Acht Berge Le otto montagne The Eight Mountains
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Acht Berge Le otto montagne The Eight Mountains
„Acht Berge“ // Deutschland-Start: 12. Januar 2022 (Kino) // 2. Juni 2023 (DVD/Blu-ray)

Inhalt / Kritik

Als Pietro (Lupo Barbiero) mit seiner Familie in ein kleines Bergdorf fährt, weiß dieser nicht so wirklich viel damit anzufangen. Schließlich ist er das Leben in der Stadt gewohnt. Doch zu seinem Glück ist da auch Bruno (Cristiano Sassella), das einzige Kind in seinem Alter, das noch dort lebt. Gemeinsam verbringen sie viel Zeit, sind fast unzertrennlich. So unzertrennlich, dass Pietros Vater vorschlägt, dass er doch mit ihnen in die Stadt ziehen soll – was Brunos Vater aber unterbindet. Also trennen sich die Wege der zwei wieder. Und doch werden sie sich im Laufe der Jahre immer wieder sehen. So auch als Erwachsene, als Pietro (jetzt: Luca Marinelli) und Bruno (jetzt: Alessandro Borghi) zusammen eine Steinhütte bauen …

Eine ausführliche Stille

Eine Zeit lang sah es so aus, als könnte Felix van Groeningen einer der großen europäischen Regie-Exporte werden. So wurde sein Drama The Broken Circle weltweit gefeiert. Sein Folgewerk Belgica machte zwar weniger Wellen, gilt heute aber als Kultfilm. Mit Beautiful Boy sollte dann der nächste Schritt auf der Karriereleiter getätigt werden. Das englischsprachige Debüt des Belgiers erhielt zwar gute Kritiken, floppte aber trotz hochkarätiger Besetzung – allen voran Steve Carell und Timothée Chalamet – an den Kinokassen. Anschließend verschwand er von der Bildfläche und tauchte erst vier Jahre später wieder mit Acht Berge auf. Dafür hat er diesmal tatkräftige Unterstützung durch seine Lebenspartnerin Charlotte Vandermeersch, die sich mit ihm Regiestuhl und Drehbucharbeit teilte.

Die Geschichte selbst stammt dabei jedoch von keinem von beiden. Vielmehr handelt es sich bei dem Drama um die Adaption des gleichnamigen 2017 veröffentlichten Romans von Paolo Cognetti. Wobei man sich beim Anschauen des Films kaum vorstellen kann, dass es hiervon tatsächlich eine rein aus Worten bestehende Fassung geben soll. Im fertigen Werk ist davon zumindest nicht viel zu hören. Acht Berge mag die Geschichte einer langjährigen Freundschaft erzählen, verzichtet aber, dies über Dialoge tun zu wollen. Stattdessen ist die Beziehung der beiden davon geprägt, dass sie nur recht wenig sagen, weder zueinander noch zu anderen. Das ist in Kombination mit der sparsamen Handlung und einer Laufzeit von rund 150 Minuten zwar eine Herausforderung, Gleichzeitig ist es eine Wohltat, da viele Filme dann doch darauf vertrauen, alles durch Sprache festhalten zu wollen, was sie anderweitig nicht zeigen können. Van Groeningen und Vandermeersch sind sich hingegen einig, dass auch eine Stille etwas vermitteln kann.

Viele Fragen in idyllischer Umgebung

Das kann sie, zumindest in diesem Fall, da das Regie-Duo bei der Besetzung ein glückliches Händchen bewiesen hat. Die anspruchsvollste Aufgabe kommt in Acht Berge dabei naturgemäß den erwachsenen Ausgaben der beiden Protagonisten zu. Während die Kinder noch ganz am Anfang ihres Lebens stehen und den Alltag allein schon durch ein Herumtollen durch die Gegend füllen können, müssen die älteren Versionen sich mit stärker existenziellen Fragen auseinandersetzen. Sie haben Geschichten erlebt, mussten Rückschläge hinnehmen bei der Suche nach sich selbst. Tragen auch Verletzungen in sich, die man hinter den Rauschebärten nicht sofort sieht. Luca Marinelli (Martin Eden) und Alessandro Borghi (Auf meiner Haut) überzeugen mit intensiven Darstellungen, bei denen vieles direkt unter der Oberfläche brodelt, unausgesprochen und zum Teil sicher auch nicht ganz verarbeitet.

An Themen mangelt es dabei nicht. Da ist das der Freundschaft natürlich sowie das der Familie, wenn beide Männer stark von den Vätern geprägt wurden. Es gibt den Gegensatz von Stadt und Land, auch wenn die Geschichte überwiegend in den Bergen spielt. Ganz allgemein stellt der Film die Frage, wie viel von dem, der wir sind, das Ergebnis unserer Einflüsse. Was wäre aus Bruno geworden, wenn er nicht in dem Dorf gelebt hätte? Weshalb ist Pietro durch die Welt gereist und doch nie angekommen? Acht Berge, das im Wettbewerb von Cannes Weltpremiere feierte und anschließend auf einer Reihe anderer Festivals zu sehen war, lädt das Publikum ein, sich vor einem idyllischen Panorama ganz grundsätzlich Gedanken zu machen – über das Leben, die Menschen und sich selbst. Antworten werden hier keine mitgeliefert. Nicht einmal eine Anleitung, wie man sie finden könnte. Aber doch genug Material, mit dem man selbst etwas zusammenbauen darf.

Credits

OT: „Le otto montagne“
IT: „The Eight Mountains“
Land: Italien, Belgien, Frankreich
Jahr: 2022
Regie: Felix van Groeningen, Charlotte Vandermeersch
Drehbuch: Felix van Groeningen, Charlotte Vandermeersch
Vorlage: Paolo Cognetti
Musik: Daniel Norgren
Kamera: Ruben Impens
Besetzung: Luca Marinelli, Alessandro Borghi, Filippo Timi, Elena Lietti, Cristiano Sassella, Lupo Barbiero, Andrea Palma, Francesco Palombelli, Elisabetta Mazzullo

Bilder

Trailer

Interview

Wer mehr über den Film erfahren möchte: Wir hatten die Gelegenheit, uns mit Felix van Groeningen und Charlotte Vandermeersch zu unterhalten, die Regie geführt und das Drehbuch geschrieben haben. Im Interview sprechen wir unter anderem über Freundschaften, familiäre Bindungen und den Gegensatz Stadt und Land.

Felix Van Groeningen / Charlotte Vandermeersch [Interview]

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Acht Berge
fazit
„Acht Berge“ begleitet zwei Freunde von Kindheitstagen bis ins Erwachsenenalter. Viele Worte verwendet die Romanadaption nicht, hat aber doch viel zu sagen. Vor allem viel zu fragen: Das Drama schneidet Themen wie Freundschaft, Familie, Selbstverwirklichung sowie den Gegensatz von Stadt und Land an, ohne dem Publikum Antworten vorzugeben.
Leserwertung164 Bewertungen
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8
von 10