Midwives
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„Midwives“ // Deutschland-Start: 26. Januar 2023 (Kino)

Inhalt / Kritik

Eigentlich hieß es all die Jahre, dass die Welt weiter zusammenwächst. Globalisierung bedeutete eben auch, dass jeder mit jedem zu tun hat. Und doch hat man zuletzt eher den Eindruck, dass es überall zu Rissen kommt. Nicht nur dass sich einzelne Nationen feindlich gegenüberstehen, nicht wenige angesichts der zunehmenden Spannungen vor einem Dritten Weltkrieg Angst haben. Auch innerhalb der Gesellschaft entstehen gewaltige Klüfte, die sich aus Reich-Arm-Scheren ergeben können, aus unterschiedlichen Ansichten zur Corona-Pandemie oder gesellschaftlichen Themen. Und dann wären da noch die Länder, in denen Minderheiten unterdrückt werden. So auch in Myanmar, wo es Minderheiten ganz grundsätzlich schwerhaben. Besonders schlimm trifft es aber die die muslimischen Rohingya, denen vom eigenen Land die Staatsangehörigkeit verweigert wird.

Eine Klink als Ort der Einheit

Midwives berichtet von eben dieser Kluft, tut dies aber anhand eines ungewöhnlichen Beispiels. Genauer stehen hier, wie der Titel bereits verrät, zwei Hebammen im Mittelpunkt. Hla ist Buddhistin und gehört damit der großen Mehrheit innerhalb des südostasiatischen Landes an. Sie leitet auch die improvisierte Klinik, die zum Mittelpunkt des Dokumentarfilms wird. Nyo Nyo ist eine Muslima und damit Teil des unterdrückten Teils. Hinzu kommt, dass in der Klinik gezielt Menschen aus der Minderheit behandelt werden sollen. Einfach ist das natürlich nicht, Konflikte bleiben dabei nicht aus, sowohl extern wie intern. Aber man zieht an einem Strang in der Klinik. So wie zu Beginn des Dokumentarfilms, wenn das Publikum bei einer schweren Geburt dabei ist und so von Anfang an sieht, in welchem Umfeld wir uns bewegen.

Das klingt nach einem sehr besinnlichen und aufmunternden Dokumentarfilm, der sich für mehr Zusammenhalt und Offenheit einsetzt. Das stimmt aber nur zum Teil. Wer vor dem Betreten der Klinik erwartet, dass sich hier alle Blumengirlanden um den Hals legen und Lagerfeuer-Friedenslieder singt, sieht sich getäuscht. Der Ton ist zuweilen schon etwas härter. Nur weil man gemeinsam arbeitet und ein gemeinsames Ziel verfolgt, bedeutet das nicht, dass immer Harmonie herrscht. Aber das macht Midwives auch spannender. Hier bekommt man keine reine Utopie serviert, sondern etwas, das sich an der Realität da draußen orientiert. Und das bedeutet zum Beispiel auch, dass die besagte Muslima eigene Erfahrungen mit Unterdrückung und Rassismus gemacht hat. Als „Farbige“ würde sie ausgegrenzt.

Spiegel eines sich verändernden Landes

Diese äußere Realität ändert sich dabei auch. So wurde das Filmprojekt in der kurzen Phase gestartet, in der Myanmar eine Demokratisierung erfuhr. Zum ersten Mal hatte nicht die Militärdiktatur das Sagen, sondern das Volk. Das hat sich inzwischen bekanntlich geändert, mit Gewalt holte sich das Militär die verlorene Macht zurück. Die Klinik hat dabei natürlich nicht viel mit Politik als solcher zu tun. Dennoch wird sie in dem über sechs Jahre hinweg gedrehten Midwives zu einem Spiegel von dem, was in dem Land geschieht. So sehr der Ort einer ist, an dem Grenzen aufgehoben werden sollen und die Menschen ein Refugium finden, er steht nicht an einem isolierten Raum. Immer wieder ist der Einfluss von außen zu spüren, so sehr man sich hier abzuschirmen versucht.

Das Ergebnis ist spannend und macht, trotz der Einschränkungen, Mut. Der Dokumentarfilm, der beim Sundance Film Festival 2022 Premiere feierte und dort auch ausgezeichnet wurde, gibt einen interessanten und sehr seltenen Einblick in ein Land, in dem Unterdrückung an der Tagesordnung ist. Midwives erzählt von einem Kampf für die Freiheit im Kleinen. Von einem Kampf für eine Menschenwürde, die allen zustehen sollte und doch vielen versagt bleibt. Verbunden wird dieser inhaltliche Aspekt mit atmosphärischen Aufnahmen der dortigen Landschaft und Kultur, welche ebenfalls ihren Beitrag dazu leisten, dass das Ergebnis so sehenswert ist. Der Film kombiniert Lokales mit Universellem, lädt zum Staunen und Nachdenken gleichermaßen ein.

Credits

OT: „Midwives“
Land: Myanmar, Deutschland, Kanada
Jahr: 2022
Regie: Soe Kyaw Htin Tun
Drehbuch: Soe Kyaw Htin Tun
Musik: Olivier Alary Johannes Malfatti
Kamera: Soe Kyaw Htin Tun

Bilder

Trailer

Filmfeste

Sundance 2022
DOK.fest München 2022
Filmfest Braunschweig 2022

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Midwives
fazit
„Midwives“ begleitet zwei Hebammen in Myanmar, die in einer kleinen Klinik für die unterdrückte Minderheit arbeiten. Der Dokumentarfilm zeigt dabei einen inspirierenden Kampf für Freiheit und Menschenwürde, ohne dabei idealisieren zu wollen, und lässt die Klinik zum Spiegel eines geteilten Landes werden. Hinzu kommen atmosphärische Aufnahmen der dortigen Landschaft und Kultur.
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