Vandana Shiva – Ein Leben für die Erde
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Vandana Shiva – Ein Leben für die Erde

„Vandana Shiva – Ein Leben für die Erde“ // Deutschland-Start: 1. Dezember 2022 (Kino)

Inhalt / Kritik

Viele werden sie schon in Berichten über Umweltkonferenzen und Öko-Themen gesehen haben: Vandana Shiva, die mütterlich wirkende Inderin im Sari und mit dem großen rotem Punkt auf der Stirn, die viel kämpferischer reden kann, als man ihr das auf den ersten Blick zutraut. Aber über den Werdegang und die entscheidenden Stationen im Leben der inzwischen 70-Jährigen wissen wohl nur Weggefährten und langjährige Freunde Bescheid. Die Filmemacher Camilla und James Becket wollen das ändern. Ihr dokumentarisches Porträt konzentriert sich auf Wegmarken und einschneidende Erlebnisse, die den „Rockstar der Öko-Bewegung“ zu einer Aktivistin werden ließen, die Konzernen wie Monsanto erfolgreich die Stirn bot.

Erste Erfolge

Ein Lieblingsort ist plötzlich weg, wie vom Erdboden verschwunden. Bevor Vandana Shiva für ein Promotionsstudium nach Kanada geht, will sie noch einmal ein paar vertraute Orte in der Nähe ihrer Heimat, den Ausläufern des Himalaya besuchen. Zum Beispiel in einem Fluss schwimmen, den sie seit langem kennt. Aber das Wasser gibt es nicht mehr, und auch nicht den Eichenwald, durch den er floss. Jemand hat ihn abholzen lassen, um riesige Apfelplantagen anlegen zu lassen. „Zum ersten Mal“, erzählt sie im Film, „spürte ich den Verlust von etwas, das ein Teil von mir war“. Die Bilder sind erschreckend: kahle Flächen soweit das Auge reicht, wie Streichhölzer rutschen geschälte Baumstämme einen Abhang hinab. Der massive Eingriff in die Natur verändert das Mikroklima und den Wasserhaushalt. Als die Tochter eines Waldschützers  anderen davon erzählt, hört sie zum ersten Mal von „Chipko“, einer Bewegung von Frauen, die sich gegen die Abholzung stemmen, indem sie sich vor die Bäume stellen und sie fest umarmen. Vandana Shiva wird Mitglied der Bewegung, die letztlich Erfolg hat. 1980 stoppt die Regierung die Abholzung in der Himalaya-Region.

Schon vor diesem Schlüsselerlebnis gab es eine andere Kehrtwende im Leben der heutigen Öko-Aktivistin. Elf Jahre vor ihrem Doktortitel in Wissenschaftstheorie und Quantenphysik hatte die begabte Frau, die schon als Kind Albert Einstein verehrte, ihren Master in Kernphysik gemacht und in einem Versuchsreaktor gearbeitet. Sie war eine der wenigen Frauen, die diesen Weg einschlugen, und stolz wie Oskar. Doch eine einfache Frage ihrer Schwester Mira, einer Ärztin, brachte das fortschrittsgläubige Denken zum Einsturz. Was sie über die gesundheitlichen Auswirkungen der Strahlung wisse, wie sie etwa bei den Opfern von Hiroshima und Nagasaki zutage traten? Nichts, musste Vandana zugeben, an der Hochschule wurden solche Aspekte ausgeblendet. Diese Erkenntnis ließ sie an der Menschenfreundlichkeit der einseitig in Fachgebiete eingeteilten modernen Wissenschaften zweifeln. Sie wollte das Ganze verstehen, die Verbindungen und Wechselwirkungen zwischen den Teilen, wie es Einstein in der Quantentheorie dargelegt hatte.

Kampf um jedes einzelne Saatgut

Wie es dann weiterging mit Forschung und Aktivismus bis hin zum Kampf gegen Gentechnik und für den Erhalt der Saatgutvielfalt, erzählt die dicht mit Fakten und Geschichten gespickte Dokumentation auf eine klassische, konventionelle Art: mit vielen Interviews und „redenden Köpfen“, kombiniert mit Archivmaterial aus den unzähligen Umweltkonferenzen und den zahlreichen Kampagnen. Die Schnittdichte gibt einen schönen Überblick über die ungeheure Energie, mit der Vandana Shiva ihren Einsatz für die Rechte der Frauen, für soziale Gerechtigkeit, für die Kleinbauern und für eine nachhaltige Landwirtschaft ohne Gentechnik und industrielle Methoden vorantrieb. Man spürt ihre tiefe Überzeugung, dass es sich lohnt, für jedes Saatkorn zu kämpfen. Der Glaube an den Sieg der Menschlichkeit und Vernunft rührt nicht zuletzt daher, dass der beharrliche Einsatz für die Existenzgrundlagen der Armen kein Kampf gegen Windmühlen war, sondern die Goliaths dieser Welt häufig in die Knie zwang. Der Bayer-Konzern, der Monsanto gekauft hatte, musste zum Beispiel 2020 fast zehn Milliarden Dollar zahlen, um hunderttausende Sammelklagen in aller Welt abzuwenden.

In der Materialfülle geht allerdings die starke Persönlichkeit von Vandana Shiva, die selbst in kleinen Archivausschnitten immer durchscheint, etwas unter. Gern hätte man mehr von ihrer warmen Ausstrahlung, ihrer inneren Kraft und ihrer Freundlichkeit gesehen. Sie blitzen vor allem bei den Interviews auf, die auf ihrer Farm und Forschungsstelle geführt wurden. Gerade hier hätten sich mehr meditative Einschübe angeboten, um das Gehörte und Gesehene auf sich wirken zu lassen. Aber das Filmemacherpaar, das auf Umweltthemen spezialisiert ist, wollte wohl möglichst viele Informationen in kompakte 80 Minuten packen. Denn es ist die erste Kinodokumentation über die mutige Frau, die 1993 den „Right Livelihood Award“ erhielt, besser bekannt als „Alternativer Nobelpreis“. Insofern kann man den Unwillen, Filmzeit mit besinnlichen Passagen zu „verschwenden“, auch wieder nachvollziehen. Den Verdienst, ein dichtes und rundes Bild von Vandana Shiva und ihren zahlreichen ökofeministischen Kampagnen gezeichnet zu haben, kann man Camilla und James Becket jedenfalls nicht absprechen.

Credits

OT: „The Seeds of Vandana Shiva“
Land: USA, Australien, Indien
Regie: Camilla Denton Becket, James Becket
Drehbuch: Camilla Denton Becket, James Becket, Anthony Ellison
Musik: Volker Barber, William Goodrum
Kamera: James Becket, Loreto Di Cesare, Hronis Pehlivanidis, Kartikey Shiva, Jim Whitney

Bilder

Trailer

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Vandana Shiva – Ein Leben für die Erde
fazit
Vor ihrer mutigen Beharrlichkeit zittern Weltkonzerne: Seit rund einem halben Jahrhundert setzt sich die indische Wissenschaftlerin und Aktivistin Vandana Shiva für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen ein, für Saatgutvielfalt, Frauenrechte und klimafreundliche Landwirtschaft. Die Filmemacher Camilla und James Becket zeichnen ein informatives Porträt der starken Frau.
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