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Als Gerd Vogt (Daniel Lommatzsch) und sein kleiner Sohn Noah spurlos verschwinden, deutet alles auf ein Gewaltverbrechen hin. Schließlich sind da die umfangreichen Blutflecken, die sich im Haus der Familie befinden. Ehefrau Sandra (Lisa Hagmeister) rückt dabei in den Mittelpunkt der Ermittlungen. Sie hatte die Gelegenheit und zudem kein richtiges Alibi, will nicht wirklich mit der Polizei reden. Dennoch stehen Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) vor einem Rätsel, denn irgendwie ergibt ihr Verhalten keinen Sinn. Dafür haben die anderen über sie mehr als genug zu erzählen. In der Kleinstadt im Breisgau haben praktisch alle eine Meinung über die Frau, selbst innerhalb der Familie wird kein gutes Wort über sie verbreitet …
Mehr Drama als Krimi
Natürlich geht es beim Tatort in erster Linie darum, ein Verbrechen aufzuklären. Die Standardsituation ist die, dass am Anfang eine Leiche gefunden wird und herausgefunden werden muss, wer diesen Mord begangen hat. Aber es gibt auch genügend andere Filme, bei denen das Rätselraten in den Hintergrund rückt und andere Faktoren wichtiger werden. Manche handeln von gesellschaftlichen Fragen, andere verraten gleich zu Beginn die Schuldigen und spielen mit der Spannung, wie diese geschnappt werden. Und dann sind da noch diese Teile, die eigentlich mehr Drama als Krimi sind und ganz auf Figuren zugeschnitten sind. Bei Der Mörder in mir ging es mehr darum, wie der Täter mit seiner Schuld umgeht. Und auch bei Die Blicke der Anderen findet eine solche Schwerpunktverschiebung statt.
Prinzipiell handelt es sich zwar auch bei dem 1215. Film der ARD-Krimireihe um einen klassischen Whodunit, bei dem auf eine Leiche mehrere Verdächtige kommen. Aber es gibt doch ein paar Aspekte, die Tatort: Die Blicke der Anderen von den meisten anderen Teilen unterscheiden. Beispielsweise ist die Zahl der Verdächtigen hier auffallend gering. Da wird noch Stefan Kämmerer (Niels Bruno Schmidt) eingeführt, ein ehemaliger Geschäftspartner des Vermissten, dessen Zusammenarbeit hässlich endete. Aber das hat dann doch mehr Alibifunktion, um formal die Anforderungen an einen Krimi zu erfüllen. Wer des Rätselns wegen einschaltet, hat hier nicht viel zu tun. Die Auflösung enttäuscht zudem ziemlich, das ist schon sehr willkürlich, wie der Fall zu einem Abschluss gebracht wird.
Eine begehrte Außenseiterin
Aber da ist eben noch der Dramapart, durch den sich am Ende doch ein Blick lohnt. Drehbuchautor Bernd Lange (Das Netz – Spiel am Abgrund, Die Kaiserin) zeichnet hier das Bild einer Frau, die seit vielen Jahren in der Kleinstadt lebt, zwei Kinder geboren hat und beim Amt arbeitet und doch nie wirklich integriert wurde. Sie bleibt eine Fremde, zum Teil zumindest. Die Familie, die Nachbarin, sie alle reden schlecht über sie. Richtig konsequent ist Tatort: Die Blicke der Anderen in der Hinsicht jedoch leider nicht, bei der Arbeit wird gut über sie gesprochen. Wenn es darum ging, sich Stempel abzuholen, war sie sogar die bevorzugte Wahl. Der Versuch, sie gleichzeitig zu einer Außenseiterin und einer begehrten Frau zu machen, funktioniert nicht so wirklich.
Dennoch ist es interessant, wie hier ein Porträtieren über Bande läuft, während die eigentliche Person beharrlich schweigt. Gleichzeitig sind da diese Ausbrüche von Sandra, wenn sie sich auflehnt, den Schmerz aus sich herausschreit. Das ist gut gespielt von Lisa Hagmeister (Im Niemandsland), deren Figur völlig mit der Situation überfordert ist und nicht verstehen kann, wie es dazu kommen konnte. Dieses Schicksal teilt sie mit dem Publikum, das im Anschluss an Tatort: Die Blicke der Anderen noch jede Menge Fragen auf den Lippen hat. So richtig befriedigend ist das Krimidrama daher nicht, die vielen nervigen Figuren machen es zudem etwas anstrengend. Dennoch, kalt lässt es einen nicht, wie hier so viele ins Unglück stürzen und dabei verlorengehen.
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