Eigentlich hat Franz Fröstl (Jossi Jantschitsch) ein ganz gutes Leben. Er hat Eltern (Ursula Strauss, Simon Schwarz), die ihn lieben, ist gut mit Gabi (Nora Reidinger) und Eberhard (Leo Wacha) befreundet. Und doch, richtig glücklich ist er nicht. So macht es ihm zu schaffen, dass er kleiner ist als andere, lauter Locken hat und eine Piepsstimme bekommt, wenn er sich aufregt. Spott an der Schule gehört dadurch zum Alltag. So sehr er auch dagegen ankämpft, da sind immer welche, die sich über ihn lustig machen und ihm sagen, er sei in Wahrheit doch ein Mädchen. Dabei will er doch nur dazugehören und von anderen akzeptiert werden! Aber damit soll jetzt Schluss sein. Schließlich hat er im Internet Hank Haberer (Philipp Dornauer) gefunden, der ihm wichtige Tipps gibt, wie man ein echter Kerl wird. Dafür muss er nur ein komplett anderer Mensch sein …
Wiedersehen mit einem Kinderhelden
Einige Jahre ist es inzwischen her, dass mit Christine Nöstlinger (Maikäfer, flieg!) eine der bekanntesten deutschsprachigen Kinder- und Jugendautorinnen gestorben ist. Mehr als 140 Bücher veröffentlichte die Österreicherin im Laufe ihres Lebens. Zu den beliebtesten darunter zählt sicher die Reihe Geschichten vom Franz. Insgesamt 19 Bände erschienen zwischen 1984 und 2011 und erzählten aus dem Alltag des Jungen, der immer wieder als Mädchen verspottet wird. Das ist bei der Verfilmung noch genauso. So zeigt uns der Film zu Beginn, wie der Protagonist von anderen ausgelacht wird. Der verzweifelte Versuch, ihnen zu demonstrieren, dass er sehr wohl ein Junge ist, geht völlig in die Hose – indem er diese auszieht. Da gibt es keine Situation, die so peinlich ist, dass sie nicht noch etwas peinlicher werden kann.
Wenn er im Anschluss an diese Demütigung sehr empfänglich ist für die billigen Parolen der Internet-Persönlichkeit Hank ist, verwundert das nicht. Schließlich sieht das bei ihm alles ganz einfach aus. Überhaupt gelingt es Regisseur Johannes Schmid (Agnes) sehr gut, sich in seinen jungen Titelhelden hineinzuversetzen und die Welt aus seiner Sicht zu zeigen. Egal ob wir ihm bei seinen Fantasien Gesellschaft leisten, es zu Diskussionen innerhalb der Familie kommt oder in seinem Freundeskreis agiert, das wirkt alles sehr natürlich. Eines ergibt sich aus dem anderen, Geschichten vom Franz ist in sich stimmig aufgebaut, wenn es darum geht, dass sich Franz in der Welt zurechtzufinden versucht. Dafür versucht er es mit mehreren Inspirationen und potenziellen Vorbildern – ohne immer ganz zu verstehen, was er dabei so tut.
Zwischen Freundschaft und der Suche nach Identität
Im Grunde handelt es sich bei dem Film also um eine typische Coming-of-Age-Geschichte. Dabei sind es zwei große Themen, welche Geschichten vom Franz verfolgt. Zum einen handelt er von Freundschaften. Was machen sie aus? Welche Bedeutung haben sie in unserem Leben? Das zweite große Thema ist das der Identität, was hier mit Geschlechterbildern verbunden wird. So wird Franz von altmodischen Erwartungen verfolgt, wie ein Mann auszusehen hat. Erwartungen, die weder er noch sein Vater erfüllen können. Während Letzterer aber offen sagt, dass dies alles nicht so wichtig ist, muss Franz diese Erkenntnis erst noch erarbeiten. Man soll sich treu bleiben, lautet die Aussage des Films. Das mag keine neue oder übermäßig tiefsinnige Erkenntnis sein. Aber sie ist wichtig, gerade auch in Zeiten, wo der Wegfall geschlechtlicher Grundüberzeugungen für viel Verunsicherung sorgt.
Dabei wird hier ohne einen aufdringlichen erhobenen Zeigefinger gearbeitet. Allgemein ist Geschichten vom Franz ein angenehm zurückhaltender Film, seien es nun die ernsteren oder die humorvolleren Momente. Mit gerade einmal 78 Minuten Laufzeit ist er auch schön kurz und versucht nicht krampfhaft, die Geschichte in die Länge zu ziehen. Zusammen mit der guten Besetzung wird so ein charmanter Familienfilm daraus, der die bekannten Figuren in die Jetztzeit überträgt. Er modernisiert leicht, indem beispielsweise eine Internetpersönlichkeit zur Bezugsperson wird, und greift mit der gezeigten toxischen Männlichkeit ein aktuelles Thema auf. Dennoch steht die Figur im Mittelpunkt sowie deren Reise, nicht die Moral, die er aus allem mitnimmt.
OT: „Geschichten vom Franz“
Land: Österreich, Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Johannes Schmid
Drehbuch: Sarah Wassermair
Vorlage: Christine Nöstlinger
Musik: Marco Wanda
Kamera: Matthias Grunsky
Besetzung: Jossi Jantschitsch, Nora Reidinger, Leo Wacha, Ursula Strauss, Simon Schwarz, Philipp Dornauer, Laurenz Haider
Schlingel 2022
Max Ophüls Preis 2023
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)