Die Beziehung zwischen Ben (Florian David Fitz) und Mira (Marie Burchard) ist schon seit einer ganzen Weile vorbei. Doch während der Polizist mit Hang zum Alkohol seiner Ex immer noch hinterhertrauert, hat sie längst ein neues Leben begonnen. Tatsächlich ist sie glücklich mit Diego (Juan Carlos Lo Sasso) liiert und erwartet von ihm ein Kind. Sie ist es auch, die sich um Oskar (Laurì) und Erna (Ava Petsch) kümmert, die Kinder, die sie mit Ben hat. Als der mal wieder an der Reihe ist, die beiden zu sich zu nehmen, macht er eine überraschende Entdeckung. Oskar trägt nun ein Kleid und will Lili genannt werden – womit Ben völlig überfordert ist …
Mainstreamkomödie zu einem Reizthema
Als Schauspieler gehört Florian David Fitz sicherlich zu den erfolgreichsten in Deutschland, ist immer wieder in großen Produktionen zu sehen. Die meisten davon sind Komödien, wie auch bei seinen letzten beiden Werken Eingeschlossene Gesellschaft und Der Nachname, die dieses Jahr im Kino zu sehen waren. Dann und wann zeigt er aber auch Ambitionen, eigene Geschichten zu erzählen. Die meisten davon sind ebenfalls eher simpel gehaltene Komödien, bei denen der Unterhaltungsfaktor überwiegen soll. Wenn es darüber hinaus gehende Nachrichten an das Publikum geben soll, wie bei 100 Dinge vor vier Jahren, wo es um unseren Umgang mit Konsum geht, werden sie dem Spaß untergeordnet. Ein bisschen Nachdenken ist erlaubt. Aber nicht so viel, dass es zu einer Zumutung werden könnte und man die breite Masse unterwegs verliert.
Das gilt auch für Oskars Kleid, wobei sich Fitz da durchaus mehr aus der Deckung traut, als es zu erwarten gewesen wäre. Kaum ein Thema wurde in den letzten Jahren zu einem vergleichbaren Streitthema wie das der Transsexualität. Früher eher eine Randerscheinung, mit der sich wenige auseinandersetzten, haben inzwischen viele erkannt, dass Transsexuelle ein dankbares Feindbild abgeben. Da ergeben sich kuriose Allianzen von rechten Berufswüterichen bis zu Feministinnen, deren einsame Gemeinsamkeit der Hass auf Menschen ist, die traditionelle Vorstellungen von Geschlechtern in Frage stellen. Insofern ist es durchaus mutig und eben auch lobenswert, eine Mainstreamkomödie zu dem Thema zu machen, die zumindest versucht, sich all dem anzunähern, und für mehr Offenheit antritt.
Inhaltlich nicht immer rund
Das bedeutet natürlich auch, dass der Tiefgang nicht der größte ist. Oskars Kleid kann und will nicht mehr als ein erster Schritt sein und gute Laune mit einem schwierigen Thema verbinden. Wer etwas genauer hinschaut, entdeckt dann auch zahlreiche Mängel. Das betrifft beispielsweise die Eltern von Ben, die mit Senta Berger und Burghart Klaußner zwar prominent besetzt sind, deren Figurenzeichnung aber sehr zu wünschen übrig lässt. Nicht nur, dass das Drehbuch zahlreiche Klischees unterbringt. Es ist nicht einmal sonderlich konsequent dabei, weil die Charaktereigenschaften sich willkürlich danach orientieren, was der Film gerade braucht, anstatt aus ihnen Menschen aus Fleisch und Blut zu machen mit klar definierten Persönlichkeiten.
Ein weiterer Knackpunkt ist der, dass der Film fast ausschließlich aus der Sicht von Ben erzählt wird. Auf der einen Seite ist das nachvollziehbar, nicht nur weil sich Fitz da selbst eine Rolle auf den Leib geschrieben hat, sondern weil der Protagonist außerdem als Identifikationsfläche dienen soll. Dieser hat alte Geschlechterbilder im Kopf, die bis zur toxischen Männlichkeit reicht, ist zur Gewalt bereit und zeigt dazu fremdenfeindliche Tendenzen. Wenn jemand wie er bekehrt werden kann, so wird in Oskars Kleid impliziert, dann können wir alle erreichen. Oder sollten es zumindest versuchen. Das ist nachvollziehbar, hat aber auch immer mal wieder fragwürdige und eher billige Witze zur Folge. Da wurde dann doch versucht, irgendwie alle unterzubekommen, egal ob das nun passt oder nicht.
Heilsame Selbstsuche
Gleichzeitig gibt es immer wieder auch gelungene Momente, wenn es weniger darum geht, wie die Erwachsenen sich um Affen machen, sondern die junge Hauptfigur im Mittelpunkt steht. Auch wenn der Spielfilm nicht so weit geht wie etwa der Dokumentarfilm Mein Name ist Violeta, bei dem sehr viele junge Transmenschen zu Wort kommen, gelingen Regisseur Hüseyin Tabak (Gipsy Queen) einige schöne Szenen, die zu Herzen gehen. Die Reise von Oskar und/oder Lili zum eigenen Ich ist noch ganz am Anfang. Stärker noch als andere in dem Alter ist die Frage, wer man ist und welchen Platz in der Welt gefunden werden kann, ein zentraler Bestandteil des Alltags. Auch wenn Oskars Kleid dabei noch keine allzu definierten Antworten gibt und geben will, so ist es doch auf eine eigene Weise heilsam, gemeinsam suchen zu dürfen – gerade auch in der rührenden Schlussszene.
OT: „Oskars Kleid“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Hüseyin Tabak
Drehbuch: Florian David Fitz
Musik: Josef Bach, Arne Schumann
Kamera: Daniel Gottschalk
Besetzung: Florian David Fitz, Marie Burchard, Laurì, Ava Petsch, Senta Berger, Burghart Klaußner, Kida Khodr Ramadan, Juan Lo Sasso
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)