Paris, Ende der 60er Jahre: Die französische Hauptstadt sowie die Gesellschaft im Allgemeinen befinden sich im Wandel. Es sind Zeiten des Aufbruchs, gerade auch in kultureller Hinsicht, wenn alles neu und anders gedacht werden soll. Das gilt auch für Yves Saint Laurent (Gaspard Ulliel), der die Modewelt mit seinen Kreationen im Sturm erobert und sich den Menschen verschrieben hat. Doch auch in seinem Privatleben geht es stürmisch zu. Da sind zum einen seine wechselnden Liebschaften, etwa mit dem Unternehmer Pierre Bergé (Jérémie Renier) oder dem genusssüchtigen Lebemann Jacques de Bascher (Louis Garrel). Aber auch sein Hang zu Exzessen und Drogen bestimmen sein Leben …
Der doppelte Designer
Dass thematisch ähnliche oder gar verwandte Filme und Serien zuweilen recht eng beieinander erscheinen, kommt vor. Dieses Jahr gab es beispielsweise mit Corsage und Die Kaiserin zwei Produktionen rund um die österreichische Kaiserin Elisabeth. Auch Pinocchio hat dieses Jahr zwei Auftritte, jeweils inszeniert von Regielegenden: Erst legte Robert Zemeckis auf Disney+ vor, demnächst folgt Guillermo del Toro auf Netflix. Richtig sonderbar war jedoch der Fall der Modeikone Yves Saint Laurent, der 2014 innerhalb weniger Monate zweimal in Filmen porträtiert wurde. Yves Saint Laurent debütierte auf der Berlinale, Saint Laurent in Cannes, wo sie jeweils im Wettbewerb liefen. Richtig kurios war dann die Verleihung des César Filmpreises ein Jahr drauf, wo beide in direkter Konkurrenz antraten: Der erst genannte Film brachte es auf sieben Nominierungen, der zweite auf zehn.
Am Ende mussten sich beide mit jeweils einem Preis zufriedengeben. Die Kritiken waren, außerhalb vom César, ohnehin nicht besonders gut. Saint Laurent schnitt insgesamt noch ein bisschen besser ab. Das mag einerseits daran liegen, dass das Ensemble hier in der Summe das deutlich bekanntere war. Obwohl der Film, anders als das Konkurrenzprodukt, ohne die Unterstützung des Modehauses auskommen musste, konnten hier einige echte Stars des französischsprachigen Kinos verpflichtet werden, darunter die Exportschlager Gaspard Ulliel und Léa Seydoux. Es macht dann auch Spaß, ihnen dabei zuzusehen, wie sie sich in der Dekadenz räkeln und jeder einzelne Atemzug die ganze Welt aufzusaugen scheint. Dazu gibt es viel nackte Haut, wenn Sex nicht einfach nur ein Zeitvertreib ist, sondern fester Bestandteil des Selbstverständnisses.
Mehr Rausch als Sein
Zu sehen gibt es ohnehin viel. Regisseur Bertrand Bonello (Zombi Child) legt einen großen Wert auf die Optik, inszeniert den Luxus einer Welt, die gleichzeitig die Menschen beschenken will und von diesen losgelöst ist. Hier gibt es kaum eine Szene, die in einer „normalen“ Umgebung spielt. Alles muss Teil eines kollektiven Rausches sein, bei dem Grenzen ignoriert werden. Nur Modefans kommen dabei eher kurz. Obwohl Saint Laurent mit mehr als 140 Minuten Laufzeit schon sehr üppig dimensioniert ist, spielt das kreative Schaffen von Laurent irgendwie kaum eine Rolle. Nur selten sehen wir, wie er an Kleidung arbeitet, wird diese überhaupt gezeigt. Da war Haute Couture – Die Schönheit der Geste dieses Jahr dann doch um einiges mehr an dem eigentlichen Stoff interessiert, als es hier der Fall ist.
Insgesamt ist Saint Laurent dann auch ein Film, der mehr mit dem Spiel der Oberfläche beschäftigt ist als mit einem Blick dahinter. So erfahren wir über Laurent kaum etwas, wissen auch am Ende nicht wirklich, was ihn antreibt und ausmacht. Zusammen mit der besagten Länge führt das dazu, dass das biografische Drama schon einiges an Geduld fordert. Eine Geduld, die nicht unbedingt immer auch belohnt wird. Wer hier einschaltet, in der Hoffnung, im Anschluss einiges gelernt zu haben, sollte sich das deshalb vielleicht lieber nochmal überlegen. Als Seherlebnis ist das alles aber durchaus zu empfehlen, gerade auch wenn es darum geht, ein Gefühl für diese Zeit zu gewinnen, in der die Welt endlos erschien und alle daran teilhaben sollten.
OT: „Saint Laurent“
Land: Belgien, Frankreich
Jahr: 2014
Regie: Bertrand Bonello
Drehbuch: Thomas Bidegain, Bertrand Bonello
Musik: Bertrand Bonello
Kamera: Josée Deshaies
Besetzung: Gaspard Ulliel, Jérémie Renier, Louis Garrel, Léa Seydoux, Aymeline Valade, Amira Casar
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Cannes | 2014 | Goldene Palme | Nominiert | |
César | 2015 | Bester Film | Nominiert | |
Beste Regie | Bertrand Bonello | Nominiert | ||
Bester Hauptdarsteller | Gaspard Ulliel | Nominiert | ||
Bester Nebendarsteller | Louis Garrel | Nominiert | ||
Bester Nebendarsteller | Jérémie Renier | Nominiert | ||
Beste Kamera | Josée Deshaies | Nominiert | ||
Bester Ton | Nicolas Cantin, Nicolas Moreau, Jean-Pierre Laforce | Nominiert | ||
Bester Schnitt | Fabrice Rouaud | Nominiert | ||
Bestes Szenenbild | Katia Wyszkop | Nominiert | ||
Beste Kostüme | Anaïs Romand | Sieg | ||
Prix Lumières | 2015 | Bester Film | Nominiert | |
Beste Regie | Bertrand Bonello | Nominiert | ||
Bester Hauptdarsteller | Gaspard Ulliel | Sieg | ||
Bestes Drehbuch | Thomas Bidegain, Bertrand Bonello | Nominiert | ||
Beste Kamera | Josée Deshaies | Nominiert |
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