Jahresrückblick (2021)

Als 2021 die Lichtspielhäuser nach und nach wieder eröffneten und die großen Produktionen wie Dune, Godzilla vs. Kong, Black Widow, wie auch die kleinen Perlen wie Der Rausch, The Green Knight oder The Father nun endlich für funkelnde Augen in den Kinosälen sorgten, kam wieder Hoffnung auf. Endlich wieder Kino!

Doch hat sich das Warten gelohnt – wie Dune als Paradebeispiel zeigt. Wenig überraschend sorgten diese wuchtigen Bilder in Kombination mit dem hämmernden Sound für ein grandioses Kinoerlebnis, das man so nie zuhause auf der Couch erlebt hätte. Doch welche Werke gibt es neben dem sechsfachen Oscarpreisträger aus 2021 darüber hinaus, die in Erinnerung bleiben? Wie in jedem Jahr soll unser Jahresrückblick genau dies festhalten.

 

Michael Gasch

Top Filme 2021

1. Malcolm & Marie

Zwei Schauspieler, ein einziges Filmset und das auch noch ohne Farbe – bei Malcolm & Marie merkt man erst einmal, wie wenig es braucht, um einen tollen Film zu zaubern. Bei so viel Reduzierung geschehen tatsächlich noch Wunder.

2. The Lost Leonardo

Gute Dokumentationen gibt es wie Sand am Meer. Herausragende dagegen sind sehr rar geworden. The Lost Leonardo fällt dabei jedoch ganz klar in die zweite Kategorie, erstens weil diese Produktion sich wie ein halber Thriller anfühlt und weil man zweitens in so vielen unterschiedlichen Perspektiven neues Wissen über die Kunstwelt und unsere Gegenwart mitnehmen kann.

3. The Little Things

Auch wenn die meisten Kritiker im Falle von The Little Things nicht überzeugt waren, so stellt sich mir doch die Frage, was hier so dermaßen falsch gemacht wurde. Ich sehe es eher konträr: aufgrund der grandiosen Schauspieler und einer total ungewissen Atmosphäre, die man im Thrillergenre lang nicht mehr erlebt hat, verdient sich John Lee Hancocks Film definitiv einen Platz in meiner Liste.

4. Tick, Tick… Boom!

Wer hat noch nie etwas von Jonathan Larson und einem der erfolgreichsten Broadway-Musicals gehört? Hab ich’s mir doch gedacht – das sah in meinem Fall genauso aus. Sei’s drum – Tick, Tick… Boom! zeigt nach dem Meisterwerk La La Land im modernen Kino einmal mehr, dass man mit der Kombination aus Musik und Film ganz große Kunst erschaffen kann, selbst wenn man mit der Welt der Musicals so gar nichts am Hut hat.

5. Strange Dreams

Strange Dreams dringt ganz tief in das menschliche Unterbewusstsein ein und schafft es, was gefühlt 99 % aller Horrorfilme nicht einmal mehr im Ansatz erreichen: eine Atmosphäre, die dem Atem stocken lässt. Statt Jumpscares und einer mittlerweile immer schlimmer werdenden Künstlichkeit im Horrorgenre gibt es hier jede Menge Feingefühl, eine gute Portion Symbolik und jede Menge schaurige Bilder, die einem noch Wochen nach dem Film im Kopf hängen bleiben.

6. The Last Duel

Bereits nach den ersten zehn Minuten stellte sich ein Gefühl ein, dass allein diese schon zehnmal besser sind als das meiste, was in den letzten Monaten herausgekommen ist. Und auch wenn The Last Duel einige Schwächen hat, so war es im Gegensatz zu der Nostalgie-Welle der ganzen Reboots usw. doch einmal erfrischend, neuen Stoff zu sehen. Das scheint der großen Masse jedoch egal zu sein, schaut man sich das vernichtende Box-Office an. Ridley Scotts Mittelalterepos zeigt daher nicht nur wie Kunst in 2021 aussehen kann, sondern hält uns auch vor Augen, dass die Welt durch den ganzen Blockbuster-Einheitsbrei tatsächlich ambitionierte Großproduktionen kaum mehr wertschätzt.

7. Green Knight

Beim „kleineren Cousin“ von The Last Duel scheint dies nicht viel anders auszusehen und doch ist dies einer der gelungensten Filme der letzten paar Jahre. Warum? Weil sich David Lowery (erneut) weit aus dem Fenster gelehnt hat und dem Publikum mit seinen mutigen surrealen Bildern einmal richtig etwas abverlangt. Da es an Mut im Kino aber auch generell deutlich mangelt, sind solche Produktionen ein echter Hoffnungsschimmer.

8. Dune

Auch wenn ich nach zwei Stunden im Kinosessel hin- und herrutschte, so kann man Dune seine astronomischen Ambitionen nicht absprechen. Vielmehr sehe ich in Dune einen Film, der in die Geschichte eingehen wird, nicht aber aufgrund seiner Bilder oder Effekte, sondern vielmehr aufgrund des visionären Kerns. Wenn ein Film es schafft, dass sich Hollywood mal wieder etwas mehr auf Qualität besinnt, dann definitiv dieser. Und bei aller Fairness – welch schöneres Kompliment kann man einem Film in dieser Liga schon machen?

9. Free Guy

Wer wie ich mit Deadpool nicht so wirklich etwas anfangen konnte, der wird vermutlich auch eine gewisse Skepsis gegenüber Free Guy aufbauen. Überraschenderweise hat es sich in dem Fall jedoch gelohnt, da Shawn Levys Actionspektakel nicht nur für laute Lacher sorgt, sondern auch zwischen den Zeilen einen durchaus interessanten Beitrag zum großen Thema Virtuelle Realität leistet.

10. Don’t look up

Immer näher am Puls der Zeit, verblüfft Adam McKay erneut und stellt mit seinem neuesten Film sogar seine Vorgänger in den Schatten. Während diese Filme aufgrund der dokumentarischen Aufarbeitung schon fast einen Deut zu spät kamen, so hat man bei Don’t look up den Eindruck, er könnte in 2022 spielen. Auffällig dabei: Das Idiocracy 2.0 hat jegliche Hoffnung in die Menschheit aufgegeben und bleibt bis zur letzten Minute vollends konsequent. Und mal ehrlich, wie viele vergleichbare Produktionen können das schon von sich behaupten?

 

Top Schauspielerin 2021

Jodie Comer

In Free Guy und The Last Duel am brillieren, stellt sich Comer als eine Schauspielerin heraus, die von Film zu Film in puncto Authentizität deutlich weiter wächst. Dieser Prozess, der bei den meisten Schauspielern irgendwann immer weiter abnimmt, sorgt dann manchmal aber auch dafür, dass diese Stars nur noch sich „selbst“ spielen. Bei Comer dagegen ist das (noch) das komplette Gegenteil, wodurch man als Zuschauer den einen oder anderen Überraschungsmoment erlebt, gerade in The Last Duel.

 

Top Schauspieler 2021

Adam Driver

Das bisher eher differenzierte Bild von Adam Driver scheint sich zu wandeln. War er in den letzten Jahren in eher weniger gelungenen Filmen (hust hust Star Wars hust) anzutreffen, so hat er in 2021 mit gleich drei Filmen (Annette, House of Gucci, The Last Duel) bewiesen, dass er zu deutlich mehr fähig ist. Es erweckt daher schon fast den Eindruck, dass Driver in vergleichsweise eher kleineren Filmen besser aufgehoben ist, als in so hochtrabenden Blockbusterfilmen wie den Star Wars-Sequels.

 

Top Newcomer 2021

Anthony Scott Burns

Weder unbekannt, noch ein wirklicher Newcomer, wurde ich dennoch am meisten von Anthony Scott Burns überrascht, der sich mit seinem neuen Film Strange Dreams einen Namen gemacht hat und von dem man sicherlich noch einiges erwarten kann. Zwischen Jordan Peele (Get Out) und David Robert Mitchell (It Follows) fügt sich Burns deshalb in meine Top 3 der Regisseure ein, welche die zeitgleich schaurigsten und wunderschönsten Kinobilder kreieren.

 

Meine Höhepunkte 2021

1. Kino trotz Corona

Monatelang ohne Kino und alles per Streaming schauen brachte zwar eine ungeheure Bequemlichkeit, zeigte aber doch, dass das Kino eine ganz andere Atmosphäre mitbringt – gerade bei Filmen wie Dune. Schrecklich stelle ich mir vor, würde man diese Großproduktion auf der Couch schauen.

2. Interview mit Ildiko Enyedi

Sicherlich hat jeder seine Filme, die er vergöttert und wo man am liebsten einmal mit dem Regisseur oder der Regisseurin ein Interview führen möchte. Der Traum ging für mich in diesem Jahr in Erfüllung, da man schließlich nicht jeden Tag eine solche Möglichkeit geboten bekommt. Im Gespräch mit Ildiko Enyedi (Körper und Seele (Meisterwerk!)) konnte ich so einmal ganz persönliche Fragen stellen, weshalb dieses Erlebnis ein echtes Highlight für mich war.

3. Star Wars

Nach zehn Jahren Filmgenuss habe ich es in diesem Jahr nun endlich einmal geschafft die Star Wars Filme (Episode 1-6) nachzuholen. Obwohl ich nie einen Fuß in diese Welt fand, kann ich nun zumindest sagen, dass ich mich mit diesem Universum fast schon ein wenig anfreunden kann. Offenheit macht sich eben doch bezahlbar.

 

Meine größten Enttäuschungen 2021

1. Woman in the Window

Vor einem Jahr noch in meiner Top 3 der meist erwarteten Filme vertreten, stellte sich Woman in the Window als gleichermaßen klischeehaft und konventionell heraus. Die hohen Erwartungen einmal ignoriert, entpuppt sich Joe Wrights Thriller als Film, der sich, so hat man den Eindruck, nur an Versatzstücken früherer Werke orientiert und absolut nichts neues kreiert – und das obwohl bei diesem Stoff deutlich mehr Spielraum für künstlerische Ästhetik drin gewesen wäre.

2. Foundation

Heiß erwartet verfolgte ich die ersten Folgen von dem Science-Fiction Epos, nur um dann festzustellen, dass mir so ziemlich alle Figuren egal waren. Diese Gleichgültigkeit, die für einen Film oder eine Serie kurzerhand zum Todesurteil werden kann, ging dabei so schnell, dass es nach der dritten Folge sogar zu einem Abbruch kam. Überaus enttäuschend für mich, da ich in Foundation DIE Serie 2021 erwartet habe.

3. The Guilty

Die Filmfans, die das dänische Original kennen, scheinen sich in dem Fall relativ einig zu sein, dass dieses US-Remake all das verkörpert, was im amerikanischen Kino trotz der vereinzelten guten Filme schon jahrelang falsch läuft: fehlende Originalität, faules Kopieren und dies noch nicht einmal gut. Paradoxerweise ist dies aber fast schon ein wenig erstaunlich, da diese Geschichte weder komplex, noch aufwändig ausfällt. Schlimmer noch – das Remake erfüllt damit nicht einmal die Anforderungen für einen entspannten Sonntag-Nachmittag.

 

Meist erwartete Filme/Serien 2022

1. Project Hail Mary

Ryan Gosling im Weltraum und mutterseelenallein auf einer mysteriösen Mission – muss ich noch mehr sagen? Da mich schon die Romanvorlage von Andy Weir (Der Marsianer) sehr beeindruckte, bin ich sehr auf die Verfilmung gespannt, die hoffentlich 2022 noch erscheinen wird.

2. Herr der Ringe (Amazon)

Relativ selbsterklärend ist die ganze Welt auf die Amazon Serie zu dem Herr der Ringe-Universum gespannt und ich ganz vorn dran. Dabei gilt es viel aufzuholen, nachdem man die mehr oder weniger grausigen Hobbit-Filme als Hardcore-Fan am liebsten wieder vergessen möchte. Hier steht also viel auf dem Spiel…

3. Babylon

Da Damien Chazelle zu den talentiertesten Jung-Regisseuren der Gegenwart zählt und die Welt schon mit dem fantastischen Whiplash und dem noch fantastischeren La La Land beeindruckt hat, stellt sich die Frage, ob er mit seiner Neuproduktion über das Hollywood der späten zwanziger Jahre anknüpfen kann.