Frankfurt, 1967. Lisa Scheel (Sonja Gerhardt) hat einen Traum: Sie möchte als Chirurgin arbeiten. Das nötige Talent dafür hat sie, dazu den Willen, härter und besser zu arbeiten als alle anderen. Und doch kommt sie nicht so recht voran, da das Gebiet nach wie vor eine absolute Männerdomäne ist. Als Prof. Dr. Kohlfeld (Fritz Karl), dessen uneheliche Tochter sie ist, sie bei einer Beförderung übergeht, hat sie genug. Anstatt weiter bei ihm auf Anerkennung zu hoffen, reist sie nach Kapstadt, um an der Seite von Kohlfelds Kollegen und Konkurrenten Dr. Christiaan Barnard (Alexander Scheer) zu arbeiten. Mit ihrem in Deutschland erworbenen Wissen will sie diesem bei seinen Forschungen um Herztransplantationen helfen. Aber auch Hamilton Naki (Loyiso MacDonald) stellt sich als wertvolle Stütze heraus. Nur hat er einen Makel: Der Krankenhausgärtner ist schwarz und darf deshalb den Rassengesetzen zufolge offiziell nicht Teil des Teams sein …
Zwischen Durchbruch und Unterdrückung
Es gehört zur Medizin dazu, dass sie sich so rasant weiterentwickelt und neue Möglichkeiten finden, dass man zuweilen ganz vergisst, wie steinig der Weg war. Wie undenkbar Behandlungen waren, die für uns heute selbstverständlich sind. Zu diesen gehört sicher auch die Transplantationen von Herzen. Erstmals wurde diese 1967 von dem Südafrikaner Christiaan Barnard durchgeführt, der mit dieser Operation Geschichte schrieb – auch wenn der Patient drei Wochen später verstarb. Im November wäre Barnaard 100 Jahre alt geworden, was die ARD zum Anlass nimmt, die Koryphäe mit einem Film zu würdigen. Der Titel Das Wunder von Kapstadt nimmt dabei bereits vorweg, welche epochale Leistung der Medizin und sein Team da vollbrachten.
Unerwartet ist dabei, dass der Film nicht aus der Perspektive des besagten Arztes erzählt wird. Stattdessen beobachten wir die Ereignisse aus Sicht seiner Kollegin Dr. Lisa Scheel. Das ist insofern bemerkenswert, weil es diese Person nie gegeben hat. Tatsächlich gab es überhaupt keine Frau in dem Team von Barnaard. Die Idee dahinter ist klar: Das Wunder von Kapstadt will ein historisches Ereignis nehmen, um auf diese Weise Menschen eine Stimme zu geben, denen historisch keine Stimme vergönnt war. Das bedeutet neben dem Schwarzen Hamilton Naki, den es tatsächlich gegeben hat und im Geheimen eine wichtige Stütze gewesen sein soll, eben auch Scheel. Das Drama spricht auf diese Weise die Unterdrückung an, die Schwarzen und Frauen zuteilwurde, auch wenn das Maß der Unterdrückung doch sehr unterschiedlich war.
Plump und irritierend
Als Thema ist das unzweifelhaft wichtig und noch immer aktueller, als es einem lieb sein kann. Auch wenn sich in den vergangenen fünf Jahrzehnten viel getan hat, von einer Gleichbehandlung kann kaum die Rede sein. Nur stimmt bei Das Wunder von Kapstadt die Balance nicht zwischen dem Porträt der damaligen Situation und der Geschichte um die medizinische Forschung. Zwischendurch wird Letztere zwar durchaus angesprochen. Wenn der Film aber mit der einflussreichen Operation endet und auf den historischen Charakter verweist, kommt das dennoch ein wenig aus dem Nichts. Bei dem Film drängt sich der Eindruck auf, dass das beworbene Ereignis nur ein Vorwand war, um eine ganz andere Geschichte erzählen zu dürfen. Eine, die Drehbuchautor Christoph Silber (Banklady, Ich bin dann mal weg) deutlich näher ist.
Das ist nicht nur irritierend. Es ist auch wenig überzeugend umgesetzt. So sind die Dialoge immer sehr bemüht, sind mehr darauf aus, die Ideen unters Volk zu bringen, anstatt sich nach natürlicher Sprache anzuhören. Auch drumherum wurde zu oft zu viel gemacht, von der aufdringlichen Musik bis zu der Seifenoper-Vorgeschichte um die uneheliche Tochter des Professors. Das macht Das Wunder von Kapstadt zu einem eher ermüdenden als spannenden Film, weil er zu oft falsche Prioritäten setzt. Die Themen sind deshalb nicht weniger wichtig oder das Ereignis weniger historisch. Das Drama wird dadurch aber zu einem Ärgernis, das unter den Möglichkeiten bleibt und dessen plumpe Manipulation Frust erzeugt.
OT: „Das Wunder von Kapstadt“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Franziska Buch
Drehbuch: Christoph Silber
Musik: Martina Eisenreich
Kamera: Bella Halben
Besetzung: Sonja Gerhardt, Alexander Scheer, Loyiso Macdonald, Clara Wolfram, Vikash Mathura, Arnd Klawitter, Fritz Karl, Thimo Meitner, Michaela Winterstein
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