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Dominik Moll [Interview]

In der Nacht des 12. (Kinostart: 12. Januar 2023) folgt dem Polizisten Yohan (Bastien Bouillon), der mit seinem Team einen schrecklichen Fall zu klären hat: Ein Unbekannter hat nachts auf offener Straße eine junge Frau namens Clara mit Benzin übergossen und angezündet, sodass diese bei lebendigem Leib verbrennt. Die Suche nach dem Schuldigen gestaltet sich jedoch schwierig, da es zahlreiche Männer im Leben der Verstorbenen gab, die als Täter in Frage kommen. Wir haben Regisseur und Co-Autor Dominik Moll während der Französischen Filmwoche interviewt und mit ihm über seinen Krimi gesprochen.

Könntest du uns etwas über die Entstehungsgeschichte von In der Nacht des 12. erzählen? Wie kam es zu dem Film?

Es war nicht so, dass ich unbedingt einen Krimi drehen wollte oder etwas über Polizeiarbeit erzählen wollte. Bei mir sind es oft Zufallsbegegnungen, die bei mir die Lust zu einem Film auslösen. Bei In der Nacht des 12. war es so, dass ich auf das Buch 18.3 – Une Année à la PJ der Autorin Pauline Guéna gestoßen bin. Sie hat 2016 ein Jahr bei der Kripo in Versailles verbracht und war wirklich jeden Tag dort. Ihre Erfahrungen, die sie dort in den verschiedenen Abteilungen gesammelt hat, ob Mordkommission oder Drogen, hat sie in ihrem Sachbuch festgehalten und die tägliche Arbeit beschrieben. Eine dieser Geschichten war die um den Mord an einer jungen Frau. Ich habe sofort gemerkt, dass da etwas an der Sache dran ist und mich das interessiert. Der Polizist, der in diesem Fall ermittelte, war völlig besessen und wollte unbedingt den Mörder finden. Er schafft es aber nicht. Das machte die Geschichte für mich auch so interessant. Die Spielregeln des Krimis sagen, dass es am Anfang den Mord gibt und am Ende die Auflösung, wer ihn begangen hat. Das war hier nicht der Fall. Klar hat es auch andere Filme gegeben in diese Richtung, zum Beispiel Zodiac – Die Spur des Killers von David Fincher. Dennoch fand ich das reizvoll. Ich wollte zum einen etwas über die Polizeiarbeit erzählen und dabei auch zeigen, dass man Spannung anders erzeugen kann als mit dem Finden eines Mörders. Deswegen habe ich gleich am Anfang auch gesagt, dass der Mordfall einer von den 20 Prozent sind, die jedes Jahr nicht aufgeklärt werden.

In deinem Film legst du einen besonders großen Schwerpunkt auf die Ermittler und wie sie mit der Situation umgehen. Was macht es mit einem Polizisten, wenn er die eine Aufgabe, die er hat, nicht erfüllen kann?

Das ist natürlich schwierig. Zur Arbeit von Yohan gehört, dass er den Fall löst. Das ist Teil seines Selbstverständnisses. Wobei du das nicht verallgemeinern kannst. In Frankreich macht man zum Beispiel einen Unterschied, ob der Mord in einem Drogenmilieu stattgefunden hat oder ob es sich um ein wirkliches Opfer handelt. So wie Clara, die wahrscheinlich von einem ihrer Ex-Liebhaber getötet wurde. Bei Leuten im Drogenmilieu handelt es sich um Verbrecher, die bewusst diese Gefahr auf sich genommen haben. Bei einer jungen Frau, die die Tochter des Polizisten sein könnte oder seine Freundin oder Schwester, ist das deutlich schwieriger. Der Film erzählt, wie sie weiterhin in seinem Kopf ist und er das Gefühl hat, es ihr schuldig zu sein, dass er den Fall löst. Dass er das nicht kann, nimmt ihn schon sehr mit.

La Nuit du 12 In der Nacht des 12
Szene aus „In der Nacht des 12.“: Yohan führt eines der vielen schwierigen Gespräche, um den Mord an der jungen Clara zu klären. (© Ascot Elite Entertainment)

Und wie sieht es mit der sonstigen Arbeit aus? Die meisten Fälle werden ja gelöst.

Die die Arbeit in diesem Bereich nimmt einen allgemein sehr mit. Ständig von Gewalt und Tod umgeben zu sein, das ist nicht einfach. Hinzu kommt, dass in diesem Bereich überwiegend Männer arbeiten. Und die reden nicht unbedingt darüber, wie es ihnen geht, auch weil sie keine Schwäche zeigen wollen. Es gibt zwar Psychologen, zu denen sie gehen können. Das tun sie aber nur sehr selten und fressen das lieber in sich hinein. Das kann dann dazu führen, dass mal einer ausrastet, wie es bei Marceau in dem Film der Fall ist. Oder sie begehen Selbstmord. Die Selbstmordraten bei der französischen Polizei sind hoch. Bei In der Nacht des 12. ist es dann auch so, dass das einzige Mal, dass Yohan über seine Gefühle spricht, bei einer Frau ist: der Untersuchungsrichterin. Und eben nicht bei seinen Kollegen.

Du hast gemeint, dass Yohan sich der Toten gegenüber verpflichtet fühlt. Wie sieht es mit den Eltern aus? Hätte es überhaupt einen Unterschied gemacht zu wissen, wer der Täter ist? An der Sache selbst hätte das schließlich nichts geändert.

Ich glaube schon, dass es einen Unterschied macht. Zum einen ist es natürlich ganz schrecklich, das eigene Kind auf diese Weise zu verlieren. Und dann noch zu wissen, dass der Mörder frei rumläuft und nicht einmal für seine Tat bestraft wird, das muss fürchterlich sein. Du brauchst das für deine Trauerarbeit. Da geht es nicht nur darum, dass jemand, der gefährlich ist, aus der Gesellschaft entfernt wird. Die Angehörigen der Opfer brauchen diesen Abschluss, um selbst einen Abschluss finden zu können.

Du hast schon den Unterschied Mann und Frau angesprochen. Das spielt auch in deinem Film eine große Rolle. Man sieht lauter Beziehungen, die nicht wirklich welche sind. An einer Stelle heißt es auch, dass da grundlegend etwas verkehrt läuft zischen Mann und Frau. Siehst du das selbst so oder ist es Zufall, wenn es an dem Ort in deiner Geschichte so gehäuft auftritt?

Im Film ist es natürlich gehäuft, weil wir das auch thematisieren. Aber ich denke schon, dass da etwas Wahres dran ist. Das soll nicht heißen, dass es nicht auch tolle und glückliche Beziehungen zwischen Männern und Frauen gibt. Da soll man nicht verallgemeinern. Die Zahl an Frauen, die Männergewalt ausgeliefert sind, ist aber schon sehr hoch. Das sagt dann schon aus, dass da etwas nicht stimmt.

In dem Zusammenhang ist auch auffällig, wie männerlastig das Ermittlerteam ist. Eine der Figuren sagt auch irgendwann im Film, dass es irgendwie seltsam ist, dass nur Männer die Verbrechen von Männern gegenüber Frauen aufklären. Würde es denn einen Unterschied machen, wenn mehr Frauen bei Polizei und Justiz arbeiten würden?

In der Justiz arbeiten viele Frauen. In Frankreich ist es sogar so, dass mehr Frauen den Richterberuf ausüben als Männer. Bei der Polizei ist das anders. Wobei ich nicht sagen würde, dass Frauen den Job besser machen würden als Männer. Es wäre unsinnig, die Männer jetzt einfach durch Frauen ersetzen zu wollen. Ich finde aber, dass es wichtig wäre, wenn es zu einer stärkeren Zusammenarbeit von Männern und Frauen kommen würde, nicht nur bei der Polizei.

Kommen wir noch einmal auf die Beziehungen von Clara zu den Männern zurück. In der Nacht des 12. beschreibt, wie flüchtig und unverbindlich das alles war. Für die jungen Menschen ist das ein Ausdruck von Freiheit, sich nicht mehr fest binden zu müssen. Siehst du das selbst als einen Gewinn oder einen Verlust an?

Weder noch. Ich persönlich glaube eher an längere Beziehungen, bei denen man sich gut kennenlernt und wirklich Sachen miteinander teilt. Manche sind aber glücklicher damit, wenn es unverbindlich bleibt. Was mir wichtig war: Diese Lebensweise sollte nicht dazu verwendet werden, um die Frauen zu verurteilen, wie es bei Clara der Fall ist. Da heißt es dann, dass sie vielleicht auch selbst dafür verantwortlich ist, wenn sie getötet wurde. Wenn ein Mann viele Beziehungen hat, wird das als etwas Positives angesehen. Bei Frauen wird das Urteil schnell negativ. Und das geht eben nicht. Wenn Frauen ein solches Leben führen wollen, dann haben sie dasselbe Recht wie Männer.

Eine ganz andere Frage noch. In der Nacht des 12. ist an vielen Stellen ein sehr bedrückender Film als Zuschauer, ob es nun der Mord ist, die Auswirkungen auf die Ermittler oder eben die Mann-Frau-Beziehungen. Wie ist es, einen solchen Film selbst zu machen? Was macht das mit dir, wenn du eine solche Geschichte erzählst?

Natürlich hat der Film etwas Bedrückendes, weil der Mordfall schrecklich ist und es nicht immer erfreulich ist, was er über Männer und Frauen zu sagen hat. Die Arbeit an der Geschichte war für mich weniger bedrückend. Mir war es auch wichtig, dass der Film nicht nur bedrückend ist. Er soll auch etwas Positives und Optimistisches haben. Yohan macht im Laufe des Films eine Entwicklung durch. Er lernt es, sich Fragen zu stellen und zuzuhören, was die Frauen ihm zu sagen haben. Durch das Gespräch mit den Frauen findet er auch den Mut weiterzumachen. Das ist etwas, das sehr wichtig ist, ganz allgemein. Ich wollte dem Publikum mitgeben, selbst in schwierigen Situationen nicht aufzugeben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person
Dominik Moll wurde am 7. Mai 1962 in Bühl als Sohn eines Deutschen und einer Französin geboren. Er studiert am City College in New York sowie dem Institut des hautes études cinématographiques in Paris. 1987 drehte er seinen ersten Kurzfilm Le Gynécologue et sa secrétaire, einen von sechs während seines Studiums. Für die schwarze Komödie Harry meint es gut mit dir (2010) erhielt er einen César für die beste Regie. Während seiner Karriere arbeitete er mehrere Male mit Gilles Marchand zusammen, so auch bei In der Nacht des 12., das 2022 bei den Filmfestspielen von Cannes Premiere feierte.



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