere eigenen Regeln aufzustellen. Wir können unserer Fantasie freien Lauf lassen und auch das Publikum mit neuen Ideen überraschen, die du sonst nie unterbringen könntest.
Es ist gerade mal etwas mehr als anderthalb Jahre her, dass euer letzter Film Raya und der letzte Drache herausgekommen ist. Wie konntet ihr so schnell einen neuen Film fertigstellen?
Don Hall: Wir haben tatsächlich bereits ein Jahr an Strange World gearbeitet, bevor wir zu Raya hinzugestoßen sind. Ich glaube, dass wir deshalb ein ganz gutes Fundament hatten, als wir die Pause eingelegt haben. Das hat uns sehr geholfen, als wir zurückgekehrt sind.
Qui Nguyen: Es waren ja nicht nur Don und ich, die schnell arbeiten mussten. Wir hatten eine ganze Crew voll von fantastischen Leuten, auf die wir uns verlassen konnten.
Roy Conli: Ich denke, dass die Arbeit an Raya auch geholfen hat, wenn es um die Zusammenarbeit mit dem Team ging. Die Kommunikation war sehr viel fokussierter und sie konnten sehr viel genauer sagen, wie sie weitermachen wollten.
Wie hat sich eure Zusammenarbeit im Laufe der Zeit verändert? Wäre Strange World möglich gewesen, wenn ihr nicht vorher zusammen Raya und der letzte Drache gedreht hättet?
Don Hall: Gute Frage. Ich denke schon. Raya hat uns aber geholfen, dem Projekt noch einmal einen neuen Schwung zu geben.
Qui Nguyen: Man muss auch sagen, dass unsere Rollen bei den beiden Filmen vertauscht waren. Raya war für mich ein sehr persönlicher Film, quasi mein Baby. Bei Don war es Strange World. Wenn er eine persönliche Geschichte zu erzählen hatte, dann landete sie letztendlich dort, etwa die Gespräche zwischen Vater und Sohn. Ich half ihm dabei, seine Vision umzusetzen, er half mir bei meiner.
Roy Conli: Es war auch unglaublich zu sehen, wie Qui sich in der Zeit weiterentwickelt hat. Am Anfang war er bei Strange World nur Drehbuchautor, bevor er dann mit der Zeit zum Co-Regisseur wurde. Erst die gemeinsame Arbeit an Raya hat dazu geführt, dass sie sich die Regie teilen.
Strange World ist auch ein starkes Bekenntnis zu mehr Diversität. War das etwas, auf das ihr besonders viel Wert gelegt habt, oder hat sich das so ergeben?
Don Hall: Das war von Anfang an ein Thema, als wir die Geschichte entwickelt haben. Wir wollten in Strange World die Welt abbilden, in der wir alle leben. Und die ist nun einmal divers und inklusiv. Unsere Figuren sollten so sein wie die Menschen, die wir sehen, wenn wir die Straße entlanglaufen.
Qui Nguyen: Und nicht nur da draußen. In unserem Studio findest du ja auch Menschen aus den unterschiedlichsten Spektren. Für uns war das deshalb auch eine Möglichkeit, unser eigenes Leben mit dem Publikum zu teilen und uns darin auszudrücken. Und das war toll!
Ihr habt von euren Inspirationen im Hinblick auf Abenteuergeschichten und Diversität gesprochen. Wie sieht es mit Inspirationen für die Kreaturen aus, die ihr zeigt? Das ist schließlich nichts, was man sieht, wenn man die Straße entlangläuft …
Don Hall: Das stimmt. (lacht) Es gibt in Abenteuergeschichten viele Beispiele dafür, dass du eine versteckte, prähistorische Welt findest. Du hast das in Die vergessene Welt von Arthur Conan Doyle. Oder auch bei King Kong, wenn du dir Skull Island anschaust. Das ist fast schon ein eigenes Subgenre. Das wollten wir in Strange World spiegeln. Aber das war nur der Ausgangspunkt. Später sind wir dazu übergegangen, den Künstlern maximale Freiheit zu geben, damit sie sich richtig austoben konnten. Unsere Aufgabe war, das noch fördern und erst später zu schauen, wie wir diese ganzen Ideen zusammenbringen konnten. Wir wussten selbst nicht, worauf das alles hinauslaufen würde. Das Ergebnis hat uns dann auch selbst überrascht und geht weit über das hinaus, was ich mir hätte vorstellen können.
Qui Nguyen: Wobei Don schon dazu animiert hat, etwas ganz Neues auszuprobieren. Was wäre, wenn die Kreatur gar kein Gesicht hat? Wir hätten es uns auch einfacher machen können und einfach eine Kopie von Raya, wo wir einen lustigen Sidekick untergebracht haben, der immer wieder Sprüche loslässt. In Strange World haben wir stattdessen eine Kreatur, die gar nicht sprechen kann und deren Persönlichkeit wir nur über Animation ausdrücken. Das war eine Herausforderung. Genauso wie es eine Herausforderung war, unzählige Kreaturen gleichzeitig im Bild zu haben und animieren zu müssen. Aber das sind die Herausforderungen, für die wir selbst leben. Das macht die Arbeit anspruchsvoller und anstrengender – aber eben auch zu einem großen Spaß.
Vielen Dank für das Gespräch!
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