Wenn jemand außerhalb von Jena schon einmal von Lother König gehört hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das im Jahre 2013 war, wenn nicht bereits 2011. Vor neun Jahren stand der damalige Pfarrer nämlich medienwirksam vor Gericht. Landfriedensbruch sowie diverse Gewalttätigkeiten wurden ihm zur Last gelegt. König soll auf einer Demonstration zwei Jahre zuvor Gewalt nicht nur gebilligt, sondern auch zu dieser aufgerufen haben. Im Laufe des Prozesses stellte sich allerdings nicht nur heraus, dass er immer wieder zur Ruhe aufgerufen hatte und durchweg deeskalierend agierte, sondern auch dass mehrere Polizisten während der Verhandlung Falschaussagen tätigten und vor allem Videomaterial von über 200 Stunden zurückgehalten wurde, welches König entlastete. Das Verfahren wurde eingestellt – trotzdem musste er eine Zahlung von 3000 Euro leisten. Dass er dem zugestimmt hat, bereut er bis heute.
König hört auf erzählt davon mithilfe von Archivmaterial. Auch anderes lernen wir auf diesem Wege, etwa, wie es zu der Narbe in Königs Gesicht kam. In einem Radiointerview erzählt er von einer Attacke mit einem Schlagring im Jahre 1997, bei der es nur eine Sache von Millimetern war, dass er sein rechtes Auge nicht verloren hat. Rechtliche Konsequenzen trugt sie keine nach sich. Tilman König ist nicht nur der Sohn des evangelischen Pfarrers, sondern auch der Regisseur der Dokumentation. Die genannten Lebensstationen des Vaters dienen als Markierungen auf dem Weg zum 25. August 2019. An diesem Tag beendet König nach beinahe dreißig Jahren als Jugendpfarrer in Jena seine Tätigkeit. Mit seinem Einsatz gegen Rechtsradikalismus ist deshalb allerdings noch lange nicht Schluss. Bereits lange bevor die Justiz Notiz von der Terrorgruppe NSU nahm, warnte er vor der Radikalisierung der Jenaer Neonaziszene, wurde aber nicht ernst genommen.
Einsatz zwischen Beruflichem und Privatem
Nun können wenige Leute einem Vater näherkommen als sein Sohn. Andererseits haben viele Leute einen professionelleren Abstand zu einem Vater als sein Sohn. König junior unternimmt hier einen gewissen Drahtseilakt, der zwischen beiden Seiten verläuft und keiner so richtig gerecht werden will. Er hält sich einerseits vorbildlich zurück, alle eingefangenen Szenen wirken authentisch. Auch, weil König senior einfach ein stabiler Typ ist, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Sein politisches Engagement und die Probleme, die damit einhergehen, scheinen jedoch nur oberflächlich betrachtet zu werden. Andererseits bleibt das Persönliche etwas auf der Strecke. Das ist vielleicht auch ein wenig der Tatsache geschuldet, dass sich beim Herrn Vater Berufliches und Privates gar nicht so leicht trennen lassen. Vielleicht hat die Professionalität des Filius als Filmemacher ihn aber in der Hinsicht auch behindert, sodass er sich viel zu sehr zurückgehalten hat. In Erscheinung tritt er nicht, Kommentare im Voiceover gibt es nur selten.
Die beste Szene der Doku: Während eines Zusammentreffens mit scheinbar Gleichgesinnten wird dem linken Aktivisten König von einer seiner vermeintlichen Mitstreiterinnen aufgrund irgendeiner Nichtigkeit rassistisches Verhalten vorgeworfen. Da kann jeder seine eigenen Schlüsse draus ziehen.
OT: „König hört auf“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Tilman König
Musik: Christian Walter
Kamera: Tilman König
Mitwirkende: Lothar König
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