Früher einmal, da war William Traynor (Sam Claflin) ein echter Gewinner. Er feierte als Banker Erfolge, war sportlich sehr aktiv, die ganze Welt schien ihm offenzustehen. Doch all das ändert sich eines Tages auf einen Schlag, als er in einen Motorradunfall verwickelt wird. Seither sitzt er im Rollstuhl, von seinem früheren Leben ist ihm nicht viel geblieben. Das hatte auch Auswirkungen auf seine Persönlichkeit: Mit den Jahren ist er immer launischer und zynischer geworden, hasst sich und die Welt. In der Hoffnung, dies vielleicht ändern zu können, engagiert seine Mutter Camilla (Janet McTeer) die junge Louisa Clark (Emilia Clarke), damit sie sich um ihren Sohn kümmert. Der will zunächst nichts davon wissen und lässt sie deutlich seine Ablehnung spüren. Gleichzeitig ist Will von ihrem starken Willen und ihrer Schlagfertigkeit beeindruckt …
Über das Leben und Sterben mit einer Krankheit
Eine Zeit lang waren sie in Hollywood richtig angesagt: Filme über sterbenskranke Menschen, die noch einmal die Liebe erfahren. Das Schicksal ist ein mieser Verräter und andere kombinierten körperlichen Schmerz und Herzschmerz, um einen Großangriff auf die Herzen des Publikums zu starten. Das war mal besser, mal schlechter gelungen. Auf vereinzelte sehenswerte Beispiele wie Milla Meets Moses kamen viele, bei denen recht zynisch Leid ausgeschlachtet wurde. Zumindest teilweise geht Ein ganzes halbes Jahr in eine ähnliche Richtung, wenn auch hier eine frische Liebe einen kranken Menschen durcheinanderwirbelt. Die Geschichte nimmt jedoch eine unerwartete Wende, wenn – Vorsicht kleiner Spoiler – bekannt wird, dass Will sich bereits für Sterbehilfe entschieden hat. Das im Titel angesprochene halbe Jahr bezieht sich auf die Deadline, die er sich und den anderen bis zu seinem Freitod gegeben hat.
Jojo Moyes (Eine Handvoll Worte), die den zugrundeliegenden Roman wie auch das Drehbuch geschrieben hat, schneidet damit ein bis heute heikles Thema an. Über Selbstmord möchten viele nicht sprechen, erst recht nicht über Selbstmordhilfe. Menschen, die den Tod einem unwürdigen oder qualvollen Leben vorziehen, das überfordert viele. Insofern hätte Ein ganzes halbes Jahr durchaus ein Beitrag sein können zu dem Thema und Diskussionen über die Legitimität solcher Sterbehilfe anstoßen können. Die deutschen Dramen Hin und weg und Und morgen Mittag bin ich tot erzählten jeweils von todkranken Leuten, die ins Ausland fahren, um dort noch einigermaßen würdevoll und selbstbestimmt sterben zu dürfen. Sie tun also das, was auch Will in dem Film hier für sich geplant hat, um seinem verhassten Schicksal zu entkommen.
Oberflächlich und kitschig
Der Unterschied ist: Bei Ein ganzes halbes Jahr hat niemand Interesse daran, sich wirklich mit all dem auseinanderzusetzen. Anstatt über das Für und Wider eines Selbstmordes zu sprechen, begnügt sich der Film mit dem romantischen Aspekt. Tatsächlich erinnert die Buchverfilmung anfangs eher an Liebeskomödien, bei denen es darum geht, dass zwei grundverschiedene Menschen ihre Differenzen überwinden müssen, bis sie sich in die Arme fallen dürfen. Die Schwierigkeiten und Beeinträchtigungen, mit denen Will zu kämpfen hat, werden ausgeblendet. Damit will das Drama nichts zu tun haben. Louisa muss sich auch nicht mit den unangenehmen Aspekten der Pflege beschäftigen, wie es beim thematisch verwandten Ziemlich beste Freunde noch der Fall war. Sie ist eigentlich nur dazu da, ihn irgendwie zu bespaßen und selbst das Luxusleben zu genießen.
Eine realistische Auseinandersetzung mit der Situation und den angesprochenen Fragen ist das so erwartungsgemäß nicht. Ein ganzes halbes Jahr irritiert mit einer märchenhaften Aufmachung und oberflächlichen Figuren, schmückt sich mit Schmerz, ohne sich diesem stellen zu wollen. Natürlich darf man sich von dem tränenreichen Ende mitreißen lassen, das dem Publikum einiges zumutet. Anstatt sich dieses aber auch zu verdienen, werden ständig Abkürzungen genommen, wird fehlender Tiefgang durch plakativen Kitsch ersetzt. In der Hinsicht gibt es klar deutlich Schlimmeres, Regisseurin Thea Sharrock trägt erst zum Schluss richtig dick auf. Das Thema hätte aber deutlich mehr verdient als eine verkleidete Hochglanz-Misere, die selbst im Angesicht des nahenden Todes noch schön aussehen will.
OT: „Me Before You“
Land: USA
Jahr: 2016
Regie: Thea Sharrock
Drehbuch: Jojo Moyes
Vorlage: Jojo Moyes
Musik: Craig Armstrong
Kamera: Remi Adefarasin
Besetzung: Emilia Clarke, Sam Claflin, Janet McTeer, Charles Dance, Brendan Coyle
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