Aus meiner Haut Interview Alex Schaad
Alex Schaad beim Dreh von "Aus meiner Haut" (© Boris Laewen)

Alex Schaad [Interview]

Aus meiner Haut erzählt die Geschichte von einer Gruppe von Menschen, die sich auf einer abgelegenen Insel treffen, um dort ihre Körper zu tauschen. Unter diesen Menschen befindet sich auch das Paar Leyla (Mala Emde) und Tristan (Jonas Dassler), das sich auf das Experiment einlässt. Das bedeutet für beide eine Grenzerfahrung, welche sie über sich selbst und ihre Beziehung nachdenken lässt – und jede Menge unvorhergesehener Folgen mit sich führt. Zum Kinostart am 2. Februar 2023 haben wir uns mit Alex Schaad unterhalten, der bei dem Fantasydrama Regie geführt hat und gemeinsam mit seinem Bruder Dimitrij das Drehbuch schrieb. Im Interview sprechen wir über Identität, die Angst vor Reaktionen und welchen Körper er selbst gern einmal kennenlernen würde.

 

Aus meiner Haut erzählt eine ziemlich ungewöhnliche Geschichte. Wie seid ihr auf diese Idee gekommen?

Die Ursprungsidee war von meinem Bruder Dimi, mit dem ich auch das Drehbuch geschrieben habe. Das war damals noch eine sehr diffuse Idee. Wir wussten nur, dass es um Körpertausch gehen sollte und ein Drama sein könnte im Kontext Beziehung. Keine Komödie, wie du es sonst oft hast bei Filmen mit ähnlicher Anlage. Irgendwie hatte er darin etwas Interessantes gesehen, auch wenn ich es selbst anfangs gar nicht interessant fand. Ich steckte damals mitten in einer Trennung und wollte von nichts hören, was auch nur annähernd etwas mit Beziehung zu tun hat. Dann vergingen ein paar Monate und wir mussten sondieren, was wir als nächstes machen könnten. Dabei kam wieder diese Idee auf und ich wurde mir erst der Größe von dem bewusst. Mir war auf einmal klar, was für ein Potenzial es hat, mithilfe eines Körpertauschs eine Beziehung aufzuzeigen, die eine Veränderung durchmacht. Ein Film über das Zusammensein und was das mit sich bringt nach einer Weile. Der Stress, die Wechsel, die sich ergeben. Eine Beziehung, die sich gerade so sehr verändert, dass man sich fragt: Ist das überhaupt noch unsere Beziehung? Bin ich noch derselbe, der ich zu Beginn der Beziehung war? Das fand ich sehr spannend.

Du hast es schon gesagt: Die meisten Filme zum Thema Körpertausch sind Komödien. Es gibt auch ein paar Thriller, die damit arbeiten. Warum das Ganze als Drama aufziehen? Beziehungsprobleme lassen sich in Komödien auch leicht behandeln.

Stimmt, hätte man machen können. Dabei wäre für mich aber die Qualität verloren gegangen, die uns dieses Tool zur Verfügung stellt. Natürlich ist es toll, wenn Tom Hanks auf einmal alt ist und sich in dem neuen Körper zurechtfinden muss. Uns ging es aber um die Psychologie der Figuren. Was macht es mit mir, wenn ich auf einmal ein anderer Mensch werde? Da kommen die unterschiedlichsten Gefühle zusammen, von Freude und Euphorie bis zu Angst und auch einer Sehnsucht nach dem Alten und Bekannten. Es kann auch ein Eskapismus sein, um etwas hinter sich zu lassen, was einen unglücklich macht. So wie es Leyla ergeht, für die der neue Körper eine echte Chance darstellt. Das wollten wir ernst nehmen und deshalb ihre Geschichte dramatisch erzählen. Der Ursprung solcher Körpertausch-Geschichten ist auch ein dramatischer, wenn du in Ovids Metamorphosen schaust, oder unzählige andere Beispiele aus der griechischen Mythologie. Das wurde später nur im Komödienkontext quasi missbraucht, um das Publikum zu unterhalten.

Viele dieser Körpertausch-Filme basieren darauf, dass die Hauptfigur unfreiwillig diese Erfahrung macht. Bei euch ist das anders, eure Figuren entscheiden sich bewusst dafür. Warum sollte man einen anderen Körper haben wollen? Geht es dabei um das Neue oder darum, das Alte loszuwerden?

Es gibt beide Möglichkeiten und wahrscheinlich noch unzählige weitere. Für unsere Hauptfigur Leyla wird es zunehmend unmöglich in ihrem Körper zu bleiben, falls sie mit einer schweren Depression kämpft. Für andere Paare in dem Film ist es nur ein kurzer Thrill. Sie können zwei Wochen lang tun und lassen was sie wollen, ein rein hedonistischer Eskapismus eben. Ich selbst würde es nutzen, um mich besser in einen anderen Menschen hineinversetzen zu können. Freunde, oder eine Partnerin besser zu verstehen. Oder meine Mutter. Wie fühlt sich das an, eine Frau zu sein, die doppelt so alt ist wie ich und über Arthrose und Kurzsichtigkeit klagt? Das kann ich mir alles nicht vorstellen, ich kenne nur meine eigene Realität. Wenn ich ihre Realität kennenlernen dürfte, könnte ich sie besser verstehen und wäre ein besserer Sohn.

Du fändest es also gut, wenn wir diese Möglichkeit des Körpertauschs wirklich hätten?

Jein. Auf der einen Seite gibt es viele wundervolle Sachen, die man damit machen könnte. Gleichzeitig ist klar, dass es nicht lange dauern würde, bis die Menschen das alles missbrauchen würden für die unterschiedlichsten Zwecke. Insofern ist es ganz gut, wenn es dieses Tool nicht gibt.

Das habe ich mich auch gefragt: Was macht es mit einer Gesellschaft, in der jeder jeder sein kann?

Das ist wirklich ein spannendes Szenario. Es gab bei uns auch ganz viele verschiedene Drehbuchfassungen, in denen wir die verschiedensten Möglichkeiten einmal durchgespielt haben. Zwischenzeitlich waren wir schon fast bei einer Satire und Gesellschaftskritik angekommen, indem der Körpertausch kommerzialisiert wurde. Denn das öffnet die Tür dazu, sich einen Wunschkörper auszusuchen. Da sind junge Körper beliebter als alte, männliche beliebter als weibliche. Das führte uns aber zu weit weg von dem, was wir erzählen wollten: zwei Menschen, die Schwierigkeiten mit ihrer Beziehung haben. Deshalb haben wir diese Tür lieber verschlossen gehalten. Das wäre ein anderer, eigener Film geworden.

Aus meiner Haut
2×2 = viele: In „Aus meiner Haut“ beschließen zwei Paare, die Körper miteinander zu tauschen. (© X-Verleih)

Verbunden wird diese Liebesgeschichte mit Fragen der Identität. Wie sehr ist der Körper Teil von dem, der ich bin?

Die von Edgar Selge gespielte Figur sagt an einer Stelle: Du bist der Mensch, der du bist, weil du den Körper hast, den du hast. Das ist die klügste Antwort, die ich auf diese Frage geben kann. Natürlich gibt es eine Wechselwirkung. Ich habe die Psyche, die ich habe, weil ich die Welt durch meinen Körper wahrnehme: einen weißen, männlich gelesenen, nicht sonderlich großen Körper. Meine Psyche wäre in einem anderen Körper eine andere. Deswegen ist das Themenfeld unglaublich komplex. Wenn ich beispielsweise in einen Körper wechsle, der 30 Zentimeter größer ist, fühle ich mich anders, weil ich selbstbewusster durch die Welt gehe. Zumindest kurzfristig. Vielleicht falle ich ja schnell wieder zurück in meine alten Minderwertigkeitskomplexe. Das ist auch eine der Fragen, die der Film stellt: Handelt es sich um eine dauerhafte Lösung oder ist sie nur temporär?

Zu Beginn des Films wechseln Männer in andere Männerkörper, Frauen nehmen andere Frauenkörper. Später werden diese Geschlechtergrenzen aufgehoben. Das knüpft an ein Thema an, das in den letzten Jahren auf einmal sehr kontrovers wurde: Transsexualität. Da geht es auch um die Frage, ob ein Individuum seine eigene Identität mitbestimmen kann. Haben diese Diskussionen euch beim Drehbuchschreiben beschäftigt?

Das hat uns sehr beschäftigt. Auch wenn wir beide heterosexuelle Cis-Männer sind, hat der Diskurs in unseren Freundeskreisen und Bekanntenkreisen stattgefunden. Wenn du in dieser Situation einen Stoff wie unseren erzählen willst, ist das daher automatisch mit einer größeren Verantwortung verbunden. Das war ein sehr schmaler Grat für uns, weil wir dieses Thema nur aus unserer persönlichen Perspektive heraus behandeln konnten.

Hattet ihr Angst vor den Reaktionen der Leute? Der Film hatte schließlich das Potenzial, sowohl queere wie auch transphobe Menschen gegen einen aufzubringen, gerade weil es ein sehr emotional besetztes Thema ist.

Ja, natürlich. Ich war unglaublich nervös, wie die Leute reagieren würden. Es gibt eine Sparte von Menschen, die sich den Film grundsätzlich nicht anschauen werden, weil sie sich diesem Diskurs verweigern. Es werden sicherlich auch Leute im Publikum sein, für die das alles grundsätzlich falsch ist, was da geschieht. Gleichzeitig hatte ich Angst vor den Reaktionen der queeren Community. Deswegen war die Verleihung des Queer Lion Awards in Venedig sehr wichtig für uns, weil es als positiv gesehen wurde, dass der Film all diese Themen spielerisch vereint, ohne sie dogmatisch zu behandeln. Das war für uns ein absoluter Ritterschlag.

Was waren denn allgemein die größten Schwierigkeiten bei der Umsetzung eures Films? Der Weg war schließlich lang.

Das stimmt. Wir mussten sehr viel Überzeugungsarbeit leisten, damit wir ihn so umsetzen konnten. Es gibt in Deutschland ohnehin eine große Vorsicht gegenüber dem Nachwuchs. Solange du nicht mindestens einen funktionierenden Film vorzeigen kannst, ist es schwer, dass die Menschen dir vertrauen. Wir konnten auch auf keine anderen Filme verweisen, die ähnlich sind zu dem was wir da vor hatten. Wir konnten nicht sagen: Aus meiner Haut ist ein Film wie x. Die Leute haben das Drehbuch gelesen und uns spüren lassen, dass sie sich fundamental nichts darunter vorstellen konnten. Die wussten nicht, wie das funktionieren soll oder was für ein Genre das sein soll. Das hat es krass schwer gemacht. Zusätzlich befinden wir uns in einer Zeit des Kinosterbens. Und als wäre das alles nicht schon schwierig genug, kam dann auch noch Corona hinzu. In diesem Kontext einen Debütfilm drehen zu wollen, der anders ist, das ist düster. Glücklicherweise haben dann aber doch die richtigen Leute an den Stoff geglaubt.

Ihr habt aber nie darüber nachgedacht, dass es ein Nicht-Kinofilm sein könnte?

Oh doch! Wir haben sogar regelmäßig darüber nachgedacht, dass es überhaupt kein Film sein könnte. Irgendwann verlässt dich das Selbstbewusstsein. Was wenn die Leute recht damit haben, dass das nicht funktioniert? Oder dass ich es nicht hinbekomme, weil ich als Regisseur nicht gut genug bin? Irgendwann fängt das an, an dir zu nagen.

Und als die Finanzierung stand, was war dann die größte Schwierigkeit?

Den richtigen Ton zu finden. Die richtige Darstellungsform zu finden zwischen psychologischem Realismus und karikaturesker Überhöhung. Das war sehr schwierig und bedeutete, dass wir sehr viel herumprobieren mussten, um die richtige Sprache zu finden. Das ging nur, weil wir das richtige Ensemble gefunden haben, das sich auch die Zeit genommen hat, das Buch zu erproben. Wie in einem Theaterstück. Als wir angefangen haben, wussten wir schließlich selbst noch nicht, wie das am Ende genau aussehen würde.

Du hast gemeint, dass es keine bekannten Filme gab, auf die du verweisen konntest. Aber gab es welche, bei denen du für dich gedacht hast, dass du dich an diesen orientieren kannst?

Gab es. Ich bin ein großer Fan von Yorgos Lanthimos. The Lobster war für mich die größte Referenz als ein in sich geschlossener Kosmos, in denen Dinge passieren, die in meiner Welt gar nicht möglich sind. Diese Form von Humor und Zynismus fand ich genial. Ari Asters Midsommar war eine große Inspiration, weil er auch eine Welt zeigt, die nach eigenen Regeln funktioniert. Einer meiner Lieblingsfilme ist auch Her von Spike Jonze. Diese Ungewöhnlichkeit einer Liebesbeziehung, die sich einem Körper entzieht. Das sind drei Filme, die ich immer mit mir herumgetragen habe.

Und wie geht es im Anschluss weiter. Sind schon nächste Projekte in Planung?

Dimi und ich ziehen uns demnächst wieder zurück, um gemeinsam an einem Stoff zu arbeiten. Es soll eine Mutter-Sohn-Geschichte sein mit mythologischem Unterbau. Und wieder ein Magischer Realismus, weil ich das aus der Literatur unglaublich toll finde und von Márquez und Kafka mehr inspiriert bin als von den meisten Filmen.

Vielen Dank für das Gespräch!



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