Als ihre Mutter stirbt, macht sich die Filmemacherin Anne (Sylvie Testud) an die Arbeit, das Leben ihrer vor vielen Jahren geschiedenen Eltern zu rekonstruieren. Bei ihrer filmischen Reise in die Vergangenheit geht es dabei einerseits um ihren Vater Michel (Benoît Magimel) und ihre Mutter Léna (Mélanie Thierry), die sich seinerzeit in einem Lager kennengelernt haben und beide jüdischen Glaubens waren. Aber auch ihr Onkel Jean (Nicolas Duvauchelle) spielt eine große Rolle, der eines Tages plötzlich wieder vor ihnen steht. Viele Jahre hatten sich die beiden Brüder nicht mehr gesehen. Tatsächlich war Michel davon ausgegangen, dass Jean längst gestorben war. Bald wird er wieder Teil ihres Lebens – sorgt aber auch für kräftige Turbulenzen …
Auf den Spuren einer Familiengeschichte
Während ihrer mehrere Jahrzehnte umspannenden Filmkarriere hat Diane Kurys an einer ganzen Reihe von Werken mitgearbeitet. Anfänglich reine Schauspielerin wechselte sie später zum Regiefach und inszenierte bislang 14 Filme, zuletzt die Tragikomödie Ma mère est folle 2018. Dabei ist sie dafür bekannt, in ihren Geschichten immer wieder ihre eigene Biografie aufzugreifen. In ihrem Debüt Die kleinen Pariserinnen (1977) beschrieb sie, wie es war, als Scheidungskind in Paris aufzuwachsen. Ein Sommer an der See war 1990 eben diesem Scheidungsprozess gewidmet und schilderte diesen aus den Augen der Kinder. Und auch Für eine Frau (2013) wurde von dem Leben ihrer Familie inspiriert. Genauer widmet sie sich dem Anfang eben dieser Beziehung ihrer Eltern, deren Scheitern sie in den vorangegangenen Filmen thematisiert hatte.
Theoretisch hätte sie sich selbst aus dieser Geschichte komplett herausnehmen können, anstatt eine Rahmengeschichte drumherum zu basteln, in der eine Filmemacherin das Leben ihrer Eltern thematisiert – was dann schon ein bisschen sehr Meta ist. Aber es schadet dem Film auch nicht so wirklich. So erzählt Kurys, die auch wieder das Drehbuch geschrieben hat, dass es einer Entdeckungsreise gleichkommt, mehr über die Eltern zu erfahren. Vor allem mehr über die Zeit, in der es einen selbst noch nicht gab. Für eine Frau gleicht dann auch dem Staunen, wenn man sich der eigenen Eltern erstmals bewusst wird. Wenn man realisiert, dass sie eigene Leben hatten, eigene Geschichten zu erzählen hatten, die völlig losgelöst sind von der Beziehung zwischen Eltern und Kind. Geschichten, die sie zu den Menschen machten, als die wir sie kennenlernten.
Etwas lang und schwülstig
Hätte sich der Film stärker auf diesen Aspekt konzentriert und aufgezeigt, wie sich Menschen im Lauf der Zeit verändern oder durch Erfahrungen geprägt werden, hätte das eine durchaus spannende Familienchronik werden können. So richtig konsequent verfolgt Kurys diesen Ansatz dann aber doch nicht und konzentriert sich mehr auf die Geschichte in der Vergangenheit. Dabei ist es in erster Linie die Dreiecksbeziehung zwischen den beiden Brüdern und der Frau, welche in Für eine Frau in den Mittelpunkt rückt. Denn wie in vielen solcher Geschichten heißt es auch hier, dass bei drei Leuten einer zu viel ist. Verbunden wird diese dynamische Romanze mit dem historischen Kontext der Nachkriegsjahre, wenn Jäger zu Gejagten werden und nun die Nazis in den Fokus rücken.
Man sollte bei Letzterem aber nichts in Richtung München oder so erwarten. Das Thema sorgt zwar für Brisanz im Leben der drei, ohne aber beim Publikum größere Spannung zu erzeugen. Tatsächlich hat Für eine Frau zwischendurch ein paar Längen, da das Liebesdreieck keine übermäßig interessante Geschichte darstellt. Später wird es sogar ein wenig schwülstig, wenn die großen Gefühle gezeigt werden sollen. Da waren die anderen, dokumentarischer inszenierten Filme von Kurys gelungener. Sehenswerter ist da schon die Ausstattung, die uns mitnimmt auf eine kleine Zeitreise Mitte des 20. Jahrhunderts. Wer historische Familiendramen mag, kann einmal reinschalten. Im Gegensatz zu anderen Rückblicken der Regisseurin muss man diesen hier aber nicht unbedingt gesehen haben.
OT: „Pour une femme“
Land: Frankreich
Jahr: 2013
Regie: Diane Kurys
Drehbuch: Diane Kurys
Musik: Armand Amar
Kamera: Gilles Henry
Besetzung: Benoît Magimel, Mélanie Thierry, Nicolas Duvauchelle, Sylvie Testud, Denis Podalydès, Julie Ferrier, Clotilde Hesme, Clément Sibony
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