Lieferung vor Weihnachten

Die Weihnachtszeit bedeutet für Paketdienste immer Maximalstress. Das kann auch Marysia (Monika Frajczyk), die das Pech hat, einen Tag vor Weihnachten arbeiten zu müssen und zahlreiche Pakete auszuliefern hat, bevor sie endlich heim zu ihrem Sohn kann. Doch gerade als die alleinerziehende Mutter meint, alles hinter sich zu haben und den Rest des Tages genießen zu können, kommt die Hiobsbotschaft: Es kam bei der Auslieferung zu einer Reihe von Verwechslungen, alle Pakete sind bei den falschen Personen gelandet. Da bedeutet für sie, dass sie noch einmal los muss, um alles einzusammeln und an die richtigen Adressen zu bringen. Dabei läuft sie auch Krzysztof (Piotr Pacek) über den Weg, der sehnsüchtig auf sein Paket wartet. Schließlich will er seiner Freundin einen Antrag machen und braucht dafür den Ring, den sein Großvater verschicken sollte …

Liebe zu Weihnachten

Und die Weihnachtsflut auf Netflix geht weiter, jede Woche kommen mehrere Filme heraus, dazu die eine oder andere Serie. Vor allem der komödiantische Bereich wird dabei ausgiebig bedient. Zuletzt nahm der Streamingdienst Scrooge: Ein Weihnachtsmusical und Weihnachten mit Graça ins Programm auf. Die meisten dieser Titel sind dabei ziemlich austauschbar. Vor allem die Liebeskomödien sind so stark normiert, dass man allenfalls anhand des Ensembles diese noch auseinanderhalten kann. Insofern durfte man bei Lieferung vor Weihnachten im Vorfeld die Erwartungen auch weiter unten ansiedeln. Der Film hörte sich im Vorfeld nach einer weiteren beliebigen RomCom an, wie sie ständig produziert werden.

Zum Teil stimmt das auch. Wenn Marysia und Krzysztof sich relativ früher über den Weg laufen und dabei kräftig aneinandergeraten, braucht es keine übermäßigen hellseherischen Fähigkeiten, um sofort zu wissen: Da geht noch was! Klar, Krzysztof will eigentlich seiner Freundin einen Heiratsantrag machen, was es in der realen Welt eher unwahrscheinlich macht, dass er sich in Marysia verliebt. Aber Lieferung vor Weihnachten ist nun einmal ein Film und steht dabei in der Tradition zahlreicher anderer Werke, bei denen Partnerschaften ignoriert werden dürfen, solange am Ende die „richtige“ Liebe rauskommt. Solche Konstellationen gibt es bei Romanzen ständig. The Noel Diary, ein weiterer Weihnachtsfilm von Netflix, scherte sich neulich ebenso wenig darum. Es ist nicht einmal so, dass man sich sonderlich viel Mühe geben würde, um eine Beziehung zwischen ihnen aufzubauen.

Erstaunlich melancholischer Episodenfilm

Das hört sich katastrophal an. Hinzu kommt, dass man hier lange vergeblich darauf wartet, dass da tatsächlich mal etwas geschieht, was die Einteilung als Komödie rechtfertigen würde. Auch das ist nichts Ungewöhnliches, die meisten weihnachtlichen Liebeskomödien sind nicht komisch. Doch je mehr Zeit man mit Lieferung vor Weihnachten verbringt, umso mehr wird deutlich, dass es gar nicht wirklich darum geht. So gibt es hier nicht die eine Geschichte, sondern eine ganze Reihe davon. Genauer handelt es sich bei der polnischen Produktion eigentlich um einen Episodenfilm, der nur durch die Rahmenhandlung der Paketauslieferung zusammengehalten wird. Klar, überall kommt es zu Missverständnissen, eine Gemeinsamkeit der einzelnen Stränge. Doch diese dienen vor allem dazu, die einzelnen Figuren und ihre jeweiligen Geschichten zu beschreiben.

Das wird vielen nicht gefallen, da es hier kein Berieselungsfernsehen gibt, das von hübschen Schmachtobjekten bevölkert wird. Die Figuren hier haben keine Model-Qualitäten, sind zum Teil älter. Sie sind oft auch traurig: Lieferung vor Weihnachten ist von einer unerwarteten Melancholie geprägt. In Kombination mit den skurrilen Charakteren entsteht so ein Film, der denen der Kaurismäki-Brüder – zuletzt Grump – ähnlicher ist als der üblichen Weihnachtskonfektionsware. Deren Niveau erreicht das hier zwar nicht, da der Film bei aller Eigenheit doch noch zu sehr den Konventionen hinterherläuft. In dem oft mit künstlichen Süßungsmitteln zugestopften Segment des Weihnachtsfilms ist die Komödie aber einer der interessanteren Filme der letzten Zeit.