Das Aufkommen von Streamingdiensten kurbelte die Produktion von Filmen und Serien an, schließlich wollte mit hauseigenem, exklusivem Inhalt geworben werden, was die etablierten Studios wiederum anspornte, ihrerseits mit neuen Werken dagegenzuhalten. Mittlerweile wird am laufenden Band von allen möglichen Seiten so viel Zeug produziert, dass es ein Leichtes ist, den Überblick zu verlieren und Sachen durcheinander zu bringen. Wer ursprünglich dachte, dass es sich bei der Hulu-Produktion Mike um den seit über acht Jahren in Entwicklung befindlichen Film mit Martin Scorsese als Regisseur und Jamie Foxx in der Hauptrolle (mittlerweile ist er schon nicht mehr involviert) handelt, der hat sich also nichts vorzuwerfen. Tatsächlich ist Mike aber eine Miniserie mit ganz anderen Beteiligten, welche hierzulande seit heute Abonennten von Disney+ zur Verfügung steht.
Porträt der Box-Legende Mike Tyson
Dabei hat der US-amerikanische Video-on-Demand-Dienst viel dafür getan, Zuschauer für die Miniserie zu gewinnen. Nicht immer auf ethische Weise: Mike Tyson selbst wurde beispielsweise nicht in den Produktionsprozess miteingebunden – auch wenn das zunächst öffentlich so kommuniziert wurde. Dabei ist es ja in Ordnung, beschönigenden Einfluss verhindern zu wollen. Fightfans sollte das Werk ebenfalls mit gezielt ausgestrahlten Werbeclips schmackhaft gemacht werden, allerdings schob UFC-Präsident Dana White dem direkt einen Riegel vor, da er solche Praktiken nicht unterstützen wollte, zumal er privat mit Tyson befreundet ist. Unabhängig vom Inhalt kann also jeder zunächst nach seinen eigenen moralischen Maßstäben entscheiden, ob er diese Serie mit seinem Einschalten unterstützen möchte. Tyson selbst äußerte sich dazu folgendermaßen: „Hulu is the streaming version of the slave master. They stole my story and didn’t pay me.„
Die Geschichte des ehemaligen Schwergewichtschampions im Boxen lässt sich nicht erzählen, ohne seinen Mentor zu erwähnen, der ihn gerettet und auf den richtigen Weg geführt hat. Wenn irgendein Mann in der Geschichte der Menschheit der Vater eines anderen Mannes war, dann war das Cus D’Amato für Mike Tyson – auch wenn es sich natürlich nicht um seinen biologischen Vater handelte. In Mike sind diese Rollen mit Harvey Keitel beziehungsweise Trevante Rhodes besetzt. Leider ist D’Amato schon recht bald wieder von der Bildfläche der Serie verschwunden, die vor allem anfangs ein zu schnelles Pacing aufweist. 25 Minuten pro Folge sind vielleicht nicht genug, um diesem Abschnitt in Tysons Leben gerecht zu werden. In ihrer Erzählweise wird die Miniserie auch nicht jedermanns Geschmack sein. Ein älterer Tyson steht auf einer Bühne vor einem Publikum und referiert über seinen Lebenslauf. In den Rückblenden gibt es dann nicht nur sein Voiceover, sondern auch Kommentare des jungen Tysons, der die vierte Wand durchbricht. Das wirkt alles eher faul und teilweise übererklärend. Im Laufe der Serie wenden sich auch andere Charaktere an die Kamera oder kommentieren aus dem Off, was narrativ unfokussiert ist.
Stark gespielt, aber zu kurz
Die größte Stärke von Mike sind die Performances. Rhodes glänzt, wenn er Tyson spielt, strauchelt jedoch ein wenig, wenn er Tyson imitiert. Das geschieht etwa bei der Nachstellung von Interviews. Keitel überzeugt als D’Amato, und Russell Hornsby ist Boxpromoter Don King. Auch inszenatorisch kann sich das hier sehen lassen. Zwar sind die Box-Szenen immer recht kurz gehalten, aber vor allem der Kampf gegen Buster Douglas (Larry McGhee) ist kreativ und optisch ansprechend umgesetzt. Die größte Schwäche von Mike ist allerdings, dass die Miniserie wirklich nur wie eine Zusammenfassung wirkt. Nichts, was Zuschauer hier erfahren, ist neu, fast alles Gezeigte basiert darauf, was im Laufe von Tysons Boxkarriere öffentlich in den Medien präsentiert wurde. In späteren Episoden scheint es der Serie auch weniger um Tysons Leben zu gehen, sondern eher um andere Dinge. Außerdem wird am Ende insinuiert, dass Tyson D’Amatos An- und nicht seiner Abwesenheit wegen auf die schiefe Bahn geriet. Und das ist bestenfalls ignorant und respektlos.
OT: „Mike“
Land: USA
Jahr: 2021
Regie: Craig Gillespie, Tiffany Johnson, Director X
Drehbuch: Darnell Brown, Steven Rogers, Samantha Corbin-Miller, Mando Alvardo, Karin Gist, Anthony Sparks, Keisha Zollar
Musik: Peter Nashel
Kamera: Isiah Donté Lee, Jalaludin Trautmann, Brendan Uegama
Besetzung: Trevante Rhodes, Russell Hornsby, Olunike Adeliyi, Kale Browne, Grace Zabriskie, Johnny Alxeander, B.J. Minor, Li Eubanks, Garland Whitt, T.J. Atoms, Ethan Dubin, Zaiden James, Jackie Sanders, Harvey Keitel, Greg Kaston
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