Als Friseurin ist Claire (Najarra Townsend) gefragt, sie versteht es, das Beste aus anderen Menschen herauszuholen. Dabei ahnt ihre Kundschaft jedoch nicht, was sich hinter der freundlichen Fassade verbirgt. So greift sie regelmäßig zum Skalpell, um ihren Kundinnen den Skalp abzuschneiden und diesen mit nach Hause zu nehmen. Schließlich helfen ihr die Trophäen, als eigener Kopfschmuck getragen, ihr Leben zu vergessen und von dem glücklichen Leben der anderen zu träumen. Eines Tages kommt auch Olivia (Brea Grant) zu ihr, die für ihre Hochzeit noch jemanden braucht, der ihre Brautfrisur übernimmt. Eigentlich mag Claire das nicht, Brautfrisuren sind nicht ihr Ding. Am Ende lässt sie sich dennoch drauf ein und ist bald von ihrer Kundin gefesselt, die für sie ein Ausweg aus ihrer Einsamkeit sein könnte …
Der Traum vom anderen Leben
Nicht wenige dürften in ihrem Leben irgendwann einmal den Wunsch gehabt haben, das Leben eines anderen Menschen zu führen. Das kann aus Neugierde sein, vielleicht auch aus Neid, weil diese Person ein deutlich besseres oder aufregenderes Leben hat. Manchmal kann es aber auch das Ergebnis eines Fluchtwunsches sein, wenn man so unglücklich mit der eigenen Situation ist, dass es sehr verführerisch erscheint, alles hinter sich lassen zu können. Aus meiner Haut ist ein aktueller Film, bei dem das Thema des Körpertauschs zum Porträt einer kriselnden Beziehung und unglücklicher Menschen wird. In eine ähnliche Richtung geht auch The Stylist. Doch während der genannte deutsche Beitrag ein leise erzähltes Fantasydrama ist, da mag es die US-amerikanische Produktion deutlich deftiger.
Tatsächlich wird diese oft im Horrorgenre einsortiert. Das ist nicht verkehrt, geht die Protagonistin mit äußerst rabiaten Mitteln vor. Sie begnügt sich nicht einfach damit, von dem Leben anderer zu träumen, sondern tötet diese und setzt sich deren blutigen Skalp auf den Kopf. Das ändert zwar nichts an ihrem eigenen Leben. Zumindest für einen kurzen Moment kann sie aber so tun, als wäre sie die andere Person. Übernimmt durch die Haare auch das Leben der Frauen, die sie tötet, in ihrer Vorstellung zumindest. Das hat den einen oder anderen verstörenden Moment zur Folge, The Stylist schont weder die Opfer noch das Publikum. Gerade der Kontrast zwischen der plötzlich glücklich erscheinenden Claire und ihren grausamen Taten sorgt für ein paar Szenen, die einem in Erinnerung bleiben.
Trauer trifft Slasher
Anders als aber etwa Maniac – ein Film, der einem beim Thema Skalp abschneiden unweigerlich in den Sinn kommt – ist diese Mordlust Ausdruck einer großen Einsamkeit. Nichts ersehnt sich Claire mehr, als eine der anderen zu sein und dazuzugehören. Das zeigt sich gerade auch in den Szenen, wenn sie auf herkömmliche Weise Teil eines sozialen Umfeld zu werden scheint – und gnadenlos daran scheitert. The Stylist, das 2020 auf dem Fantastic Fest Premiere hatte, ist damit auch ein Drama rund um einen völlig verlorenen Menschen. Immer wieder ertappt man sich dabei, die Protagonistin trotz ihrer Abscheulichkeit zu bemitleiden. Im Gegensatz zu anderen Slasher-Filmen ist dieser hier auf Gefühlen aufgebaut, nicht auf der bloßen Lust am Töten.
Allerdings gelingt es Jill Gevargizian nicht so wirklich, dieses Szenario auch wirklich voranzutreiben. Dass The Stylist ursprünglich ein Kurzfilm war, merkt man auch der Langfassung an. Ebenso dass Gevargizian zuvor fast ausschließlich Kurzfilme gedreht hat. Die Regisseurin und Drehbuchautorin tut sich schwer damit, dies alles zu einem Spielfilm weiterzuentwickeln und begnügt sich stattdessen mit Variationen weniger Szenen. Obwohl es in dem Film zur Sache geht, schleichen sich daher im weiteren Verlauf Längen ein. Darüber kann auch die stylische audiovisuelle Umsetzung nicht ganz hinwegtäuschen. Doch selbst wenn man hier das Gefühl hat, dass das Ganze nicht so wahnsinnig viel Gehalt hat, ist das hier doch eine der sehenswerteren Horror-Veröffentlichungen der letzten Zeit.
OT: „The Stylist“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Jill Gevargizian
Drehbuch: Jill Gevargizian, Eric Havens, Eric Stolze
Musik: Nicholas Elert
Kamera: Robert Patrick Stern
Besetzung: Najarra Townsend, Brea Grant
Fantastic Fest 2020
Sitges 2020
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