In Was man von hier aus sehen kann (Kinostart: 29. Dezember 2022) spielt Luna Wedler die junge Luise, die in einem Dorf voll skurriler Menschen aufwächst und dabei zwischen Schicksalsschlag und Todesvision ihren Weg sucht. Einfach ist das nicht, zumal ihre Großmutter Selma (Corinna Harfouch) kürzlich wieder von einem Okapi geträumt hat. Und jeder im Dorf weiß, was das heißt: Jemand muss sterben. Wir haben uns zur Premiere der Bestseller-Adaption mit Luna getroffen und uns über die Arbeit am Drama, ihre Figur und Buchadaptionen unterhalten.
Was hat dich an Was man von hier aus sehen kann gereizt? Weshalb wolltest du den Film drehen?
Es hat damit angefangen, dass Aron Lehmann, der Regisseur, bei mir angefragt hat. Das hat mich sehr gefreut und geehrt, weil ich mit ihm damals meinen ersten deutschen Film gedreht habe: Das schönste Mädchen der Welt. Seither sind wir gut befreundet und ich liebe seine Filme bzw. seine Art Filme zu machen. Er hat den Roman Was man von hier aus sehen kann von Mariana Leky genommen und umgeschrieben. Das war keine leichte Aufgabe, aus dem Buch einen Film zu machen. Ich habe dann das Drehbuch verschlungen und danach den Roman. Ich habe mich dabei in Luise und die anderen Dorfbewohner verliebt. Deswegen war es für mich ganz klar, dass ich Teil dieser Welt sein möchte.
Das heißt, du kanntest den Roman nicht, als Aron mit dem Thema ankam?
Nein, leider nicht. Ich habe dann überlegt, ob ich zuerst den Roman oder das Drehbuch lesen soll. Aron hatte mir aber dazu geraten, mit dem Drehbuch anzufangen. Und den Rat habe ich befolgt.
Der Roman war damals ein großer Erfolg und stand auf den Bestseller-Listen. Was war deiner Meinung nach der Grund, weshalb ihn so viele gelesen haben?
Ich glaube, dass sich die Leser*innen wie ich in diese Figuren verliebt haben. Leky hat da lauter Charaktere entworfen, die alle irgendwie skurril und merkwürdig sind. Aber auf eine positive Weise. Du hast da lauter lustige und berührende Dialoge. Das Buch wie auch der Film erfüllen dich mit Wärme. Du fühlst dich einfach gut dabei.
Dann kommen wir auf Luise zu sprechen. Wie würdest du sie beschreiben? Was ist sie für ein Mensch?
Luise ist als Kind sehr frech, neugierig und lustig. Sie geht tanzend durch die Welt und ist dabei sehr clever. Bis etwas sehr Schlimmes passiert, was dazu führt, dass etwas in ihr zumacht. Sie kann in der Folge den Leuten nicht mehr in die Augen schauen. Sie hat Angst davor, dass nicht mehr alle da sind, wenn sie wieder die Augen aufmacht. Das war übrigens eine Idee von Aron, im Buch kommt das so nicht vor. Ich fand es aber eine sehr schöne Idee, um zu zeigen, was dieses Ereignis mit ihr macht. Ihre guten Eigenschaften sind dabei alle noch da. Sie hat ganz viel Liebe, Wärme und Feinfühligkeit in ihr. Sie beobachtet ganz genau die Welt, selbst wenn sie nicht so viel redet. Manchmal ist sie vielleicht ein bisschen tollpatschig, aber auf eine liebenswürdige und erfrischende Weise.
Das Dorf, in dem sie lebt, ist sehr idyllisch und die Leute halten auch alle zusammen. Dennoch hatte ich beim Anschauen das Gefühl, dass sie alle auf der Stelle treten. Dass sie auch gar nicht weiter wollen, weil es an Impulsen von außen fehlt. Ist das Dorf für Luise und die anderen ein Schutzraum oder auch ein Gefängnis?
Gute Frage. Für mich ist es eher ein Schutz, eine eigene Welt, in der sie alle sein können. Manchmal würde ich mich selbst nach so einem Ort sehnen, wo du wirklich von der Außenwelt geschützt bist, auch wenn es natürlich wichtig ist, mit den weniger schönen Aspekten des Lebens konfrontiert zu werden.
Und doch merkt man bei Luise, als sie Frederik begegnet, dass sie sich nach mehr sehnt. Etwas, das ihr das Dorf so nicht bieten kann.
Das stimmt natürlich. Aber sie haben alle die Wahl. Sie alle könnten rausgehen und reisen, wie es der Vater macht, wenn sie es wirklich wollten. Niemand ist zu dem Leben gezwungen. Aber sie fühlen sich wohl damit. Deswegen ist es für mich kein Gefängnis in dem Sinn.
Könntest du dir denn vorstellen, in so einem kleinen Dorf zu leben?
Jetzt noch nicht. Gerade bin ich eher der Stadtmensch. Aber dieses Gefühl, das mit dem Dorf verbunden ist, danach sehne ich mich schon manchmal.
Trotz der Sicherheit in dem Dorf hat Luise ständig diese Schreckensvisionen in dem Film, wo sie sich das Schlimmste ausmalt. Kannst du das nachempfinden?
Total! Ich habe das sogar auch ab und zu, dass ich denke, ich könnte jetzt die Treppe runterfallen oder überfahren werden. Lustigerweise habe ich mich gerade vor Kurzem mit Freunden über das Thema unterhalten und es geht auch anderen so, dass sie solche Schreckmomente haben. Ich denke, das ist auch etwas Menschliches. Das ist allgemein etwas, das mir an dem Buch und dem Film so gut gefällt: Du hast da lauter Sachen, bei denen du merkst, dass es bei dir genauso ist, ohne dass du dir darüber bewusst warst. So die kleinen Marotten, die man hat. So etwas liebe ich!
In dem Zusammenhang habe ich mich gefragt, was einen besser auf das Leben vorbereitet: etwas Positives zu erwarten oder etwas Negatives zu erwarten? Es heißt zwar immer, dass eine positive Einstellung hilft. Gleichzeitig könnte das bedeuten, überfordert zu sein, wenn dann doch etwas sehr Negatives geschieht, wie es bei Luise der Fall war.
Das ist mal eine schwierige Frage. Ich denke, dass es für einen selbst besser ist, wenn man positiv durchs Leben geht. Wenn man auch anderen positiv begegnet und ihnen etwas gibt. Gleichzeitig sollte man aber im Hinterkopf behalten, dass nicht alles rosig ist und dass schlimme Dinge passieren können. Also ein bisschen von beidem. So versuche ich auch selbst durchs Leben zu gehen. Ich sage mir immer: Es gibt für alles eine Lösung, selbst für schlimme Situationen. Das Leben geht weiter, auf die eine oder andere Weise.
Was man von hier aus sehen kann hat neben diesem Thema viele andere, die zum Nachdenken anregen. Was hast du für dich persönlich aus dem Film mitgenommen?
Da gibt es ganz viel. Das ist ein so poetischer Film, der ganz viel in einem auslöst, ohne dass ich das richtig in Worte packen könnte. Ein Thema ist sicher der Umgang mit dem Tod. Das ist eins, das uns alle betrifft, weil wir alle einmal sterben werden. Dennoch wird ganz wenig darüber geredet. Diese Schlussszene haben wir über zwei Tage gedreht. Wie wir alle in diesem Raum gesessen haben, das war gleichzeitig so traurig und so schön. Das hat mir gezeigt, dass wir sehr viel mehr darüber reden müssen, auch mit unseren Familien. Außerdem ermuntert Was man von hier aus sehen kann dazu, so zu sein, wie man eben ist, und sich nicht hinter irgendwelchen Masken zu verstecken. Das habe ich sehr für mich mitgenommen.
Gerade erst bist du im Kino in Der Räuber Hotzenplotz zu sehen gewesen, jetzt folgt mit Was man von hier aus sehen kann kurze Zeit drauf eine weitere Romanverfilmung mit dir. Wenn du einen beliebigen Roman aussuchen könntest für eine Verfilmung, wo würdest du gern mitspielen?
Spontan fällt mir da „Die schöne Fanny“ von Pedro Lenz ein. Als ich das gelesen habe, fand ich die Frau so extrem spannend. Ich habe das tatsächlich oft, dass ich beim Lesen eines Buches denke: Wie könnte der Film dazu aussehen? Das bringt mein Beruf mit sich.
Liest du denn viel?
Früher mehr. Aber ich lese schon gern. Und wenn ich ein Buch lese, dann sehr schnell, meistens bin ich nach zwei Tagen durch. Das ist der Vorteil bei der Schauspielerei: Man reist sehr viel. Und diese Zeit nutze ich gern zum Lesen.
Letzte Frage: nächste Projekte. Was steht bei dir an?
Tatsächlich schon wieder eine Buchverfilmung: Jakobs Ross von Silvia Tschui. Regie führt hier Katalin Gödrös. Das ist mal wieder ein Schweizer Projekt, mein erstes seit langer Zeit. Ein sehr schönes Projekt, auf das ich mich sehr freue.
Vielen Dank für das Gespräch!
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