Seit Jahren schon ist Azzedine (Yasin Houicha) mit der aufstrebenden Schauspielerin Jessica (Tiphaine Daviot) zusammen. Jetzt sollen endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden. Leider klappt die Sache mit dem Heiratsantrag beim romantischen Restaurantbesuch nicht so gut. Nicht nur dass sich seine Angebetete dabei fast am Ring verschluckt. Sie lehnt auch noch ab und will viel lieber erst einmal eine Trennung, um darüber nachzudenken, was sie eigentlich mit ihrem Leben anfangen will. Azzedine ist daraufhin am Boden zerstört und beginnt sein gesamtes Umfeld zu nerven, zumal er auch aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen sollte. Doch zu seinem Glück ist da auch noch Lila (Oulaya Amamra), die ihm nicht nur Tanzstunden gibt, sondern allgemein dabei helfen will, seine große Liebe zurückzuerobern …
Das Leben nach dem Liebesaus
In Liebesfilmen gehört es zu den beliebtesten Szenarien überhaupt: Die Protagonistin muss zu Beginn der Geschichte feststellen, dass ihr Freund die Beziehung pausieren möchte oder fremdgegangen ist, und steht dann erst einmal vor dem Scherbenhaufen ihres Lebens. Gerade beim Herzkino greift gefühlt jeder zweite Beitrag auf diese Ausgangssituation zurück. Fragil nimmt diese Anordnung dankbar auf, dreht diese aber um. Anstatt wie sonst üblich die Frau mit einem derartigen Stich ins Herz zu piesacken, wird hier der Mann vor vollendete Tatsachen gestellt. Auch hier erfolgt dann die Rückkehr in die Heimat. Genauer muss er wieder bei der Familie einziehen, was natürlich für einen erwachsenen Mann nicht ganz einfach ist – zumal das von jeder Menge Spott begleitet wird, von der Familie wie auch den Freunden.
Das hätte leicht ein satirischer Film über toxische Männlichkeit werden können und zerstörte Egos. Nur dass Az, wie der Protagonist von seinen Freunden genannt wird, von vornherein zur Fraktion gefühlvoll gehört. Der Titel Fragil ist nicht ohne Grund gewählt: Regisseurin und Co-Autorin Emma Benestan erzählt von einem Menschen, der sich so sehr in seine romantische Wunschvorstellung hineingesteigert hat, dass er nicht mehr in der Lage ist, außerhalb dieser zu funktionieren. Dabei schrammt der Film bei seinen Beschreibungen immer an der Grenze zwischen rührend und peinlich herum. Az ist jemand, der einen vor die permanente Wahl stellt, ob man ihn nun umarmen oder kräftig wachschütteln soll. Die Art und Weise, wie er der Verflossenen hinterherläuft, zeugt zumindest nicht von allzu viel Souveränität und Selbstsicherheit.
Charmant und schön bebildert
Gleichzeitig macht sich Benestan nicht über ihn lustig, sondern präsentiert ihn als zwar anstrengenden Chaoten, gleichzeitig aber auch als Sympathieträger. Das gilt auch für seine Clique, die ihn unterstützen will, jedoch nicht immer sehr viel Geschick dabei demonstriert. Überhaupt sind die Interaktionen eine Stärke des Films. Fragil zeigt uns verschiedene Konstellationen, sowohl innerhalb des Freundeskreises wie auch der Familie, bei der Situationen schon mal etwas anders ausgehen, als man im Vorfeld denken könnte. Sie leben auch von der Chemie des für die meisten unbekannten Ensembles. Man sieht ihnen einfach gern zu, wie sie sich gegenseitig abwechselnd auf die Palme bringen und unterstützten. Da stolpern einfach ziemlich viele durch die Gegend und treten sich dabei auf die Füße – beim Tanzen eher wörtlich, sonst im übertragenen Sinn.
Das ist dann zwar nicht alles grundlegend neu. Dass beispielsweise irgendwann Gefühle zwischen Az und Lila entstehen, dürfte niemanden im Publikum überraschen. Benestan mag mit den Konventionen der Liebeskomödie spielen, ganz aufheben will sie diese aber nicht. Doch Fragil ist eigen genug, um sich innerhalb dieses stark frequentierten Segments doch noch einen Platz zu ergattern. Dabei profitiert der Beitrag der Französischen Filmwoche 2022 nicht nur von dem personellen Charme, sondern auch den schönen Bildern. So spielt der Film an der südfranzösischen Mittelmeerküste und erfreut die Augen des Publikums mit Aufnahmen, die idyllisch sind, ohne dabei gleich in kitschige Postkartenromantik zu verfallen. Statt glattgefegter Sandstrände gibt es raue Felsen und Einblicke in eine Austernzucht, dazu Menschen, denen man tatsächlich jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit begegnen könnte, anstatt einem Werbeplakat entstiegen zu sein.
OT: „Fragile“
Land: Frankreich
Jahr: 2021
Regie: Emma Benestan
Drehbuch: Emma Benestan, Nour Ben Salem
Musik: Julie Roué
Kamera: Aurélien Marra
Besetzung: Yasin Houicha, Oulaya Amamra, Raphaël Quenard, Bilel Chegrani, Tassadit Mandi, Diog-Keba Tacu, Tiphaine Daviot, Guillermo Guiz
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)