Über viele Jahrzehnte hinweg war die Menschheit von Optimismus geprägt. Von dem Glauben eines ständigen Fortschritts, der dazu führt, dass es die eigenen Kinder später einmal besser haben werden. Zuletzt hat dieser Optimismus jedoch einige kräftige Dämpfer bekommen. Die Sorgen um den Klimawandel, der trotz zahlreicher Lippenbekenntnisse nicht so wirklich ernsthaft bekämpft wird, lassen großen Zweifel an einer Verbesserung aufkommen. Hinzu kommen die unzähligen kleinen und großen Tragödien, die weltweit für Leid sorgen – viele davon menschengemacht. Doch je trüber die Aussichten, umso mehr finden sich, die etwas gegen die Missstände tun wollen. Ein paar von diesen bekommen in dem Dokumentarfilm Bigger Than Us eine Bühne.
Junger Aktivismus aus aller Welt
Im Mittelpunkt steht dabei die 18-jährige Melati. Die setzt sich in ihrer Heimat Indonesien für den Kampf gegen den ständig wachsenden Müllberg ein. Vermutlich hätte man allein daraus einen eigenen Film machen können, wichtig genug ist das Thema ja. Regisseurin Flore Vasseur hat jedoch etwas anderes vor. Anstatt ihre Protagonistin zum Thema zu machen, begleitet sie diese um die Welt und lässt dabei andere junge Menschen zu Wort kommen. Ziel ist es, in Bigger Than Us aufzuzeigen, wie überall Kinder und Jugendliche ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen wollen und einen Beitrag für eine bessere Zukunft leisten. Insgesamt sechs Gleichgesinnte trifft Melati im Laufe des Films, alle haben sie eigene Ansinnen und Methoden, um so für einen Fortschritt zu sorgen, der eigentlich von den Erwachsenen initiiert werden müsste.
Die Bandbreite ist dabei beachtlich. So vielfältig die Probleme sind, mit denen sich Menschen weltweit herumplagen, so vielfältig sind auch die Geschichten, die Vasseur in Bigger Than Us zu erzählen hat. So gründete Mohamad Al Jounde an der syrisch-libanesischen Grenze eine Schule für geflüchtete Kinder. Auch Mary Finn liegen Flüchtlinge am Herzen, hat sich an einer Reihe von Rettungsktionen beteiligt. Memory Banda setzt sich in Malawai für die Rechte von Mädchen und Frauen ein. Bei Xiuhtezcatl Martinez ist das große Thema Umwelt, für das er vor Gericht wie auch mit seiner Musik kämpft. Rene Silva nutzt eine eigene Zeitung, um aus und über die Slums in Brasilien zu berichten. Winnie Tushabe widmet sich dem Thema Nahrung und bringt in Uganda anderen bei, wie man von Permakultur leben kann.
Ein Kampf unter vielen
Dabei darf man trotz der Vielfalt einige Déjà-vu-Erlebnisse haben. Zum einen ist die Zahl an Dokus, welche Aktivisten und Aktivistinnen begleitet, nicht eben gering. Morgen gehört uns und Rise up waren ähnliche Potpourris, bei denen junge Menschen aus aller Welt von ihrem Engagement berichten. Zum anderen sind die Themen dann doch die üblichen, wie sie praktisch immer vorkommen. Die sind natürlich auch in der x-ten Wiederholung relevant. Umweltschutz, Gleichberechtigung von Mann und Frau und der Einsatz für Flüchtlinge werden auch – so traurig es ist – auf Jahre hinweg dringende Anliegen sein. Bigger Than Us verfehlt es dabei jedoch, einen eigenen Zugang zu finden. So imposant und wichtig der Einsatz der jungen Protagonisten und Protagonistinnen ohne jeden Zweifel ist, da ist weder inhaltlich noch inszenatorisch etwas dabei, das dauerhaft in Erinnerung bleibt.
Aber um das Individuum soll es hier ja ohnehin nicht gehen. Gemäß dem Titel soll das Gefühl einer weltweiten Bewegung entstehen, an der alle teilhaben können. Und eigentlich auch sollen: Bigger Than Us spart nicht Versuchen, das Publikum aufzurütteln und zum Mitmachen zu bewegen. Um reine Berichterstattung geht es hier nicht, vielmehr versteht sich der Dokumentarfilm als Appell. Ist also selbst Teil eines Aktivismus. Vorbei der Film lieber das Mittel des Enthusiasmus verwendet, anstatt einfach nur mit erhobenem Zeigefinger zu predigen. Die Idee: Es ist toll und bereichernd, sich für andere einzusetzen. Und wenn diese Kinder und Jugendliche das können, wirst du das auch können.
OT: „Bigger Than Us“
Land: Frankreich
Jahr: 2021
Regie: Flore Vasseur
Drehbuch: Flore Vasseur, Melati Wijsen
Musik: Rémi Boual
Kamera: Christophe Offenstein, Tess Barthes
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
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César | 2022 | Bester Dokumentarfilm | Nominiert |
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