In der Serie Das Netz – Spiel am Abgrund (ab 3. November 2022 im Ersten) spielt Max von der Groeben den vorbestraften Hooligan Marcel, der eines Tages mitansehen muss, wie ein Freund niedergestochen wird. Für ihn ist klar, dass er dies nicht ungesühnt lassen kann, und so macht er sich mit einer Anwältin auf die Suche nach der Wahrheit. Die Spurensuche führt die beiden dabei bis in die obersten Kreise des Weltfußballverbandes und enthüllt finstere Machenschaften, von Korruption über Erpressung bis zu eiskaltem Mord. Wir haben den Schauspieler bei der Premiere auf dem Filmfest München 2022 zum Interview getroffen und zu seiner Arbeit wie auch seiner eigenen Einstellung zum Fußball gesprochen.
Was hat dich an Das Netz gereizt? Warum wolltest du die Serie drehen?
Das waren viele Punkte. Ich fand zuallererst meine Rolle spannend. Ich spiele darin Marcel, einen gewaltbereiten, einfach gestrickten Hooligan aus Köpenick, der zu Beginn der Serie aus dem Knast entlassen wird. Er verliert kurze Zeit später seinen besten Freund und ist bereit alles zu tun, um seinen Tod zu rächen. Das ist schon sehr weit entfernt von dem, der ich selbst bin, optisch wie persönlich. Die Tattoos zum Beispiel. Dann habe ich für die Rolle etwas an Muskeln zugelegt. Ich musste im Berliner Dialekt reden. Da war schon einiges, was für mich zu einer Herausforderung wurde und die Rolle für mich interessant machte.
Wie war es denn für dich, jemanden zu spielen, der so weit weg von dir ist?
In erster Linie war es ein großer Spaß. Ich konnte so viel machen und mich ausprobieren. Als es dann gepasst hat und ich wusste, wie ich ihn spielen will, konnte ich wirklich in dieser Rolle aufgehen. Aber das funktioniert natürlich nur, wenn du die richtigen Leute um dich hast, sowohl bei den Schauspielern und Schauspielerinnen wie auch bei der Regie. Und das war bei Das Netz für mich der Fall, weshalb es eine wirklich besondere Erfahrung für mich war.
Marcel ist ein hilfsbereiter Mensch, der auch schon mal Fremden in Not hilft. Gleichzeitig hat er diese Gewaltbereitschaft, die du erwähnt hast, und schlägt im Zweifel richtig kräftig zu. Würdest du insgesamt sagen, dass er ein guter Mensch ist?
Das denke ich schon, ja. Im Herzen ist er ein guter Mensch, auch wenn er etwas einfältig ist in seinen Vorgehensweisen. Er denkt da vielleicht nicht jeden Schritt zu Ende oder will lange mit etwas rumhadern. Ein Grübler ist er nicht gerade, sondern handelt impulsiv. Und damit manchmal falsch. Er würde aber niemanden einfach so verprügeln, nur weil er Lust darauf hat. Marcel ist schon irgendwie ein armer Hund, der immer wieder Pech hatte und dabei vielleicht irgendwann auch einfach auf die schiefe Bahn geraten ist.
Wie ist das bei dir, bist du mehr der Impulsive oder der Grübler?
Ich bin da schon eher jemand, der lange über alles nachdenkt. Gerade wenn es darum geht, dass ich eine Entscheidung treffen muss.
Marcel wird später in eine richtig große Geschichte hineingezogen, die weit über ihn und seinen Freund hinausgeht. Was macht das mit ihm?
Am Anfang versteht er nicht so wirklich, was da los ist, und er fühlt sich wie im falschen Film. Er entwickelt mit der Zeit aber auch einen wirklichen Gerechtigkeitsantrieb und ist bereit, über sich hinauszugehen.
Kommen wir auf den Inhalt der Serie: Bei Das Netz dreht sich viel um das Thema Fußball. Wie sieht es bei dir mit Fußball aus?
Ich bin tatsächlich selbst Fußballfan und gehe hin und wieder ins Stadion. Als gebürtiger Kölner heißt das für mich der FC Köln.
Und wie sieht es mit internationalen Wettbewerben aus? Die WM startet ja bald.
Grundsätzlich ja. Inzwischen ist das aber schon ziemlicher Hohn. Die Manipulation gerade auch bei der Frage, wer solche Wettbewerbe ausrichten darf, ist so offensichtlich, dass mich das richtig wütend macht. Da geht es mir schon ein bisschen so wie Marcel. Die WM in eins der heißesten Länder geben, wo dann alles geändert werden muss, damit es irgendwie funktioniert, das ergibt doch keinen Sinn. Mir ist natürlich klar, dass es dabei letztendlich ums Geld geht. Aber ich verstehe nicht als Fan, warum man da unbedingt noch mehr Millionen verdienen muss. Ich verstehe nicht, wie man das so kaputt machen kann. Am liebsten wäre es mir ja, wenn die Mannschaften das Turnier einfach boykottieren würden. Das werden sie natürlich nicht machen. Und man kann ihnen auch nicht die Verantwortung zuschieben, dass sie sich allein gegen die Menschenrechtsverletzungen positionieren. Das ist eigentlich Aufgabe der Politik.
Die Serie zeichnet ein sehr ernüchterndes Bild vom internationalen Fußball. Hat die Arbeit an Das Netz deine Sicht auf den Fußball verändert?
Verändert würde ich nicht sagen. Aber sie wurde dadurch vielleicht noch etwas klarer. Ich schaue mir einiges jetzt doch ein Stück bewusster an als vorher. Wobei natürlich die Ereignisse in der Serie fiktiv sind und wir alle nur vermuten können, was hinter den Kulissen geschieht.
Ihr zieht die Geschichte am Beispiel des Fußballs auf. Aber eigentlich hat man das Gefühl, dass die ganzen großen Sportorganisationen korrupt sind. Denkst du, dass sich das überhaupt verhindern ließe?
Also, wenn in den Vorständen nur so nette Leute wären wie ich, gäbe es keine Korruption. (lacht) Aber im Ernst, ich denke schon, dass es möglich ist und möglich sein muss. Zumindest hoffe ich das.
Ihr erzählt von einem, der an der Spitze ist und korrupt ist. Sind solche Leute an die Macht gekommen, eben weil sie korrupt sind, oder wurden sie durch diese Macht korrupt?
Gute Frage. Eine gewisse Kaltschnäuzigkeit musst du wahrscheinlich schon mitbringen, um dich auf dem Weg nach oben durchzusetzen. Bei vielen dürfte die Veranlagung dazu schon in ihnen geschlummert haben. Es heißt ja, dass Erfolg den wahren Kern der Menschen enthüllt. Und ich denke, dass da etwas Wahres dran ist.
Auch losgelöst von Sport und Politik hatte man in den letzten Jahren ziemlich viele Gelegenheiten, immer das Schlechteste in anderen Menschen zu sehen. Wie bewahrst du dir den Glauben an das Gute?
Ich bin einfach ein positiver Mensch mit einer positiven Lebenseinstellung und begegne anderen Menschen erst einmal offen und freundlich. Ich glaube, dass die Mehrzahl der Menschen immer noch vernünftig ist. Klar gibt es viele Spinner, wie wir leider auch hier in Deutschland gesehen haben. Aber die sind in der Unterzahl, auch wenn sie dabei sehr laut sind. Die Gescheiten sind schon die stille Mehrheit. Und deswegen glaube ich an das Gute.
Das Netz spricht eine Reihe von ernsten Themen an. Was können Filme und Serien leisten bei der Behandlung solcher Themen?
Sie können auf jeden Fall Aufmerksamkeit schaffen, gerade auch bei einem Publikum, das sich sonst nicht mit solchen Themen beschäftigt. Sie können Missstände offenlegen und den Menschen zeigen, wo es Probleme gibt. Damit sind die Probleme natürlich noch nicht gelöst. Da muss noch mehr passieren. Nur weil wir zum Beispiel Korruption im Fußball anprangern, wird deswegen nicht die WM in Katar abgesagt. So optimistisch bin ich dann doch nicht. Aber es ist schon ein wichtiger erster Schritt, dass die Leute über solche Themen nachdenken und miteinander sprechen. Auf jeden Fall bin ich sehr gespannt auf die Reaktionen.
Letzte Frage: Was sind deine nächsten Projekte?
Ich habe im Sommer Die Mittagsfrau abgedreht, die Verfilmung eines Romans von Julia Franck. Das spielt zwischen den 1920ern und 1950ern. Mala Emde ist darin in der Hauptrolle als Halbjüdin zu sehen. Ich spiele einen Nazi, der sehr böse ist. Meine erste Schurkenrolle überhaupt! Gleichzeitig ist aber auch er sehr ambivalent, was den Film für mich sehr interessant gemacht hat. Und vergangene Woche fiel für mich die letzte Klappe zur Romanverfilmung Deutsche Haus, in der ich einen Anwalt in den Auschwitz-Prozessen spiele. Diesmal wieder auf der Seite der Guten!
Vielen Dank für das Gespräch!
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