Lang genug haben die beiden Brüder Henry (Carter O’Donnell) und Jacob (Brady O’Donnell) unter ihrem gewalttätigen Vater gelitten. Jetzt soll damit Schluss sein: Gemeinsam fesseln sie ihn als Bett und machen sich mit ihren Rädern auf den Weg. Das Ziel ist ihre Mutter, die sie vor vielen Jahren verlassen hat und nun irgendwo in den Wäldern leben soll. Viele Anhaltspunkte für den konkreten Aufenthaltsort haben die beiden nicht. Dennoch sind sie fest entschlossen, alles zu tun um sie wiederzufinden. Immer tiefer dringen sie so in den Wald ein, machen dabei aber bald eigenartige Erfahrungen. Nach und nach dämmert ihnen, dass da etwas nicht mit rechten Dingen vor sich geht und sie in eine finstere Geschichte hineingeschlittert sind …
Vor Betreten des Waldes wird gewarnt
Wenn es darum geht, einen Ort für düstere Geschichten zu finden, bieten sich Wälder immer an. Zahlreiche Horrorfilme haben diesen gewählt, um den Figuren und damit dem Publikum Alpträume zu bereiten. Ob The Blair Witch Project, The Hole in the Ground oder The Toll Man – sie alle führten ahnungslose Menschen in ein Labyrinth aus Bäumen, um in den Schatten versteckt unheimliche Kräfte wirken zu lassen. Insofern überrascht es nicht sonderlich, wenn in The Long Dark Trail zwei Brüder bei ihrer Odyssee durch den Wald feststellen müssen, dass sie den Ort vielleicht lieber gar nicht erst betreten hätten. Denn da lauert bereits etwas auf sie, beobachtet sie, kreist sie langsam ein, während sie selbst noch völlig ahnungslos sind und in ihrer Naivität auf eine Familienzusammenführung hoffen.
Bis diese unheimlichen Kräfte tatsächlich relevant werden, dauert es jedoch eine ganze Weile. Kevin Ignatius und Nick Psinakis, die gemeinsam das Drehbuch geschrieben und Regie geführt haben, lassen sich recht viel Zeit. Anstatt gleich mit der Bedrohung zu beginnen, die dort irgendwo bereits wartet, geht es erst einmal darum, die Situation der Jungs aufzuzeigen, die Flucht vor dem Vater inklusive. Grundsätzlich ist eine solche Entscheidung durchaus zu vertreten. Gerade bei den Arthouse-Horror-Vertretern ist das Tempo oft geringer, was etwa Shepherd – Fluch der Vergangenheit kürzlich nicht geschadet hat, wenn Atmosphäre über Handlung gestellt wird. Bei The Long Dark Trail geht diese Taktik aber nicht auf, da hier im Gegensatz zum obigen Kollegen aus Großbritannien einfach nichts da ist, was die Wartezeit rechtfertigen würde.
Als Horrorfilm enttäuschend
Das hängt auch damit zusammen, dass die Vorgeschichte rund um den gewalttätigen Vater für die eigentliche Geschichte keine wirkliche Rolle spielt. Während sich beispielsweise beim thematisch verwandten Ogre die Flucht vor der Gewalt in den monströsen Begegnungen spiegelt, ging es bei The Long Dark Trail wohl in erster Linie darum, dass die Jungs überhaupt ihre Mutter im Wald suchen. Da fehlt einfach die Idee, wie man die einzelnen Bestandteile schlüssig miteinander verbinden könnte. Nicht dass der Film ansonsten mit vielen Ideen glänzen würde. Mehr als Versatzstücke okkulter Horrorstreifen ist da nicht drin: Sowohl inszenatorisch wie auch inhaltlich haben Ignatius und Psinakis zu wenig zu bieten, um ein genreaffines Publikum zufriedenzustellen.
Tatsächlich sind die besten Szenen die, in denen es gar nicht darum geht, irgendwie Horrorstimmung verbreiten zu wollen. Wenn die Jungs gemeinsam durch den Wald ziehen, ist eine wirkliche Verbundenheit zu spüren, vergleichbar zum unlängst gestarteten deutschen Familienfilm Nachtwald – Das Abenteuer beginnt!. Nur sind diese Szenen zu kurz, um den enttäuschenden Alptraumpfad auszugleichen, der es völlig verpasst Spannung zu erzeugen. Trotz des sehenswerten Settings fehlen die Argumente, warum man angesichts unzähliger Horrorfilme, die jeden Monat erscheinen, ausgerechnet den hier auswählen sollte. Wer dies dennoch tun möchte, sollte dies übrigens nach Möglichkeit im englischen Original tun, da die Synchronisation das letzte bisschen Qualität, das The Long Dark Trail hat, in leblosen Dialogen erstickt.
OT: „The Long Dark Trail“
Land: USA
Jahr: 2021
Regie: Kevin Ignatius, Nick Psinakis
Drehbuch: Kevin Ignatius, Nick Psinakis
Musik: Kevin Ignatius
Besetzung: Carter O’Donnell, Brady O’Donnell, Mick Thyer, Alex Hughes, Tina Andersen
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