Mit seinem ersten Roman gelang Marcel (Benoît Poelvoorde) bereits der Durchbruch. Seither stockt die Karriere aber, er hat nie wieder etwas Relevantes zu Papier gebracht. Aber vielleicht hilft ihm ja der Tapetenwechsel: Gemeinsam mit seiner Frau Jeanne (Mélanie Doutey) und der gemeinsamen Tochter Lucie (Janaina Halloy) ziehen sie in ein großes Anwesen, das Jeannes Vater gehörte, der wie sie auch im Verlagswesen tätig war. In der Abgeschiedenheit der Villa sollte er die Ruhe finden, um sich an seinen nächsten Roman zu setzen. Hofft er. Doch diese Ruhe wird bald empfindlich gestört, als Gloria (Alba Gaïa Bellugi) auftaucht. Die junge Frau hat bald die ganze Familie für sich eingenommen, stellt sich als großer Fan Marcels heraus und wird sogar als Kindermädchen eingestellt. Doch damit beginnen die Schwierigkeiten der Familie erst …
Vorsicht, dubioses Kindermädchen!
Eigentlich sollten Kindermädchen Eltern ja Erleichterung bringen, wenn sie sich um den Nachwuchs kümmern und somit einen Teil der täglichen Arbeit abnehmen. In Filmen gehen solche Arrangements jedoch zuweilen richtig schief, wenn die vermeintliche Helferin ganz andere Absichten verfolgt. Ein berühmtes Beispiel ist in der Hinsicht der Hollywood-Hit Die Hand an der Wiege. Aber auch bei dem französischen Thrillerdrama Dann schlaf auch du und dem deutschen Pendant In falschen Händen stellt sich die anfangs noch ideal erscheinende Traumnanny, die alle begeistert, als nicht ganz so ideal heraus. Je mehr wir sie sehen, umso unheimlicher wird sie. Die Spannung besteht dann einerseits in der Frage, was genau mit diesen Frauen nicht stimmt, aber auch wie weit das alles noch gehen wird während dieser Eskalation.
Eiskalter Engel geht prinzipiell in eine ähnliche Richtung, wenn erneut eine Frau Zugang zu einer Familie erhält und die Eltern dies bald bitter bereuen werden. Im Gegensatz zu den Filmen oben, bei denen erst mit der Zeit klar wird, dass da etwas nicht stimmt, ist das hier von Anfang an offensichtlich. Tatsächlich ist das sogar so offensichtlich, dass man sich als Zuschauer bzw. Zuschauerin fragen darf, warum denn aus der Familie niemand etwas merkt. Aber um Subtilität geht es Regisseur und Co-Autor Fabrice Du Welz (Message from the King, Adoration) hier nicht. Glaubwürdigkeit spielt ebenfalls keine Rolle, wenn der Thriller im weiteren Verlauf immer absurder wird und die Ereignisse in der Villa vollends aus dem Ruder laufen. Nach einem eher gemächlichen Einstieg tritt der Belgier mächtig aufs Gaspedal. Hysterie macht sich breit.
Solider Genrebeitrag
Benoît Poelvoorde klingt bei einem solchen Film wie eine gute Besetzung, hat er doch im Genrebereich Erfahrung, allen voran seinem Durchbruch damals mit Mann beißt Hund, und ist gleichzeitig ein versierter Komödiant. Seine leicht manische Art ist immer wieder für amüsante Momente gut, siehe dieses Jahr etwa in der Krimikomödie Mord in Saint-Tropez. Bei Eiskalter Engel gelingt es ihm aber nicht so richtig, dieses Talent wirklich auszuspielen. Auch wenn der belgisch-französische Thriller deutliche Pulp-Anleihen hat, nimmt er sich insgesamt schon ziemlich ernst. Irgendwie ist der Spaßfaktor einfach nicht so hoch, wie man es bei einer derart überkonstruierten Geschichte erwarten dürfte.
Wobei man die Ausmaße derselben erst relativ spät überschaut. Man wird aus der manipulativen Gloria nicht wirklich schlau und darf spekulieren, welche Geheimnisse da gelüftet werden müssen. In der Summe ist das dann zwar nicht spannend, wie es wünschenswert gewesen wäre. Aber es reicht doch für einen soliden Thriller. So hinterlässt zum einen Nachwuchsschauspielerin Alba Gaïa Bellugi (Into the Night) Eindruck als gleichermaßen berechnender wie unberechenbarer Parasit. Und auch das stimmungsvolle Villa-Setting sowie der ausdrucksstarke Umgang mit Schatten und Farben tragen dazu bei, dass Fans solcher Filme einen Blick auf Eiskalter Engel riskieren können. Dieser hier macht zwar nicht genug, um sich in diesem Bereich nennenswert hervorzutun. Aber er erfüllt seinen Zweck.
[tab;Credits]OT: „Inexorable“
Land: Belgien, Frankreich
Jahr: 2021
Regie: Fabrice Du Welz
Drehbuch: Joséphine Darcy Hopkins, Aurélien Molas, Fabrice Du Welz
Musik: Vincent Cahay
Kamera: Manuel Dacosse
Besetzung: Benoît Poelvoorde, Mélanie Doutey, Alba Gaïa Bellugi, Janaina Halloy, Anaël Snoek
Toronto International Film Festival 2021
Sitges 2021
International Film Festival Rotterdam 2022
Fantasy Filmfest Nights 2022
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)