Eigentlich würden Katja Baumann (Simone Thomalla) und Tom Kleinke (Jan Sosniok) ja lieber den ganzen Tag im Bett bleiben. Dummerweise haben sie aber Katjas bester Freundin Leslie Wolff (Nadine Wrietz) versprochen, mit ihr und ihrem neuen Freund Ali Öz (Aykut Kayacik) in die Berge zu fahren. Doch noch ehe sie dort ankommen, müssen sie entsetzt feststellen, dass die Gondel ihrer Seilbahn auf halbem Weg nicht weitergeht. Zusammen mit dem Paar Alexandra (Pia Amofa-Antwi) und Philipp May (Manuel Feneberg) sowie Luise König (Susanne Schäfer) stecken sie erst einmal fest, können weder vor noch zurück. Gleichzeitig machen sich Lilly Engel (Julia Beautx) und Nora Kleinke (Aniya Wendel) auf die Suche nach einer Katze, die der sterbenden Marga Stein (Christine Ostermayer) gehört, die von Pfarrer Sonnleitner (Johannes Herrschmann) betreut wird …
Viele Probleme auf engem Raum
Wenn Menschen auf engem Raum eingeschlossen sind, dann ist das fast grundsätzlich eine sehr unangenehme Situation. Kein Wunder also, dass viele Thriller auf solche Szenarien zurückgreifen und die Figuren in die unmöglichsten Settings zwingen. Ein besonders unheimliches ist das einer Gondel, wie Abgerissen vor einigen Jahren demonstrierte. Dort blieben fünf Freunde an Silvester stecken und mussten um ihr Leben fürchten. Würden sie da noch einmal heil herauskommen? Theoretisch trifft das auch auf Frühling: Eine Handvoll Zeit zu. Zumindest Leslie leidet bald schon an Todesangst. Praktisch weiß das Publikum aber natürlich, dass dabei nichts geschehen kann. Schließlich haben wir es hier immer noch mit einem Film der Herzkino-Programmschiene zu tun. Da darf nicht nichts ganz Schlimmes geschehen.
Der Schwerpunkt liegt ohnehin woanders. Bei der ZDF-Filmreihe Frühling geht es praktisch immer um irgendwelche zwischenmenschlichen Probleme, welche die Bewohner und Bewohnerinnen des gleichnamigen Ortes mit sich herumschleppen. Und es geht um Katja, die immer tatkräftig dabei hilft, dass diese Probleme gelöst werden. Das ist beim 38. Teil Eine Handvoll Zeit nicht anders. Dieses Mal muss sich die Dorfhelferin nicht einmal vom Fleck bewegen, die jeweiligen Probleme kommen zu ihr. Die des latent nervigen Social-Media-Paares sind noch zu vernachlässigen. Die sind letztendlich nur dafür da, damit à la Das perfekte Geheimnis persönliche Geschichten vor allen ausgebreitet werden müssen, was nicht nur für die Anwesenden eine unangenehme Erfahrung ist.
Idyllische Oberflächlichkeit
Dass die ganzen schwierigen Nachrichten genau dann eintreffen, wenn die sieben in der Gondel feststecken, ist ohnehin eine typische Drehbuchkonstruktion, wie man sie bei Autorin Natalie Scharf (Gestern waren wir noch Kinder) immer findet. Glaubwürdigkeit interessiert sie einfach nicht. Im Deckmantel der Alltagsgeschichten tischt sie die unglaublichsten Geschichten auf. Gleichzeitig drückt sie sich davor, dann auch mal tatsächlich die Probleme anzugehen. So wird der nicht aufgearbeitete Konflikt von Luise König mit ihrer Stiefmutter nie ausformuliert. Frühling: Eine Handvoll Zeit begnügt sich damit zu sagen, dass die Situation schwierig war und König allen Grund hat sauer zu sein, selbst Jahrzehnte später. Das mag durchaus sein. Es bleibt aber so schwammig, dass man als Zuschauer bzw. Zuschauerin kaum etwas nachfühlen kann.
Schauspielerisch ist das durchaus in Ordnung, zumindest innerhalb des Rahmens, den das Drehbuch vorgibt. Und natürlich liegt ein Teil des Reizes dieser Filme in dem idyllischen Setting. Ob wir nun an der Seite der jungen Frauen durch das ewig grüne Dorf laufen oder von der Gondel aus das Bergpanorama bewundern: Das kann sich alles schon sehen lassen. Trotz der ernsten Themen, die das TV-Drama anspricht, bleibt es aber bei Oberflächlichkeiten. Wenn Frühling: Eine Handvoll Zeit zum Ende aus der Situation noch eine Lebensweisheit raushaut, dann nicht, weil diese sich irgendwie im Laufe der anderthalb Stunden erarbeitet wurde. Das gibt es eher als Geschenk obendrauf, ob man nun will oder nicht.
OT: „Frühling: Eine Handvoll Zeit“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Tom Zenker
Drehbuch: Natalie Scharf
Musik: Christoph Zirngibl
Kamera: Peter Krause
Besetzung: Simone Thomalla, Kristo Ferkic, Johannes Herrschmann, Jan Sosniok, Nadine Wrietz, Aykut Kayacik, Pia Amofa-Antwi, Manuel Feneberg, Susanne Schäfer, Julia Beautx, Aniya Wendel, Christine Ostermayer
Die sonntags auf dem ZDF ausgestrahlte Reihe Herzkino gehört zu den Dauerbrennern des Senders. Seit 1987 laufen, damals noch unter dem Titel Der große ZDF Sonntagsfilm, deutsche Dramen, die sich meistens mit Familien- und Liebesgeschichten befassen. Mehrere Hundert Titel wurden so im Laufe der letzten Jahrzehnte produziert. Unten findet ihr alle unsere bisherigen Rezensionen zu diesem Thema auf einen Blick.
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