Das Hamlet Syndrom
© Kundschafter Filmproduktion

Das Hamlet Syndrom

„Das Hamlet Syndrom“ // Deutschland-Start: 19. Januar 2023 (Kino)

Inhalt / Kritik

Bald ein Jahr ist es her, dass Russland eine erneute Invasion in der Ukraine begann, mit dem Ziel, den souveränen Staat einzuverleiben. Während das hierzulande zahlreiche Menschen schockierte, schließlich war ein Krieg in Europa undenkbar geworden, handelt es sich natürlich nur um die Fortsetzung des längst bestehenden Krieges. Seit 2014 wird im Osten des Landes gekämpft, von der Annexion der Halbinsel Krim ganz zu schweigen. Daran erinnert auch Das Hamlet Syndrom, wenn wir hier eine Reihe junger Männer und Frauen kennenlernen, die überwiegend kurz vor oder nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion geboren wurden. Den Kalten Krieg haben sie nicht miterlebt, einen tatsächlichen Krieg auch nicht – bis Russland vor einigen Jahren die Waffen auspackte. Was macht es mit solchen Menschen, die sich auf einmal mit dem Thema auseinandersetzen müssen?

Fünf Lebensgeschichten

Das Regieduo Elwira Niewiera und Piotr Rosołowski, das zuvor schon Der Prinz und der Dybbuk gedreht hat, unterhält sich ausführlich mit den insgesamt fünf Protagonisten und Protagonistinnen. Sie alle dürfen in Das Hamlet Syndrom ihre Geschichten erzählen, schildern, wie die vergangenen Jahre für sie gewesen sind. Die sind sehr unterschiedlich. Stylist und Filmkostümdesigner Rodion berichtet von Homophobie und seinem Einsatz für die LGBT-Community. Slavik unterbrach sein Schauspielstudium, um im Krieg für sein Vaterland zu kämpfen, wo er in Gefangenschaft geriet. Katya engagierte sich während der Maidan-Proteste und meldete sich ebenfalls freiwillig, um bei dem Kampf gegen die Aggressoren zu unterstützen.

Besonders hart sind auch die Erzählungen von Roman, der im einen Moment noch als Schauspieler auf der Bühne stand, um im nächsten als Sanitäter auf dem Schlachtfeld Menschen retten zu müssen. Er schildert anschaulich, was es heißt, wenn dein Leben vom einen Tag zum nächsten auf den Kopf gestellt wird. Alles, was zuvor wichtig war und Alltag war, verschwand. Er musste Aufgaben erfüllen, die ihn bis an seine Grenzen brachten und Unmenschliches von ihm verlangten. Die fünfte Protagonistin in Das Hamlet Syndrom ist Oxana, eine weitere Schauspielerin, die sich zuvor bei den Maidan-Protesten engagierte und sich zudem für einen Wandel innerhalb der Theaterszene stark machte, das zu seicht und zu korrupt war.

Künstlerische Verarbeitung des Leids

Dass in dem Dokumentarfilm so viele Leute auftauchen, die mit Schauspielerei zu tun haben, ist dabei kein Zufall. Schließlich treffen wir sie bei einem Theaterprojekt, welches die Erfahrungen der fünf künstlerisch im Rahmen einer Inszenierung verarbeiten soll. Dabei geht es weniger um eine Aufführung von William Shakespeares berühmten Werk Hamlet als vielmehr die existenziellen Fragen, die dabei aufgeworfen werden. Das Hamlet Syndrom besteht aus dem Porträt der Protagonisten und Protagonistinnen. Diese Einzelschicksale werden jedoch miteinander verknüpft, das Kollektiv stellt sich gemeinsam den Erfahrungen der vergangenen Jahre. Aber auch den Zielen und Wünschen, wie es mit ihnen und der gemeinsamen Heimat weitergehen soll.

Zu dem Zeitpunkt, als der Film gedreht wurde, war die zweite Stufe des Kriegs, die im Februar 2022 begonnen hat, noch Zukunft. Vieles von dem, was wir hier in anderthalb Stunden zu hören bekommen, ist daher einer neuen Realität gewichen: Gleich drei der fünf Interviewten sind erneut in den Krieg gezogen. Überholt ist Das Hamlet Syndrom dadurch aber nicht. Vielmehr handelt es sich um ein bedrückendes Porträt einer Generation, die in vielfacher Hinsicht um die eigene Freiheit kämpft. Auf eine Weise kämpfen muss, die hierzulande den meisten fremd sein dürfte. Alleine dafür lohnt es sich, die Dokumentation anzuschauen: Sie macht das, was wir aus den Nachrichten kennen, greifbar und persönlich. Zeigt, was es heißt, in einem Land mit einer unsicheren Zukunft zu leben und einen eigenen Weg darin zu suchen.

Credits

OT: „Das Hamlet Syndrom“
Land: Polen, Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Elwira Niewiera, Piotr Rosołowski
Drehbuch: Elwira Niewiera, Piotr Rosołowski
Musik: John Gürtler, Jan Miserre
Kamera: Piotr Rosołowski

Bilder

Trailer

Filmfeste

Locarno Film Festival 2022
DOK Leipzig 2022

Kaufen / Streamen

Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.




(Anzeige)

Das Hamlet Syndrom
fazit
„Das Hamlet Syndrom“ stellt fünf Menschen vor, zwischen Ende 20 und Mitte 30, und wie das Leben in der Ukraine ist. Der Dokumentarfilm spielt dabei zwar vor dem aktuellen Krieg, zeigt aber anschaulich, wie bereits der von 2014 ihr Leben beeinflusst. Herausgekommen ist ein Porträt, das betroffen macht und veranschaulicht, in einer solchen Situation leben zu müssen.
Leserwertung1 Bewertung
9.9