
Eigentlich hatten Anna (Katia Fellin) und Louis Bürger (Max Riemelt) wieder richtig von vorne anfangen wollen und ein solides Leben führen. Ihrem zwölfjährigen Sohn Tim (Claude Heinrich) zuliebe sind sie fest entschlossen sich zusammenzureißen. Zu ihrem Unglück wird jedoch ein Wohnungsnachbar, der Polizist Jan Landrock, vor ihrem Haus erschlagen gefunden. Der Verdacht fällt sofort auf Louis, hat er doch bereits eine Vorstrafe. Zudem wurde das Opfer ausgerechnet mit Tims Baseballschläger getötet, auf dem sich die Fingerabdrücke seines Vaters befinden. Fest davon überzeugt, dass er keine faire Verhandlung zu erwarten hat, überredet der ohnehin nur auf Bewährung entlassene Louis Anna dazu, ihn aus dem Polizeigewahrsam zu befreien und gemeinsam mit ihrem Jungen zu fliehen. Doch dann kommt es ganz anders …
Geiselnahme statt Mördersuche
In der inzwischen mehr als fünf Jahrzehnte umspannenden Historie vom Tatort hat es natürlich die unterschiedlichsten Geschichten, Teams und Ansprüche gegeben, von der wechselnden Qualität ganz zu schweigen. Eines haben aber die meisten Filme gemeinsam: Am Anfang wird eine Leiche entdeckt, in den folgenden anderthalb Stunden versucht die Polizei, den Täter oder die Täterin zu ermitteln. Grundsätzlich folgt auch Die Zeit ist gekommen diesem strengen Schema, wenn zu Beginn der tote Polizist entdeckt wird. Denn irgendjemand muss ihn ja ermordet haben. Und doch geht der 1127. Teil der ARD-Krimireihe in eine etwas andere Richtung, wenn nach dem konventionellen Auftakt der Schwerpunkt des Films ein ganz anderer ist.
So weiß beispielsweise das kundige Publikum, dass Louis gar nicht der Mörder sein kann. Die Beweislast ist erdrückend, was der Logik von Krimis folgend nur bedeuten kann, dass es jemand anderes war. Normalerweise bedeutet das, dass die Polizei im Anschluss weitere Spuren entdeckt und verfolgt, auf der Suche nach der Wahrheit. In Tatort: Die Zeit ist gekommen bleibt dafür nicht wirklich Zeit, da sich schon relativ bald die Ereignisse überschlagen. Statt eines gemütlichen Whodunnit-Krimis ist dann ein Geiselnahme-Thriller angesagt, wenn das Paar sich zu einer Verzweiflungstat hinreißen lässt und dadurch in eine Situation gerät, aus der es nicht wieder hinausfindet. Gewaltsame Flucht oder zurück ins Gefängnis? Das sind beides keine sehr tollen Alternativen.
Enttäuschende Auflösung
Für die Zuschauer und Zuschauerinnen daheim vor den Fernsehern ist ein solches Dilemma hingegen keine schlechte Nachricht. Mehr oder weniger ausweglose Situationen versprechen zumindest Spannung. Teilweise löst Tatort: Die Zeit ist gekommen dieses Versprechen auch ein, wenn es zur klassischen Pattsituation kommt. Wie so oft können die Verbrecher nicht raus, die Polizei aber auch nicht rein – zumindest ohne zu riskieren, dass den Geiseln etwas geschieht. In diesem speziellen Fall kommt noch hinzu, dass der Geiselnehmer aus Verzweiflung handelt und nicht weil er im klassischen Sinn ein Antagonist ist. Wo man bei anderen Filmen „nur“ um die Gefangenen zittert, darf man hier auch Louis die Daumen drücken. Denn was auch immer er zuvor getan hat, gerecht ist es nicht, wenn ihm etwas zustoßen sollte.
So richtig spannend ist das Ergebnis dann aber trotz guter Voraussetzungen nicht, auch wenn Max Riemelt sich richtig reinhängt. Dass Geiselnahmen auf der Stelle treten, ergibt sich aus der besagten Pattsituation. Es fehlten aber die Einfälle, wie das Publikum dennoch bei Laune gehalten werden kann. Vor allem aber bei der Auflösung enttäuscht Tatort: Die Zeit ist gekommen. Da wurde so umständlich ein Tathergang und ein Motiv konstruiert, dass man das Gefühl hat, das Drehbuchduo Stefanie Veith und Michael Comtesse hätte diesen Teil völlig vergessen und erst nachträglich eingebaut. Da auch beim Ablauf des Thrillers an sich einiges geschieht, was man erst einmal schlucken muss, ist der Film in der Summe dann doch recht ernüchternd. Er mag anders sein als viele der Teile des Dauerbrenners. Anders heißt aber nicht gut.
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