Dass Kunst und Politik keinesfalls getrennt voneinander existieren müssen und im Gegenteil oft sogar Hand in Hand gingen, ist keine Seltenheit. Während man beispielsweise die Förderung von Kultur, wie sie hierzulande betrieben wird, als positiv sehen kann (auch wenn man ihre Auswahlkriterien kritisieren könnte), gibt es leider unzählige Beispiele für Kunst, die sich in den Dienst einer Ideologie stellte. Im Falle der Architektur finden wir viele Beispiele von Kreativen, die sich nur zu gerne einer Weltordnung unterstellten, sofern dies eine entsprechende Förderung und ein Prestige nach sich zog. Dabei müssen es noch nicht einmal die Visionen einen Albert Speer sein, die man hier als Exempel nimmt, denn viele dieser ideologischen Wurzeln in Bauwerken finden sich auch außerhalb dieser bekannten Fälle. Zahlreiche Denkmäler oder Gebäude stehen im Dienste des Selbstbildes eines Menschen, dessen Eitelkeit oder dessen Reichtum, doch in manchen Fällen ist es das Image einer ganzen Nation, welches abgebildet sein sollte. Die Tatsache, dass vieler dieser Bauwerke leer stehen und teils sogar Bauruinen sind, eröffnet Möglichkeiten, genauer hinzusehen, jene Visionen und jene problematischen Faktoren zu sehen, die bei deren Entstehung vielleicht nur eine untergeordnete Rolle spielten.
Innerhalb der Geschichte der modernen Architektur gibt es viele berühmte Beispiele für die oben erklärten Verbindungen. Eines davon mag der Argentinier Francisco Salamone sein, der in seiner Heimat zahlreiche öffentliche Gebäude plante sowie eine große Anzahl von Schlachthäusern, die heutzutage wie vergessene Zeugen einer vergangenen Zeit in der argentinischen Pampa herumstehen. Sie sind nur ein paar der Orte, die Regisseur Heinz Emighholz (Loos Ornamental) für seine Dokumentation Schlachthäuser der Moderne, die auf der DOK Leipzig 2022 ihre Deutschland-Premiere feierte, auswählte. In 80 Minuten geht der Filmemacher einer in den ersten Minuten formulierten These nach, die in eine ähnliche Richtung geht, wie die Ausführungen im vorherigen Absatz, nämlich inwiefern sie Symbole für eine fehlgeschlagene, fatale oder problematische Vision bzw. Ideologie sind. Hierzu bedient er sich einer ganzen Reihe von Beispielen, die mit einem gelegentlichen Off-Kommentar unterlegt sind oder durch einen Text des Schauspielers Stefan Kolosko begleitet werden.
Moderne und Ideologie
Die ruhigen Bildkompositionen, die Emigholz nutzt und welche die Bauwerke aus unterschiedlichen Perspektiven zeigen, mögen über die provokanten Natur seiner Thesen hinwegtäuschen. Nach einer kurzen Einführung zu den beiden Architekten, neben dem bereits erwähnten Salamone noch sein Kollege Freddy Mamani Silvestre, gilt sein Augenmerk aktuellen Projekten wie dem Humboldt Forum in Berlin. Die Vergleiche der in ihrer Funktion unterschiedlichen, ästhetisch jedoch sehr ähnlichen Gebäude scheint auf einen Zusammenhang zwischen architektonischer Vision und einer politischen Ideologie zu deuten, der teils sehr überraschend ist, dann wiederum erschreckend und provokativ.
Immer wieder kommt es zudem zu ironischen Überspitzungen, beispielsweise bei den schon erwähnten Schlachthäusern, die, bedenkt man deren eigentlichen Zweck, von einer funktionalen Eleganz sind, welche an den Wohlstand eben dieser Industrie erinnern soll, dann aber auch wieder eine industrielle Komponente haben, welche ganz andere Zusammenhänge zulässt. Emigholz verweist im Kommentar wie auch den Bildern von Schlachthäuser der Moderne auf Stilbrüche, zerschlagene Visionen einer Zukunft und faschistoiden Untertönen, was seine Dokumentation nicht nur sehenswert, sondern oftmals sehr erhellend macht.
OT: „Schlachthäuser der Moderne“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Heinz Emigholz
Drehbuch: Heinz Emigholz
Musik: Kiev Stingl
Kamera: Till Beckmann, Heinz Emigholz
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)