Kalt TV Fernsehen Das Erste ARD Mediathek
© Foto: WDR/kineo Film/Michael Kotschi

Kalt

Kalt TV Fernsehen Das Erste ARD Mediathek
„Kalt“ // Deutschland-Start: 2. November 2022 (Das Erste)

Inhalt / Kritik

Es hätte ein schöner Ausflug in den Wald sein sollen, als sich die Erzieherin Kathleen Selchow (Franziska Hartmann) zusammen mit den Kolleginnen Nina (Luise von Finckh) und Miriam (Svenja Hermuth) und den Kindern auf den Weg machen. Die Stimmung ist ausgelassen, alle genießen den Aufenthalt an der frischen Luft. Doch vor Ort kommt es zu einem schweren Unglück: Zwei der Kinder gehen verloren, ohne dass es die Frauen rechtzeitig merken. Am Ende ist es von beiden tot, das andere schwebt in Lebensgefahr. Doch was bedeutet das für die Betreuerinnen? Ist Kathleen schuld? Während sie von Schuldgefühlen geplagt ist und auch ihr Mann Robert (Božidar Kocevski) und Sohn Luca (Johann Barnstorf) die Auswirkungen zu spüren bekommen, hat Kommissarin Leila Storm (Anne Ratte-Polle) die Ermittlungen aufgenommen …

Die Frage nach der Schuld

Filme im öffentlich-rechtlichen Fernsehen lassen sich meist in eine von drei Kategorien einteilen. Da sind die allgegenwärtigen Krimis, da sind die schmalzigen Dramen vor idyllischer Kulisse und die harmlosen Komödien, die der reinen Berieselung dienen, vorzugsweise am Freitag. Filme, die sich von diesen strengen Vorgaben lösen und vielleicht erzählerische Ambitionen haben, die sind eher selten. Filme, die tatsächlich auch einmal zum Nachdenken anregen wollen und vom Publikum fordern, dass es einen eigenen Gedanken formuliert. Ein solcher seltener Fall ist das ARD-Drama Kalt, das von einem großen Schicksalsschlag erzählt, wenn zwei Kinder bei dem gemeinsamen Ausflug mit dem Kindergarten unbemerkt auf eigene Faust etwas unternehmen – mit tödlichen Folgen.

Von diesem Szenario ausgehend wären mehrere Wege möglich, wie die Geschichte weitergeht. Beliebt ist in solchen Fällen oft der Blickwinkel der Opfer bzw. deren Angehörigen, die für sich Gerechtigkeit einfordern. Die gibt es auch dieses Mal, eine wird Kathleen sogar anzeigen. Aber sie bleiben im Hintergrund. Viel stärker interessiert sich Kalt dafür, was der Vorfall eigentlich mit der Erzieherin macht, in der Verantwortung die Kinder waren. Immer wieder wird sie sich selbst fragen: Wie konnte das passieren? Was hat sie falsch gemacht? Wie hätte es anders laufen können? Dass sich der Film an diesen Stellen vielfach im Kreis dreht und keine wirkliche Antwort gibt, ist nicht das Ergebnis mangelnder Kreativität. Vielmehr soll das Psychodrama aufzeigen, wie die Verantwortliche seit dem Unfall selbst zu einer Gefangenen geworden ist und nicht mehr aus der Geschichte herauskommt.

Viele Themen, keine Entwicklung

Für die Zuschauer und Zuschauerinnen ist das unangenehm. Auf der einen Seite ist der Tod eines Kindes, vor allem einer, der zu vermeiden gewesen wäre, so schrecklich, dass der eigene Instinkt sagt: Das muss bestraft werden! Gleichzeitig ist Kathleen niemand, dem man so leicht Vorwürfe machen kann. Sie ist keine Böse in dem Sinn. Hat sie sich katastrophal falsch verhalten, weil sie zwischendurch eine Minute lang telefoniert hat? Auch zwei andere Zahlen spielen eine Rolle: 15 und 17. 15 Kinder sind es normalerweise, dieses Mal ausnahmsweise 17. Als genau zwei Kinder fehlen, fällt das daher nicht auf. Die an und für sich gut gemeinte Regelung des Durchzählens, um immer sicherzugehen, hat bei Kalt tragische Folgen. Es wurde so sehr auf die Zahl an sich geachtet, dass das einzelne Kind gar nicht mehr als Individuum wahrgenommen wird. Theoretisch hätten auch Kinder ausgetauscht werden können, es wäre nicht aufgefallen.

An solchen Stellen hat man den Eindruck, dass der Film tatsächlich auch etwas aussagen möchte. Aber so weit kommt es nicht. Das ist Stärke und Schwäche zugleich. Stärke, weil Kalt einen mit der unerträglichen Situation konfrontiert, dass es keine einfache Antwort gibt, vielleicht nicht einmal eine richtige. Schwäche, weil das Drama dadurch auch in der Beliebigkeit verschwindet. Anderthalb Stunden später hat sich die Geschichte nicht vom Fleck bewegt, vieles verschwimmt derart, bis es keine Rolle mehr spielt. Einzelne Aspekte wie die Schuld, die Auswirkungen auf die Familie oder grundsätzliche Überlegungen zur Betreuung von Kindern – die Mosaiksteine fügen sich nicht zusammen. Und auch der exzessive Einsatz von Flashbacks oder seltsamen Visionen, mit denen Regisseur Stephan Lacant (Freier Fall) Spannung erzeugen will, bringt das Drama nicht voran, dafür sind diese Stellen einfach zu plakativ. Da zudem immer wieder Dialoge ihren Weg ins Drehbuch fanden, die nicht sonderlich natürlich sind, lässt einen der Film selbst auf eine Weise kalt, wie man es bei dem Thema nicht erwartet hätte.

Credits

OT: „Kalt“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Stephan Lacant
Drehbuch: Hans-Ullrich Krause
Musik: Dürbeck & Dohmen
Kamera: Michael Kotschi
Besetzung: Franziska Hartmann, Bozidar Kocevski, Johann Barnstorf, Anne Ratte-Polle, Deniz Orta, Patricia Aultitzky, Svenja Hermuth, Luise von Finckh

Bilder



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Kalt
fazit
„Kalt“ hat ein sehr emotionales Thema, wenn bei dem Ausflug eines Kindergartens zwei Kinder verloren gehen und es dabei zu einem Unglück kommt. Interessant ist, wie der Film dabei die Frage nach der Schuld zwar stellt, diese aber nicht beantwortet. Gleichzeitig bedeutet das aber auch, dass das Drama anderthalb Stunden lang auf der Stelle tritt. Wenig geglückt sind zudem die diversen Flashbacks und Visionen, hinzu kommen unnatürliche Dialoge.
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