Über drei Stunden muss das Ehepaar Margot (Luisa Taraz) und Dieter (Frederik von Lüttichau) fahren, bis es an dem Schloss angelangt ist, welches das Erbe Margots darstellt. Während sie sich darauf freut, den alten Landsitz ihrer Familie zu sehen und in Erinnerungen zu schwelgen, ist es ihr Mann, der bereits auf der Fahrt über die seiner Ansicht nach vergeudeten Stunden meckert. Auch als sie endlich an ihrem Ziel angelangt sind, finden seine Beschwerden kein Ende, denn neben der langen Anfahrt ist es nun auch der Zustand des Hauses, welches einiger Renovierungen bedarf, der ihn zur Räson bringt. Während seine Frau durch die Gänge des Hauses schlendert, hat Dieter im leeren Weinkeller des Hauses eine unheimliche Begegnung, nach der er das Haus sofort verlassen will. Jedoch kann sich seine Frau durchsetzen und sie bleiben die Nacht über auf dem Anwesen, nach welcher Margot verkündet, sie denke gar nicht daran, das Haus zu verkaufen und wolle lieber einziehen.
In einer zweiten Geschichte feiert eine Filmcrew den letzten Drehtag. Regisseur Gregor Grause (Jeff Wilbusch) ist mehr als glücklich über die verrichtete Arbeit und will eigentlich ausgelassen feiern, jedoch ist seine Freundin und Regieassistentin Eva (Anna Platen) alles andere als zufrieden mit dem Endergebnis und will dies ihrem Freund auch mitteilen. Es kommt zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden, in deren Folge Eva einsehen muss, dass sie Gregor nicht wird umstimmen können. Als sie sich unzufrieden ins Bett begibt, ist Gregor weiter nach feiern zumute und nach einem intimeren Gespräch mit seiner Hauptdarstellerin.
Kunst und Horror
Dass Kunst und Horror eigentlich gut zusammen passen, sieht man in der Kunst vieler Maler, von Francisco Goya bis hin zu Edvard Munch, doch während seines Kunststudiums hatte der spätere Regisseur Kevin Kopacka (Hager), wie er in Interviews beschreibt, das Gefühl, der moderne Kunstbegriff sehe eher eine Trennung und weniger eine Symbiose dieser beiden Aspekte vor. Als er sich dann mehr dem Film zuwandte, suchte er in seinen Projekten immer die Kombination der beiden Konzepte, so wie er es bereits viele Male in unzähligen Horrorfilmen gesehen hatte. Sein Film Hinter den Augen die Dämmerung, der 2021 und 2022 auf vielen internationalen Festivals gezeigt und mit Preisen geehrt wurde, ist dafür ein gutes Beispiel.
Dass Horror und Kunst einander mitnichten ausschließen, wird im Film derzeit von vielen Regisseuren eindrücklich betont, wenn man alleine an die Arbeiten von Filmemachern wie Ari Aster oder Robert Eggers denkt. Derlei moderne Vorbilder spielen bei Hinter den Augen die Dämmerung jedoch weniger eine Rolle, verbindet Kolpackas Inszenierung viele verschiedene Einflüsse, die ihn, wie er selbst immer wieder hervorhebt, in die Nähe des Horrorkinos der 60er und 70er Jahre bringen. Ästhetisch ist dies wohl am eindeutigsten, wenn man von der Wahl der Kamerafilter bis hin zur Licht- und Raumdramaturgie spricht, welche zum einen wie Verweise auf die Werke dieser Zeit sind, zum anderen aber auch eine surreale Atmosphäre erzeugen, als ob die Charaktere ein Reich betreten, in dem auf einmal die Idee einer rational bestimmbaren Realität nicht mehr existent ist. Die visuellen Kompositionen, welche dabei entstehen, sind mitnichten als reine Verweise auf andere Texte oder Filme zu denken, sondern sind eigene, vielschichtige Kreationen, bei denen die Kollaboration Kopackas mit Kameramann Lukas Dolgner besonders zum Tragen kommt. Dies wird noch unterstützt durch die Ausstattung des Filmes sowie die eindrucksvolle Kulisse, die bisweilen wie ein eigenständiger Charakter wirkt.
Gekränkte Männer, starke Frauen
Das visuell angedeutete und immer deutlicher werdende Verlassen der Realität wird zudem auch erzählerisch in Hinter den Augen die Dämmerung umgesetzt. Kevin Kopacka und Koautorin Lili Villányi verbinden das Aufheben von Wirklichkeit, samt ihrer Konzepte von Geschlecht, Stand und Macht, mit Dialogen, in denen die Verwandlung der Figuren zu einem spannenden und interessanten Element wird. Insbesondere die beiden Paare werden hierbei in den Fokus gerückt, ihre Dynamik sowie die Machtverhältnisse, welche den Mann als schon bald als machtlos und impotent darstellen, während die Frau an Selbstbestimmung und damit Macht gewinnt. Schauspielerisch ist das durchaus interessant und besonders in der ersten Hälfte des Filmes auch dramaturgisch überzeugend, doch leider steht dies in Konflikt mit der Ambition des Filmemachers, der letztlich mehr Wert auf die Form legt und die Geschichte zu einem insgesamt eher unbefriedigenden Schluss bringt, dessen Botschaft, sofern man von einer solchen reden kann, recht plakativ ausfällt.
OT: „Hinter den Augen die Dämmerung“
AT: „Dawn Breaks Behind the Eyes“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Kevin Kopacka
Drehbuch: Kevin Kopacka, Lili Villányi
Kamera: Lukas Dolgner
Musik: Liquid Brain Orchestra, Audhentik, For Those Who Still Exist, The Düsseldorf Düsterdboys
Besetzung: Anna Platen, Jeff Wilbusch, Frederik von Lüttichau, Luisa Taraz, Bill Becker, Robert Nickisch, Elena Gomez Alvarez, Christopher Ramm, Max Cramer
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