1893 im australischen Outback: Molly Johnsin (Leah Purcell) ist es gewohnt, allein für sich und die Kinder zu sorgen. Schließlich ist ihr Mann viel unterwegs, oft mehrere Monate im Jahr – seine Arbeit als Viehtreiber bringt das mit sich. Da muss sie in der Lage sein, sich im Notfall zu verteidigen, ihre Fähigkeiten als Schützin sind in der Region berühmt. Ebenso groß ist aber auch ihr Misstrauen, wenn unbekannte Leute auf ihrer Farm auftauchen. Einer von ihnen ist Yadaka (Rob Collins), der eines Tages vor ihr steht und einen Unterschlupf sucht. Tatsächlich ist Misstrauen angesagt, wird der Mann doch wegen Mordes gesucht. Dennoch lässt sie sich darauf ein und fasst mit der Zeit Vertrauen zu dem Aborigine. Das bedeutet jedoch eine große Gefahr, sind sie ihm doch schon auf den Spuren …
Feministische Interpretation einer bekannten Kurzgeschichte
130 Jahre ist es inzwischen her, dass die Kurzgeschichte The Drover’s Wife von Henry Lawson erschienen ist. Doch sie gehört zum festen Kanon der australischen Literaturgeschichte. Immer wieder nahmen andere Werke darauf Bezug, 1968 gab es sogar eine Verfilmung derselben. Leah Purcell reichte das aber offensichtlich nicht. So schuf sie ihre eigene Version der Geschichte um eine Frau, die im späten 19. Jahrhundert für ihre Familie im Outback kämpft. Mehrfach. Nicht allein, dass sie einen Roman und ein Theaterstück schrieb, sie verfilmte dies auch noch – führte Regie, schrieb das Drehbuch und übernahm die Hauptrolle. Das legt den Verdacht nahe, dass es sich bei The Drover’s Wife – Die Legende von Molly Johnson um einen reinen Egotrip handelt, von jemandem, der vielleicht ein bisschen sehr von einem Thema besessen ist.
Und doch ist der Film sehenswert. Wo die Kurzgeschichte seinerzeit notgedrungen nicht sonderlich viel über die Figur zu sagen hatte – tatsächlich hatte die Protagonistin nicht einmal einen Namen, sondern definierte sich nur durch ihren Mann –, da lässt Purcell sie zum Leben erwachen. Sie ist es, die im Film das Sagen hat und sich von ihrem Gatten emanzipiert hat. Zudem tragen auch ihre meisterhaften Schießqualitäten dazu bei, dass sie als eigenständige Heldin durchgeht. Das gibt The Drover’s Wife – Die Legende von Molly Johnson eine deutlich feministische Qualität. Nicht nur dass sie gegen eine raue Natur bestehen muss. Immer wieder sind es Männer, die hier zu einer Bedrohung werden und gegen die sich zu wehren gelernt hat. Dabei sind vor allem ihre Kinder der Anlass für ihren Unabhängigkeitskampf. Sie würde alles tun, um sie zu beschützen.
Gemeinsamer Aufstand der Unterdrückten
Verbunden wird diese feministische Ausrichtung mit einem anderen gesellschaftlichen Thema: das des Rassismus. Wenn Molly und Yakada zusammentreffen, dann als zwei Menschen, die es gewohnt sind, von anderen unterdrückt zu werden. In der Hinsicht erinnert The Drover’s Wife – Die Legende von Molly Johnson natürlich an The Nightingale – Schrei nach Rache, bei dem ebenfalls eine Frau und ein Aborigine gemeinsame Sache machen und sich annähern. Während dort jedoch zunächst ein Antagonismus herrschte und die Frau nicht minder rassistisch war als die weißen Männer, da ist das Verhältnis hier komplizierter. Purcell erzählt keine Rachegeschichte, befasst sich lieber mit Fragen der Identität, wenn sich die Protagonistin mit ihrem eigenen Erbe auseinandersetzen muss. Das mag dann weniger Crowdpleaser-Potenzial haben als die Annäherung zweier verfeindeter Menschen. Sehenswert ist es trotzdem.
Das gilt auch für die Bilder der ursprünglichen und trockenen Natur, die nie so aussieht, als hätten Menschen überhaupt ihr Lager dort aufschlagen sollen. Purcell verzichtet jedoch darauf, sich seufzend der Schönheit der Landschaft zu ergeben. Stattdessen bietet sie dem Publikum anderweitig etwas fürs Auge: Wie es bei Western üblich ist, nimmt mit der Zeit die Intensität zu, wenn Gut und Böse sich gegenüberstehen. Die Ereignisse überschlagen sich aber nicht ganz auf die Weise, die man erwarten könnte. The Drover’s Wife – Die Legende von Molly Johnson verweigert sich auch hier einer einfachen Lösung. Das wird dann vielleicht ein bisschen viel, die eher spröde Art des Films weicht einer stärker plakativen. Dennoch ist der australische Western ein schöner Geheimtipp, den man sich gern auch auf der großen Leinwand anschauen sollte.
OT: „The Drover’s Wife – The Legend of Molly Johnson“
Land: Australien
Jahr: 2021
Regie: Leah Purcell
Drehbuch: Leah Purcell
Vorlage: Leah Purcell
Musik: Salliana Seven Campbell
Kamera: Mark Wareham
Besetzung: Leah Purcell, Rob Collins, Sam Reid, Jessica De Gouw, Malachi Dower-Roberts
SXSW 2021
Filmfest Braunschweig 2021
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