Seit dem Tod ihres Mannes zieht die Afroamerikanerin Mamie (Danielle Deadwyler) ihren Sohn Emmett (Jalyn Hall) alleine groß. Dabei möchte sie ihn zu einem weltoffenen Menschen erziehen. Gleichzeitig ist sie sich der Gefahren bewusst. Und so bläut sie dem 14-Jährigen mehrfach ein, sehr vorsichtig zu sein, wenn er seine Verwandten im Süden der USA besucht. Schließlich sei Mississippi ganz anders als Chicago, wo die beiden leben. Der Teenager verspricht aufzupassen und den Ratschlag seiner Mutter zu befolgen. Doch dann erregt er durch eine unbedachte Handlung den Zorn der lokalen Bevölkerung. Und so wird er eines Nachts entführt, misshandelt und getötet, erst Tage später wird man seine übel zugerichtete Leiche finden. Der Schmerz ist groß bei Mamie. Aber auch die Wut. Und so beschließt sie, den Fall öffentlich zu machen und der ganzen Welt zu zeigen, was man ihrem Jungen angetan hat …
Die Geschichte eines brutalen Lynchmordes
In de letzten Jahren gab es unzählige Filme, bei denen zu Beginn die Hauptfigur ein Unrecht erleidet und im Anschluss einen großen Rachefeldzug startet. Meistens bedeutet das, dass eine Leiche Dutzende andere nach sich zieht, in einer sehr eigenen Auffassung von Gerechtigkeit. In der realen Welt sieht das jedoch anders aus. Oft gibt es da keine Gerechtigkeit. Ein besonders bekannter Fall, bei dem diese ausblieb, ist die von Emmett Till. Bei ihm handelte es sich um einen Jugendlichen, der unter normalen Umständen vermutlich wenig Aufmerksamkeit erregt hätte. Doch der brutale Lynchmord an ihm sicherte ihm einen traurigen Eintrag in den Geschichtsbüchern. Das Bild seiner Leiche, bis zur Unkenntlichkeit misshandelt, ging um die Welt und wurde zu einem wichtigen Eckpunkt in der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung.
Die Regisseurin und Co-Autorin Chinonye Chukwu (Clemency) erinnert an den historischen Fall, der im März 2022 den sogenannten Emmett Till Antilynching Act inspirierte, ein Gesetz, das Lynchmord als Hassverbrechen deklariert. Dass dies erst viele Jahrzehnte später geschah, zeigt, wie schwer man sich in den USA noch immer mit diesem Thema tut. Till – Kampf um die Wahrheit kümmert sich aber nicht um die langwierigen Auswirkungen der Geschichte. Die werden nur kurz als Epilog-Textkasten aufgelistet, das Übliche in solchen Historiendramen. Stattdessen konzentriert sich Chukwu ganz auf den persönlichen Aspekt des Mordes und berichtet von dem Kampf der Mutter, dass das Verbrechen bekannt wird. Die ganze Welt soll sehen und hören, was ihr Sohn durchgemacht hat.
Stark gespielt mit Hang zum Pathos
Das bedeutet dann auch, dass man über das Opfer so gut wie nichts erfährt. Es gibt natürlich die anfänglichen Szenen, in denen wir Emmett sehen, sowohl in Chicago wie auch später in Mississippi. Später wird seine Mutter auch ein bisschen über ihn reden. Dennoch, Till – Kampf um die Wahrheit löst sich von der konkreten Person, ist kein Porträt des Jungen. Emmett steht im Mittelpunkt und ist doch nur ein Mittel zum Zweck – vergleichbar zu Joe Bell. Das mag ein wenig irritieren, zumal eine ausgiebige Charakterisierung üblicherweise die Voraussetzung ist, damit man als Zuschauer bzw. Zuschauerin Anteilnahme zeigt. Es gelingt Chukwu aber auch so, beim Publikum eine emotionale Antwort zu erzeugen. Es ist nahezu unmöglich, kein Mitgefühl für die Mutter zu entwickeln, die einen unmenschlichen Schicksalsschlag hinnehmen muss.
Das ist in erster Linie Hauptdarstellerin Danielle Deadwyler (The Harder They Fall) zu verdanken. Die Art und Weise, wie sie Zerbrechlichkeit und Stärke in einem darstellt, das ist schon eine starke Leistung. Gerade die Szenen vor Gericht oder rund um die Beerdigung bleiben einem in Erinnerung. Da verzeiht man dann auch, dass Till – Kampf um die Wahrheit hin und wieder zum Pathos neigt und nicht allein auf die Geschichte vertrauen möchte. Dabei ist die für sich genommen schon Grund genug, sich das Drama anzusehen. Der Film ist Anklage an ein System, das auf skandalöse Weise Täter schützt und Opfer im Stich lässt, aber auch Zeugnis eines Mutes, der Jahrzehnte später noch immer imponiert.
OT: „Till“
Land: USA
Jahr: 2022
Regie: Chinonye Chukwu
Drehbuch: Michael Reilly, Keith Beauchamp, Chinonye Chukwu
Musik: Abel Korzeniowski
Kamera: Bobby Bukowski
Besetzung: Danielle Deadwyler, Jalyn Hall, Frankie Faison, Haley Bennett, Whoopi Goldberg
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