1871 wird ein von der Kavallerie bewachter Goldtransport von den Cheyenne überfallen. Im Laufe des mehrere Stunden andauernden Gefechts werden alle Soldaten brutal massakriert sowie das Gold entwendet. Die einzigen beiden Überlebenden, die junge Cresta Lee (Candice Bergen), die schon einmal von den Cheyenne entführt wurde, und der Soldat Honus Gent (Peter Strauss) müssen das blutige Gefecht mitansehen. Während Gent noch um seien toten Kameraden trauert, drängt ihn Cresta zu einer raschen Flucht. Den jungen Mann plagt zum einen der Schock des Massakers, aber auch der Gedanke, es den Cheyenne heimzahlen zu wollen, wobei ihm seine Begleitung, welche diese gut kennt, erklärt, dass der Stamm ebenso sich von den Weißen verteidigen will und diese mindestens ebenso grausam sind, wenn sie deren Stammesgebiet angreifen. Nach beschwerlichen ersten Tagen treffen die beiden auf den fahrenden Händler Isaac (Donald Pleasence), den Honus direkt im Verdacht hat, mit den Cheyenne und anderen Stämmen Geschäfte zu machen. Entgegen den Bitten Crestas, dies auf sich beruhen zu lassen, durchsucht der Soldat den Planwagen in Isaacs Abwesenheit und wird fündig. Als er beschließt, den Geschäften des Händlers ein Ende zu bereiten, müssen er und Creste noch einmal fliehen und um ihr Leben fürchten.
Blutige Geschichten von der „American frontier“
Als erzählerisches Fundament für Ralph Nelsons Spätwestern gilt das berüchtigte Sand-Creek-Massaker von 1864, in dessen Folge der Angriff zweier Kavallerie-Regimenter den Tod von 133 Ureinwohnern, darunter viele Frauen und Kinder, nach sich zog, was als eines der schlimmsten Kriegsverbrechen in der US-amerikanischen Geschichte gilt. Die Darstellung jenes Massakers war dann auch Stein des Anstoßes bei der zeitgenössischen Kritik, die den Western teils sogar als Exploitation-Film werteten und auf eine Stufe stellen wollten mit Werken wie Ruggero Deodatos Nackt und zerfleischt. In den letzten Jahren hat sich die Rezeption erfreulicherweise verändert, sodass der Western als ein erschreckendes und aufrüttelndes Werk über die Besiedlung des „Wilden Westen“ gesehen wird.
Die 1960er und 1970er Jahren waren kulturell eine Zeit des Umbruchs und hatten zur Folge, dass ästhetische wie auch narrative Traditionen neu gedacht wurden, selbst wenn dies nicht immer den erwünschten kommerziellen Erfolg nach sich zog. Besonders in einem so auf Konventionen erbauten Genre wie dem Western dauerte es sehr lange, bis man diese neu denken konnte und auch wollte, was sich beispielsweise in dem krassen Unterschied zwischen den europäischen und den US-amerikanischen Western zeigt. 1970 stellten alleine drei Filme, Ralph Nelsons Das Wiegenlied vom Totschlag, Arthur Penns Little Big Man und Elliot Silversteins Ein Mann, den sie Pferd nannten die Perspektive des Ureinwohners als Barbaren auf den Kopf sowie das Bild des weißen Siedlers als Symbol für Zivilisation. Von der ersten Minute an wird deutlich, dass Nelsons Film im Vergleich mit den anderen Werken wohl den radikalsten, den schwierigsten Weg für sich gewählt hat, wenn er in dem Gefecht gleich zu Anfang Grausamkeiten auf beiden Seiten zeigt und von da an mit jeglicher Tradition des Genres bricht, nicht zuletzt mit den Rollenbildern, die bis weit in die 60er hinein noch fester Bestandteil dieses Genres waren. Das Finale ist die logische Konsequenz aus einer fortschreitenden Desillusion und damit einer Verabschiedung von Werten wie Würde, was Nelson und Kameramann Robert B. Hauser in sehr drastischen Bildern festhalten, die noch lange nachhallen.
Kriegsopfer und -profiteure
In der Rezeption von Das Wiegenlied vom Totschlag spielen in erster Linie die ersten Minuten wie auch das Finale eine Rolle, was den Verleih zu teils reißerischen Marketing-Kampagnen verleitete, die bis heute noch Teil der Heimkinoveröffentlichungen des Filmes sind. Anstatt die Geschichte zwischen den Extremen „Western“ und „Exploitation“ zu betrachten, lohnt es sich, die Perspektive des Coming-of-Age Dramas anzusetzen, bedenkt man alleine das noch junge Alter der beiden Protagonisten. Candice Bergen, deren Cresta eigentlich in der traditionellen Rolle der wehrlosen Frau sein könnte, wirkt sehr viel realistischer und pragmatischer als der Soldat, der sie eigentlich beschützen soll, ihr aber mehr als einmal sein Überleben verdanken wird. Gefangen zwischen den Fronten erleben sie die Realität eines Krieges, der zwar keine Fronten kennt, dafür aber mit äußerster Brutalität ausgefochten wird und ihre beiden Positionen auf die Probe stellen wird. Beide Seiten, die der Ureinwohner wie auch die der Weißen, erlauben keinesfalls eine Aufteilung in „Gut“ und „Böse“, in „Helden“ und „Bösewichter“, wie es die klassischen Western bisweilen verfolgen. Es gilt nur das eigene Überleben, denn profitieren können letztlich nur Männer wie Isaac, die mit dem nötigen Kriegsgerät versorgen und die es nicht kümmert, wer wen und in welcher Zahl massakriert.
OT: „Soldier Blue“
Land: USA
Jahr: 1970
Regie: Ralph Nelson
Drehbuch: John Gray
Musik: Roy Budd
Kamera: Robert B. Hauser
Besetzung: Candice Bergen, Peter Strauss, Donald Pleasence, John Anderson, Jorge Rivero
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