Als Ben Manalowitz (B.J. Novak) eines Tages einen Anruf von Ty Shaw (Boyd Holbrook) erhält, ist das für ihn gleich doppelt schwierig. Nicht nur dass er erfährt, dass Tys Schwester Abby (Lio Tipton) tot sein soll. Er hat zudem keine Ahnung, wer denn diese Abby überhaupt ist. Erst nach einiger Zeit dämmert ihm, dass es sich bei ihr um einen bloßen One-Night-Stand handelt. Die Familie der Toten drängt ihn dennoch dazu, zu ihnen nach Texas zur Beerdigung zu fahren, in der festen wie falschen Überzeugung, dass die zwei ein festes Paar waren. Eigentlich hat Ben darauf keine Lust. Ebenso wenig auf die komische Verschwörungstheorie, dass hinter dem Drogentod von Abby in Wahrheit ein Mord stecken soll. Doch dann kommt ihm die Idee, dass er aus der Geschichte und der Spurensuche einen Podcast machen könnte. Eine Idee, von der seine Chefin Eloise (Issa Rae) äußerst angetan ist …
True Crime auf allen Kanälen
Angesichts des enormen Erfolges, die True-Crime-Geschichten feiern – es vergeht eigentlich keine Woche, in der nicht bei Netflix und den anderen Streaminganbietern ein neuer Titel erscheint –, verwundert es nicht sonderlich, wenn True-Crime-Produktionen selbst zu einem Thema werden. In Auris: Der Fall Hegel und Auris: Die Frequenz des Todes begab sich kürzlich eine Podcasterin auf Spurensuche, wobei die Grenzen zwischen Journalismus und Verbrecherjagd fließend waren. Bei Rache auf Texanisch ist das prinzipiell ähnlich, wenn sich hier ein Journalist in die Verschwörungstheorien einer trauernden Familie hineinziehen lässt. Und doch geht das hier in eine etwas andere Richtung. Wo sich die deutsche Produktion selbst wahnsinnig ernst nahm, selbst in den völlig lächerlichen Momenten, da geht der US-amerikanische Kinokollege die Sache deutlich humorvoller an.
Genauer geht der Film massiv in die Culture-Clash-Richtung, ganz im Stil so beliebter Komödien wie Willkommen bei den ‘Schtis oder Doc Hollywood, wenn es jeweils einen Stadtmenschen in die Provinz verschlägt. Bei der US-Fassung kommt noch verstärkend hinzu, dass das Land bekanntlich von Grabenkämpfen geprägt sind. Ein liberaler, intellektueller Großstädter trifft auf waffenvernarrte Landeier? Da schreiben sich die Witze quasi von selbst. B. J. Novak (The Office), der hiermit sein Film-Regiedebüt abgibt, das Drehbuch schrieb und zugleich die Hauptrolle übernahm, kostet diese Klischees genüsslich aus. Er unterwirft sich diesen aber nicht, zumindest nicht völlig. So gibt es immer wieder Brüche, wenn an den White-Trash-Hillbillys mehr dran ist oder alternativ der gescheite Ben doch nicht ganz so gescheit ist, wie er es gern wäre.
Viel Stoff zum Nachdenken
Auch das ist letztendlich Konvention bei diesen Geschichten. Interessant an Novaks Variante ist, dass er diese Elemente mit einem Thriller verbindet. Auch wenn Ben zunächst die Theorien der Shaws für Blödsinn hält, bekommt er mit der Zeit Zweifel. Die nur vorgetäuschte Suche nach einem Mörder oder einer Mörderin verwandelt sich in eine tatsächliche. Richtig viel sollte man in dieser Hinsicht zwar nicht erwarten, die Spurensuche ist für sich genommen nicht wirklich komplex. Als ein Element unter vielen funktioniert das aber gut. Das Publikum darf bei Rache auf Texanisch bis zum Ende rätseln, ob an der Sache nun etwas dran ist oder nicht. Der Film, der auf dem Tribeca Film Festival 2022 Weltpremiere hatte, spielt gekonnt mit beiden Möglichkeiten.
Das ist zweifelsfrei unterhaltsam, zumal Novak ein talentiertes Ensemble um sich geschart hat. Was den Film aber letztendlich sehenswert macht, ist die Art und Weise, wie hier Komödie und Thriller mit einer Reihe von erstaunlich anspruchsvollen Themen verknüpft wird. Neben offensichtlichen Punkten wie Vorurteilen und der Teilung der US-amerikanischen Bevölkerung geht es unter anderem um das Scheitern der Behörden, die Drogen-Krise und die Gleichgültigkeit der Bevölkerung. Vor allem aber das Konstruieren eigener Geschichten wird hier zu einem großen Thema. Die Wahrheit wird neu interpretiert oder völlig neu geschaffen, je nachdem, was man gerade braucht. Damit einher geht die Frage, ob es überhaupt von Bedeutung, was geschehen ist, und welche Rolle und Verantwortung Geschichtenerzähler in einer Gesellschaft einnehmen. Eindeutige Antworten gibt Novak dabei nicht. Vielmehr provoziert er das Publikum, gerade bei dem Ende, und drängt es dazu, selbst über vieles nachzudenken. Wer einen „richtigen“ Rache-Thriller erwartet, wird bei Rache auf Texanisch trotz des Titels eher weniger bedient. Sehenswert ist dieser nachdenkliche und ironische Vertreter aber auf jeden Fall.
OT: „Vengeance“
Land: USA
Jahr: 2022
Regie: B. J. Novak
Drehbuch: B. J. Novak
Musik: Finneas O’Connell
Kamera: Lyn Moncrief
Besetzung: B. J. Novak, Boyd Holbrook, Dove Cameron, Issa Rae, Ashton Kutcher, J. Smith-Cameron, Isabella Amara, Louanne Stephens, Eli Abrams Bickel
Tribeca Film Festival 2022
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