Es sind ohne Zweifel die berühmtesten Aufnahmestudios der Welt: die Abbey Road Studios in London, an der gleichnamigen Straße mit dem nicht weniger berühmten Zebrastreifen gelegen, über den John, Ringo, Paul und George auf dem Cover ihres 1969 erschienen Albums Abbey Road laufen. Auf ewig werden die Studios wohl stets als erstes mit den Beatles in Verbindung gebracht werden. Doch seit der Gründung der Studios 1931 haben natürlich auch zahlreiche andere Künstler dort gearbeitet und wenn die Mauern des außen mit Widmungen von Beatles-Fans übersäten Gebäudes singen könnten, dann würden sie wohl neben Liedern über die „Fab Four“ auch solche über Elton John, Daniel Barenboim, Pink Floyd, Kate Bush oder John Williams singen. Das können sie aber nicht, weswegen nun Mary McCartney in einer auf Disney+ erschienenen Dokumentation die Aufgabe übernimmt, die Geschichte der Abbey Road Studios zu erzählen. Als Tochter von Paul McCartney war es für die Regisseurin wohl ein Kinderspiel, ihren legendären Vater als Interviewpartner vor die Kamera zu bekommen. Aber auch die anderen genannten und einige mehr kommen in ihrem Film vor. If These Walls Could Sing erzählt in nur 90 Minuten die Geschichte der Abbey Road Studios von ihrer Gründung bis in die Gegenwart und hat dabei vor allem ein paar nette Anekdoten zu bieten.
Mary McCartney beginnt den Film mit der Feststellung, dass die Studios an der Abbey Road für sie schon immer Teil ihres Lebens waren. Als Tochter eines der Beatles-Mitglieder verbrachte sie schon als Kleinkind dort Zeit. Ihr erster Interviewgast im Film ist natürlich ihr Vater Paul, der zwar gleich eine Anekdote über die Aufnahme des Klassikers Jet seiner Band Wings auf Lager hat, ansonsten aber über das Studio erst einmal nur sagen kann, dass es einfach großartig war, weil dort alle Mikrofone funktioniert haben. Bis etwa zur 15-Minuten-Marke widmet sich der Film anschließend komplett den Beatles und wird auch später mehrmals zu ihnen zurückkehren. Doch auch einige der wichtigsten anderen Meilensteine der Studiogeschichte arbeitet McCartney ab, darunter Orchesteraufnahmen mit Daniel Barenboim, Shirley Basseys Aufnahme ihres fantastischen Titelsongs zum James Bond-Film Goldfinger oder die Anfänge von Elton John als Sessionmusiker.
Nette Anekdoten ohne viel Tiefgang
Wenn man die entsprechenden Künstler mag, sind auch die dabei gezeigten Bilder und die zum Teil neu geführten Interviews interessant. Wirklich in die Tiefe geht der Film aber an keiner Stelle, schließlich geht es hier um die Abbey Road Studios als Ganzes und If These Walls Could Sing muss stets zum nächsten Musiker, zur nächsten netten kleinen Geschichte oder auch einmal gleich ein ganzes Jahrzehnt nach vorne springen. Letztes geschieht, als der Film gegen Ende plötzlich in den Neunziger Jahren beim Britpop-Phänomen Oasis ankommt, wo er leider nur äußerst kurz verweilt. Für Filmfans am interessantesten sind sicherlich die Minuten, in denen sich die Dokumentation der Zeit ab 1979 widmet. Damals steckte das Studio in der Krise, begann sein Equipment zu verkaufen und sah einer äußerst ungewissen Zukunft entgegen. Die Rettung kam mit der Idee, von nun an auch Filmmusikaufnahmen an die Abbey Road einzuladen. So kam es etwa, dass John Williams dort seinen Score zu Jäger des verlorenen Schatzes aufnahm und später zum Beispiel auch für mehrere Star Wars-Filme in die Abbey Road Studios zurückkehrte, um dort das London Symphony Orchestra zu dirigieren. In der witzigsten Stelle des Films erinnern sich John Williams und George Lucas daran, wie gerne sie damals in die studioeigene Kantine essen gegangen sind.
Ein weiteres Segment des Films widmet sich den Anfängen von Pink Floyd sowie den Aufnahmen ihres legendären Albums Dark Side of the Moon. Aber auch in diesem Fall gilt dasselbe wie für die anderen Teile des Films: es fallen höchstens ein paar nette Anekdoten an, wirklich in die Tiefe geht auch dieser Abschnitt nicht (trotz neuer Interviews mit den Bandmitgliedern David Gilmour und Roger Waters). So richtig weiß man am Ende nicht, für wen If These Walls Could Sing überhaupt gedreht worden sein soll. Langjährige Fans der Beatles, von Pink Floyd oder Elton John etwa werden hier so gut wie nichts Neues erfahren. Und über die Abbey Road Studios an sich erfährt man hier eigentlich gar nicht viel. Um deren Geschichte anhand der zahlreichen Künstler nachzuzeichnen, die dort gearbeitet und Musik aufgenommen haben, hätte sich das Format einer Fernsehserie deutlich besser geeignet. Darin hätte man zum Beispiel in jeder Folge die Entstehung eines an der Abbey Road aufgenommenen Albums näher beleuchten können. Wenn die Mauern dieses traditionsreichen Gebäudes singen könnten, würden sie vielleicht einfach nur all die Lieder wiedergeben, die in diesen heiligen Hallen aufgenommen wurden. Schließlich spricht die Musik für sich und wenn sich den Film spart und stattdessen die 90 Minuten nutzt, um sich etwa die beiden Meisterwerke Abbey Road und Dark Side of the Moon anzuhören, dann bringt einem das auf jeden Fall mehr Erleuchtung als diese Dokumentation.
OT: „If These Walls Could Sing“
Land: USA, UK
Jahr: 2022
Regie: Mary McCartney
Musik: Toby Pitman
Kamera: Gary Clarke, Tim Cragg, Ben Magahy, Samuel Painter, Graham Smith
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