Während die jungen Schwestern Lisa (Lotta Herzog) und Marie (Naila Schuberth) alleine im Zug nach Berlin sitzen, fällt plötzlich in ganz Europa der Strom aus. Ihre Mutter Frauke (Marie Leuenberger) arbeitet fürs Bundesministerium des Inneren und wird zur Leiterin des nationalen Krisenstabs. Noch weiß niemand so richtig, was los ist, die meisten gehen aber von einer kurzzeitigen Störung aus – auch auf offizielle Aussage der verschiedenen Kraftwerkbetreiber hin. Nur Pierre Manzano (Moritz Bleibtreu) hat eine andere Theorie: Der ehemalige Hacker vermutet einen gut vorbereiteten terroristischen Anschlag. Aufgrund seiner Vergangenheit als Aktivist hat er Insiderinformationen, die zur Ergreifung der Täter, vor allem aber zur Wiederherstellung der Stromversorgung führen könnten. Statt mit ihm zusammenzuarbeiten, macht Europol aber lieber Jagd auf ihn …
Fragen über Fragen
Die ersten neun Minuten von Blackout reichen schon wieder aus, um das Blut jener in Wallung zu bringen, die sowieso schon wenig mit der deutschen Filmlandschaft anfangen können. Dialoge, Handlung und Schauspiel sind hier wahrlich nicht dafür geeignet, so jemanden von seiner Meinung abzubringen. Als nach dem europaweiten Blackout der Zug mit den zwei Mädchen stillsteht, fragt eine davon den Fahrkartenkontrolleur, ob es hier Wölfe gäbe. Also Kinder sind ja vielleicht nicht unbedingt die rationalsten Wesen der Welt, aber das ist schon eine seltsam deplatzierte Frage. Es ist schon klar, dass damit gezeigt werden soll, dass die jungen Damen mit der Situation überfordert sind und Angst haben, aber da hätte ein guter Autor sie vielleicht eher „Stecken wir jetzt für immer hier fest?“ oder etwas Ähnliches fragen lassen, das besser durchdacht ist als dieser spontane Wegwerfvorschlag. Da hört es ja aber noch nicht auf. Die Frage mag nicht die passendste sein, aber aufgrund der emotionalen Aufgewühltheit können wir ja noch darüber hinwegsehen, wenn es sein muss.
Der Kontrolleur jedoch antwortet mit „Die gibt’s nur im Märchen“ und was um alles in der Welt soll das denn für eine Aussage sein? Wieso sollen Wölfe auf einmal Fabelwesen sein und wieso sollen die Kinder glauben, dass Wölfe einfach so im Zug sein könnten und überhaupt was ist das hier wieder alles … Der Fairness halber muss erwähnt werden, dass er kurz danach darauf hinweist, dass sie im Zug (und somit sicher) seien, und natürlich war das mit dem Märchen auch nur beruhigend gemeint, aber diese Schreibe tut den Schauspielern einfach keinen Gefallen. Während die drei hier Beteiligten ihre Sache den Umständen entsprechend noch ganz gut machen (und gerade bei den Kinderdarstellern zu erkennen ist, dass sie eine schauspielerische Zukunft haben könnten, wenn Drehbuch und Regie stimmen), überzeugt der Großteil des restlichen Casts leider so gar nicht. Bleibtreu und Lauterbach sind erwähnenswerte Ausnahmen, Herbert Knaup hat seine Momente (gute wie schlechte).
Zu wenig geliefert
Bei sechs Folgen zu je etwa 45 Minuten machen 9 Minuten ungefähr ein Dreißigstel der Gesamtlaufzeit von Blackout aus. Einzig die Prämisse und Moritz Bleibtreu liefern einigermaßen brauchbare Argumente dafür, die Sichtung nicht einfach abzubrechen, was entschieden zu wenig ist. Vor allem am Anfang muss der Zuschauer doch direkt das Gefühl bekommen, dass er es sich schlicht nicht leisten kann, hier abzuschalten. Er muss doch unbedingt erfahren wollen, wie es weitergeht. Stattdessen müssen wir uns anschauen, wie Marie Leuenberger nicht nur in ihrer Rolle verbal mit einer Dame am Informationsschalter des Berliner Bahnhofs kämpft, sondern sich auch erfolglos mit Sätzen wie „Ich BIN die Behörde!“ herumplagt.
Bei der Adaption zerstückelt
Es mag kontraintuitiv wirken, aber die literarische Vorlage einer Adaption zu kennen ist für deren Bewertung ein Nachteil. Buch und Film/Serie sind zwei völlig verschiedene Medien, die immer unterschiedliche Möglichkeiten, Stärken und Schwächen haben. Die Adaption muss immer für sich selbst stehen können und bewertet werden, was durch die Kenntnis der Vorlage jedoch enorm erschwert wird. Ein negativer Aspekt einer Adaption wird zum Beispiel durch ein „ja, aber war ja in der Vorlage genau so“ nicht besser. Vice versa verliert ein positiver Aspekt nichts, wenn er originalgetreu übernommen wurde.
Beim Versuch, den Roman von Marc Elsberg zu verfilmen, müssen naturgemäß Passagen ausgelassen und dürfen gleichermaßen alle Elemente verändert oder etwas hinzugefügt werden. Leider öffnet einiges von dem hier Weggelassenen Logiklöcher oder schafft Verständnisprobleme. Die ausführlichen technischen Erklärungen des Buches haben in einer Thrillerserie tatsächlich nichts zu suchen, da sie nur den Betrieb aufhalten würden. Dennoch wäre es nicht verkehrt gewesen, dem Zuschauer etwas zu präsentieren, das nicht gefühlt alle zehn Minuten hinterfragt werden muss. Zumal ein nicht geringer Teil des Publikums natürlich unter den Lesern des Buches akquiriert wird, die von einer Verfilmung erwarten, dass sie exakt ihren Erwartungen entspricht. Denen dürfte vor allem die letzte Episode missfallen, welche die Tür für eine mögliche zweite Staffel öffnet.
Flott und optisch kompetent
Immerhin gelingt es Blackout, die verschiedenen Handlungsstränge im Laufe der Serie miteinander zu verknüpfen. Gerade jene, bei denen es zu Beginn keinerlei offensichtlichen Zusammenhang gab. An der Kameraführung und der generellen Optik gibt es kaum etwas auszusetzen, gleiches gilt für das Pacing. Blackout wurde mit insgesamt über dreieinhalb Millionen Euro von den üblichen Verdächtigen gefördert, und auch wenn stattdessen etwas Vernünftiges von dem Geld hätte umgesetzt werden können, sieht man ihr den Production Value wenigstens an.
OT: „Blackout“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Oliver Rihs, Lancelot von Naso
Drehbuch: Kai-Uwe Hasenheit, Lancelot von Naso
Vorlage: Marc Elsberg
Musik: Peter Hinderthür, Stefan Will, Florian Tessloff
Kamera: Kolja Brandt, Jann Döppert
Besetzung: Moritz Bleibtreu, Stephan Kampwirth, Naila Schuberth, Lotta Herzog, Marie Leuenberger, Francis Fulton-Smith, Milena Dreißig, Heiner Lauterbach, Herbert Knaup, Pia Micaela Barucki, Barry Atsma, Oliver Bröcker, Hannah Hoekstra, Lea van Acken, Jessica Schwarz, Lena Klenke
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