So richtig viel weiß Frank Farelli (Pål Sverre Hagen) nicht mit seinem Leben anzufangen. Wie auch? Seit einer ganzen Weile ist er bereits arbeitslos. Besserung ist nicht in Sicht, da die Kleinstadt, in der er mit seiner Mutter (Nina Andresen Borud) lebt, keine Perspektiven bietet. Das ändert sich, als es in kurzer Folge eine Reihe unglücklicher Unfälle gibt. Frank wird daraufhin mit der Aufgabe betreut, in Zukunft die vielen schlechten Nachrichten zu überbringen. Dass er dafür keine Qualifikationen mitbringt, stört nicht weiter. Dafür hat er einen schönen Anzug sowie eine Sekretärin (Tuva Novotny), die ihm bei der Arbeit helfen soll. Doch dann geschieht eines dieser Unglücke in seiner nächsten Umgebung und Frank muss eine schwierige Entscheidung treffen …
Komisch schlechte Nachrichten
Es gehört zur Natur des Menschen dazu, dass Unglücke, die einem nahegehen, zuweilen irrationale Reaktionen zur Folge haben. Nicht ohne Grund gibt es im Englischen den Ausdruck „shooting the messenger“, wenn sich Wut und Schmerz plötzlich auf die Person richten, welche die schlechten Nachrichten übermittelt hat. Und das obwohl die normalerweise keine Schuld trifft. Die Idee, aus dieser schwierigen Aufgabe einen eigenen Beruf zu machen, ist daher schon originell. Sie ist auch psychologisch interessant. Wie überbringt man solche Nachrichten am besten? Und was macht das mit den Menschen, die solche Nachrichten übermitteln? The Middle Man – Ein Unglück kommt selten allein hat darauf Antworten, aber nicht auf die Weise, die man vielleicht erwartet hätte.
Überraschend ist beispielsweise, dass es sich hierbei nicht um ein Drama handelt, auch wenn man das bei dem Thema hätte vermuten können. Stattdessen dominiert zumindest anfangs ein humorvoller Ton. Die Adaption eines Romans von Lars Saabye Christensen wechselt dabei zwischen einer Vorliebe fürs Skurrile und beißendem Spott. Das fängt schon bei dem eigenwilligen Vorstellungsgespräch an, welches Frank absolvieren muss. Aber auch die Art und Weise, wie dieser seine eigene Arbeit ganz wichtig nimmt, obwohl er praktisch nie etwas macht, ist immer wieder für ein Schmunzeln gut. Dass The Middle Man – Ein Unglück kommt selten allein ihm für dieses Nichtstun auch noch eine Sekretärin zur Verfügung stellt, wird dann endgültig zur Verspottung einer Bürokratie, die nur mit sich selbst beschäftigt ist, anstatt etwas Sinnvolles für die Menschen zu tun.
Zwischen Spaß und Leid
Das geht auch am Protagonisten nicht spurlos vorüber, dessen Alltag zwischen Unglück und dem Nichts wechselt. Der nach einem Sinn sucht und gern so tut, als hätte er alles im Griff. Stimmt aber nicht. Auf diese Weise wird der anfänglich freundliche Frank zu einer tragischen Figur, die im eigenen Leben verloren wirkt. Drumherum gibt es ohnehin eine Reihe trauriger Geschichten, wenn Menschen Angehörige verlieren. The Middle Man – Ein Unglück kommt selten allein setzt dabei auf ein episodenhaftes Erzählen. Tatsächlich hätte man sich das hier auch gut als Serie vorstellen können, in der das Porträt einer Kleinstadt mit dem eines Mannes einhergeht, der im Laufe der Zeit mit seinen Aufgaben wächst. Ein bisschen wie in Dead Like Me seinerzeit.
Was dem Ganzen dabei etwas fehlt, ist eine Richtung. Außerdem sind diese Wechsel in der Tonalität etwas problematisch, wenn der Film die Figuren mal ernst nimmt in ihren Nöten, sich mal über sie lustig macht. Denn am Ende bleibt man dadurch etwas unschlüssig zurück, was das alles sollte. Insgesamt ist die europäische Tragikomödie, die beim Toronto International Film Festival 2021 Premiere feierte, aber ein schöner kleiner Geheimtipp, der nach zahlreichen Verschiebungen endlich bei uns in die Kinos kommt. Dabei profitiert The Middle Man – Ein Unglück kommt selten allein gerade auch von der Leistung des norwegischen Schauspielers Pål Sverre Hagen (Exit, Furia) sowie den ansehnlichen komponierten Bildern, die das Zusehen selbst dann zum Genuss machen, wenn gerade mal wieder die Welt untergeht.
OT: „The Middle Man“
Land: Norwegen, Kanada, Deutschland, Dänemark
Jahr: 2021
Regie: Bent Hamer
Drehbuch: Bent Hamer
Vorlage: Lars Saabye Christensen
Musik: Jonathan Goldsmith
Kamera: John Christian Roselund
Besetzung: Pål Sverre Hagen, Tuva Novotny, Paul Gross, Don McKellar, Nicolas Bro, Nina Andresen Borud
Toronto International Film Festival 2021
Film Festival Cologne 2021
Nordische Filmtage Lübeck 2021
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